«Der Kanton kann die Medien unterstützen, er muss aber nicht.»
Anfang September kam Bewegung in die Diskussion um die kantonale Medienförderung: In Bern gibt es ein neues Mediengesetz, für den Freiburger Staatsrat ist Medienförderung Sache des Bundes und im Aargau und in Schaffhausen liegt der Ball bei den Regierung nach Vorstössen aus dem Parlament.
Nicht erst seit der Ablehnung des Medienpakets auf Bundesebene im Februar 2022 diskutieren auch die Kantone über allfällige Fördermöglichkeiten. Während vor allem in der Westschweiz, aber auch in Graubünden, die Kantone Projekte für den Erhalt und die Stärkung der Medienvielfalt unterstützten, kommt andernorts die Diskussion eben erst in Gang. Oft sind es regionale Entwicklungen, die eine Dynamik auslösen. So gab im Kanton Bern 2017 die Ankündigung von Tamedia, die Redaktionen ihrer beiden Tageszeitungen zusammenlegen zu wollen, den Anstoss zum Handeln.
Fünf Jahre später steht das revidierte «Gesetz über die Information», das neu den Zusatz trägt «… und die Medienförderung». Am 5. September verabschiedete der bernische Grosse Rat mit 151 zu 0 Stimmen die Grundlage für eine finanzielle Unterstützung redaktioneller Medien. Diese kann aber nur auf indirekten Weg erfolgen. Das Geld fliesst also nicht an Verlage und Redaktionen. Eine Minderheit im Grossen Rat hätte auch diese Form der Förderung nicht ausschliessen wollen, damit man sich keine Optionen verbaut. Die Regierung und eine Parlamentsmehrheit hielten direkte Förderung für zu heikel. Man wolle die Redaktionen gar nicht erst in Verlegenheit bringen, dass sie sich mit kritischer Behördenberichterstattung zurückhalten könnten, weil sie wissen, woher das Geld kommt, sagte Christoph Auer, Staatsschreiber des Kantons Bern, kürzlich an einer öffentlichen Diskussion zum neuen Informations- und Mediengesetz.
Als förderwürdig böten sich Stiftungen, Vereine, Technologieplattformen an, die dann quasi neutral die Medien mit Dienstleistungen bedienen.
Doch wie sehen die konkreten Fördermöglichkeiten nun aus im Kanton Bern? Klar ist erst, dass noch Vieles unklar ist. Mit dem Gesetz besteht eine Rechtsgrundlage, die indirekte Formen der Medienförderung erlaubt – mehr nicht. «Die Einzelheiten muss der Regierungsrat noch regeln», sagt Staatsschreiber Auer. Das wird noch eine Weile dauern. Geld fliesst – Stand heute – frühestens 2024. Überhaupt dämpft Auer die Erwartungen: «Der Kanton kann die Medien unterstützen, er muss aber nicht.» Als förderwürdig böten sich Stiftungen, Vereine, Technologieplattformen an, die dann quasi neutral die Medien mit Dienstleistungen bedienen. Ebenso könne der Kanton Massnahmen und Projekte unterstützen zur Förderung der Medienkompetenz junger Leute.
Gemessen an den finanziellen und strukturellen Herausforderungen, vor denen heute kleine und mittelgrosse Verlagsunternehmen stehen, nehmen sich die vorgesehenen Fördermöglichkeiten äusserst bescheiden aus. Das «Bieler Tagblatt» zum Beispiel zahlt pro Jahr eine halbe Million Franken mehr für das Zeitungspapier als vor den Corona-Jahren. Geld, das der Verlag nicht einfach so auf das sowieso schon teuren Abopreis von 500 Franken pro Jahr abwälzen kann. Ausserdem befindet sich die Regionalzeitung in einem Transformationsprozess von Print zu Digital, bei dem der Verlag noch drauflegt. Für Sophie Hostettler, publizistische Leiterin des «Bieler Tagblatts», wäre «eine direkte Förderung für eine befristete Periode» sinnvoll, wie sie an der Diskussionsveranstaltung zum neuen Berner Mediengesetz sagte. Damit könnte der Verlag die Phase des Umbruchs durchstehen, so Hostettler weiter. Dafür ist die kantonale Medienförderung aber nicht zuständig.
Für den Freiburger Staatsrat ist klar: Medienförderung ist Sache des Bundes.
Ebenfalls am 5. September, also am gleichen Tag, an dem der bernische Grosse Rat ein Mediengesetz verabschiedet hat, legte der Freiburger Staatsrat einen Bericht vor mit dem Titel «Aktuelle Lage, Finanzierung und Zukunft der Freiburger Medien». Bei dem Dokument, das die Kantonsregierung in Erfüllung eines Postulats verfasst hat, handelt es sich um eine breite Auslegeordnung. In der für die Medien entscheidenden Frage nach dem Spielraum des Kantons für mögliche Fördermassnahmen schreibt der Staatsrat Klartext: Medienförderung ist Sache des Bundes. Die Kantonsregierung verweist stattdessen auf bestehende Instrumente aus der Innovationsförderung oder regt an, einen runden Tisch einzuberufen, um «einen engeren Dialog mit den Akteuren der Freiburger Medienlandschaft zu führen».
Dennoch sehen die beiden Politiker, die den Bericht angeregt hatten, ein paradoxes Verhalten der Regierung: Zwar anerkenne sie die Rolle der Medien und sehe ihre schwierige Lage, sei aber nicht bereit, konkrete Fördermassnahmen vorzuschlagen. Auch bei den Freiburger Verlagen zeigt man sich irritiert ob der klaren Absage der Regierung an eine kantonale Medienförderung. «Der Staatsrat verlässt sich auf den Bund, während die Bundeshilfen derzeit ins Stocken geraten sind», sagte Serge Gumy, Verleger einer Reihe französischsprachiger Tages- und Wochenzeitungen im Kanton Freiburg gegenüber seiner «La Gruyère».
«Man verlangt also von uns, neue Inhalte zu entwickeln, die kostenlos wären, ohne dass es dafür auch nur die geringste Unterstützung gäbe.»
Serge Gumy, Verleger
Einen Widerspruch in der Argumentation der Regierung sieht Gumy zudem darin, dass sie von den Medien erwartet, Formate bereitzustellen, damit die regionalen Informationen auch die jüngere Generation erreichen, aber nicht bereit sei, die Verlage dafür finanziell zu unterstützen. «Wenn man sich an Jugendliche wenden soll, muss das kostenlos sein, weil sie es sich wahrscheinlich nicht leisten können, für ein journalistisches Angebot zu bezahlen. Man verlangt also von uns, neue Inhalte zu entwickeln, die kostenlos wären, ohne dass es dafür auch nur die geringste Unterstützung gäbe.» Der Bericht der Regierung wird nun im Grossen Rat beraten. Das letzte Wort in Sachen Medienförderung ist im Kanton Freiburg also noch nicht gesprochen.
Während die Politik in Bern und Freiburg schon entscheidende Weichen gestellt hat für oder gegen eine kantonale Medienförderung, unternimmt man im Aargau und in Schaffhausen – auch in den ersten Septembertagen – gerade die ersten Schritte. Während in Schaffhausen SP-Kantonsrat Patrick Portmann mit einer Interpellation den Regierungsrat auffordert, zur Mediensituation und allfälligen Fördermassnahmen Stellung zu nehmen, geht man im Kanton Aargau schon einen Schritt weiter. Grossrätinnen und -räte von SP, GLP, EVP und Mitte fordern in einer Motion von der Regierung ein Mediengesetz zu erlassen, das auch Förderinstrumente enthält.
Peter Knechtli 23. September 2022, 09:39
Kantonale Medienförderung war einmal ein eher linkes Anliegen. Ich stelle fest, dass doch langsam der eine oder andere bürgerliche Politiker (auch Politikerin) begreift: Die sog. Sozialen Medien verdrängen die journalistischen Angebote immer stärker und am Schluss stirbt die professionelle politische Lokalberichterstattung ganz.
Mit einem jährlichen Pauschalbetrag von nur schon 250’000 Franken pro Regionalmedium (zwei bis drei Stellen), wie wir es in Basel-Stadt vorschlagen, könnte eine lebhafte und vielfältige lokalpolitische Berichterstattung auf Dauer gesichert werden.
Anton Hofer 01. Oktober 2022, 15:12
Meines Erachtens verdrängen die sog. Sozialen Medien die journalistischen Angebote nur, da bei letzteren die Qualität auf einem noch nie dagewesenen Tiefstand verharrt. All die heutigen und bekannten Plattformen der grossen Medienhäuser versuchen vehement Publikum zu binden. Mit einem Einheitsbrei, gespickt mit katastrophalen Schreibfehlern, begleitet mit nicht endenden Werbespots und polarisierenden Headlines resp. mit Panikmache und FakeNews wird das nicht mehr werden. Nutzer wenden sich ab und konsumieren anderweitig oder was noch schlimmer ist, sie gewöhnen sich daran womit auch die Bereitschaft sinken wird, zukünftig dafür Geld auszugeben. Dieses Geschäftsmodell ist zum scheitern verurteilt und sollte keinesfalls zusätzlich mit Steuergeldern subventioniert werden. Seriöse Arbeit lässt sich verkaufen und bedarf keinem Sponsor.