von Miriam Suter

The Good, The Bad & The Ugly LXXXVIII

Geldspritze, Vertrauensverlust, Nachwuchsproblem

The Good – Presserat erhält 100‘000 Franken

«Die Finanzlage ist wirklich sehr schwierig. Wir haben lange versucht zu überbrücken – in der Hoffnung, dass die Unterstützung vom Bund kommt», sagte Presserats-Präsidentin Martina Fehr im April. Nachdem das Mediengesetz im Februar abgelehnt wurde und der Nationalrat kürzlich eine abgespeckte Version ebenfalls bachab schickte, befand sich der Presserat endgültig in akuter Geldnot. Das ist nun vorbei, zumindest vorerst: Dank einmaliger 100’000 Franken von den sechs Trägerorganisationen hat der Presserat bis 2023 Zeit, kurz durchzuschnaufen und Lösungen für eine längerfristige Finanzierung zu finden. Die ist auch nötig: Ausgelegt ist das Organ auf 80 Beschwerden pro Jahr, seit 2017 kommen aber jeweils fast doppelt so viele rein. Den bisherigen Rekord mit 197 Beschwerden pro Jahr verzeichnete der Presserat 2021. Gemäss Presserat haben der Verlegerverband Schweizer Medien und SRG SSR eine entscheidende Rolle im Prozess des Finanzierungszuschusses gespielt. Das ist begrüssenswert, hat der Verlegerverband doch 2016 noch angegeben, man könne sich eine finanzielle Unterstützung des Presserats nicht leisten – die Schuld schob man damals der SRG zu.

The Bad – Vertrauen in die Medien sinkt

Das Reuters Institute der University of Oxford veröffentlichte am vergangenen Mittwoch den Digital News Report 2022. Der Bericht untersucht einmal im Jahr die Newsnutzung in 46 Ländern, eine Befragung von 2000 Personen pro Land findet jeweils Anfang Jahr statt. Vor allem ein Befund für die Schweiz stimmt besorgt: Nur noch 46 Prozent der Befragten gaben an, den Medien im Allgemeinen zu vertrauen. Das sind 5 Prozentpunkte weniger als noch 2016. Die Autoren führen diesen Verlust unter anderem auf die Covid-Pandemie zurück. Das grösste Vertrauen geniessen die Angebote der SRG, gefolgt von lokalen Zeitungen – also genau diejenigen, die entweder unter politischem Beschuss stehen oder zusammengespart werden. Zwar liegt die Schweiz beim Medienvertrauen im internationalen Vergleich leicht vorne, aber auch hier nimmt der Wert Jahr für Jahr ab. Kleine Lichtblicke gibt es aber auch: In der Schweiz nimmt die Bereitschaft, für News zu bezahlen, weiter zu. Inzwischen geben 18 Prozent der Befragten an, im vergangenen Jahr für Nachrichten bezahlt zu haben. Das ist ein Anstieg um sieben Prozentpunkte seit 2019.

Unterstützen Sie unabhängigen und kritischen Medienjournalismus. Werden Sie jetzt Gönner/in.

Journalismus braucht Herzblut, Zeit – und Geld. Mit einem Gönner-Abo helfen Sie, unseren unabhängigen Medienjournalismus nachhaltig zu finanzieren. Ihr Beitrag fliesst ausschliesslich in die redaktionelle und journalistische Arbeit der MEDIENWOCHE.

[rml_read_more]

The Ugly – Mehr Praktika als Volontariate

Wer heute in den Journalismus einsteigen will, hat weniger Möglichkeiten als noch vor ein paar Jahren: SRF hat die interne journalistische Grundausbildung für den Moment auf Eis gelegt, Tamedia übernimmt seit mehreren Jahren nicht mehr alle Kosten für die teure Diplomausbildung an der Schweizer Journalistenschule MAZ. Nun berichtete persoenlich.com, dass derzeit zwar noch 40 Volontariate mit begleitender und teilweise oder voll bezahlten Ausbildung in Deutschschweizer Medien angeboten werden. Von den schlechter bezahlte Praktika, bei denen eine spätere Anstellung seltener garantiert ist als bei Volontariaten, bieten Redaktionen aber mehr als doppelt so viele an. Das ist insofern problematisch, als dass der Journalismus momentan sowieso schon ein Nachwuchsproblem hat: Anfang Jahr sagte Pascal Scheiber, Präsident des Verbands Junge Journalist:innen Schweiz, in einem Interview: «Wir hören von immer weniger Anmeldungen bei den Ausbildungsstätten. Von den Redaktionen hört man, dass es schwierig ist, eine Praktikumsstelle mit geeigneten Personen zu besetzen.»

Leserbeiträge

Jochen Tempelmann 22. Juni 2022, 17:45

Wer ist denn Schuld am Nachwuchsproblem des Schweizer Journalismus? Wenn die MAZ-Ausbildungen zurückgehen, dann, weil die Medienhäuser die entsprechenden Ausbildungen streichen. Und wenn es schwierig wird, die Praktikumsstellen mit geeigneten Personen zu besetzen, dann liegt es daran, dass sie zu wenig Perspektive versprechen. Nach zwei Jahren im Journalismus wechsle ich in die Kommunikation, weil zu wenig attraktive Nachwuchsstellen ausgeschrieben sind. Das Nachwuchsproblem haben die Medienhäuser selbst verschuldet.