von Nick Lüthi

Neues SP-Magazin «direkt»: ein Megafon ohne Batterien

In den vergangenen Jahren mehrfach prominent angekündigt, Ende Juli lanciert: Die SP Schweiz will mit ihrem neuen Online-Magazin «direkt» zu «aktuellen Themen aus sozialdemokratischer Sicht» informieren. Die Website entspricht allerdings nicht dem, was die Parteiprominenz im Vorfeld skizziert hatte und was sie sich auch weiterhin wünscht.

Ein Megafon ist laut. Vom neuen Megafon der SP Schweiz kann man das nicht behaupten. Seit Ende Juli betreibt die Partei die Website direkt-magazin.ch als «neuen Kommunikationskanal für Mitglieder und die breite Öffentlichkeit». Die Partei verfüge über viel Grundlagenwissen und zahlreiche Botschaften. «Dafür brauchen wir ein Megafon», schrieb Redaktionsleiterin Lena Allenspach zum Launch der Website in der Parteizeitung «Links». Der Start erfolgte leise und weitgehend unbemerkt einer breiten Öffentlichkeit.

Auf den ersten Blick gleicht direkt-magazin.ch einer Mischung aus Polit-Blog und Nachrichtenportal. Auf den zweiten Blick erkennt man die politische Ausrichtung anhand der Schlagzeilen: «AHV-Vorlagen: Männer überstimmen Frauen», «Verstecktes Steuergeschenk für Finanzplatz», «Krankenkassen-Prämien: immer grössere Belastung». Im Kleingeschriebenen am Fuss der Seite folgt schliesslich die Auflösung: «‹direkt› ist eine Webseite der SP Schweiz mit Beiträgen zu aktuellen Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.» Und «direkt» will «Sagen, was ist».

Anspruch und Wirklichkeit des neuen SP-Magazins klaffen weit auseinander.

Gemessen an dem, was da steht, wirkt das Augstein-Diktum etwas hoch gegriffen. Aber nicht der «Spiegel»-Gründer habe Pate gestanden bei der Wahl des Leitspruchs, gibt Redaktionsleiterin Allenspach zu bedenken und verweist auf einen sozialistischen Ursprung. «Sagen, was ist» stamme von Ferdinand Lassalle, einem Wortführer der Arbeiterbewegung, respektive Rosa Luxemburg, die später an dessen Aussage erinnerte.

Wie dem auch sei. Anspruch und Wirklichkeit des neuen SP-Magazins klaffen weit auseinander. Als das Duo Mattea Meyer und Cédric Wermuth im Frühjahr 2020 das Präsidium der SP Schweiz ins Visier nahm, hielt es in ihrem Bewerbungsschreiben fest, die Partei brauche «dringend eigene Medien und Kommunikationskanäle». Nationalrätin und SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran nahm den Ball auf und sagte gegenüber den CH-Media-Zeitungen, die SP könne den Transport ihrer Botschaften nicht mehr den Medien überlassen. Ein Jahr später doppelte sie nach, wieder bei CH Media: Ja, die SP wolle ein linkes Medium lancieren. Die Medien in der Schweiz würden sich insgesamt monopolisieren und seien auf einem FDP-Kurs. «Da braucht es ein Gegengewicht», findet Badran und skizziert, wie sie sich das vorstellt. Es gehe nicht darum, «zehn Journalisten anzustellen», sondern auf einer Plattform zu bündeln, was SP-Politikerinnen und -Politiker ohnehin schon schreiben, etwa für Parteipublikationen. In die gleiche Richtung hatten auch schon Meyer und Wermuth gedacht, als sie ihre Idee für «eigene Medien und Kommunikationskanäle» postulierten. «Wir wissen aus Erfahrung» schreiben die beiden, «dass in vielen Sektionen und von vielen Mitgliedern wichtige Denkarbeit geleistet wird, zum Beispiel in SP-Zeitungen, in eigenen Blogs, in Positionspapieren von Sektionen. Auch diese Ressourcen müssen wir nutzen und wollen wir in einer Plattform bündeln.»

Eine Bündelung der SP-Texte, die heute überall im Internet verstreut stehen, böte tatsächlich einen publizistischen Mehrwert.

Was heute auf der neuen SP-Website steht, entspricht allerdings überhaupt nicht dem, was die Parteispitze in den letzten Jahren mehrfach skizziert hatte. Hier schreiben nicht SP-Politikerinnen und -Politiker, zumindest nicht namentlich. Die Texte erscheinen ohne Angabe eines Absenders. Das ist vielleicht auch besser so. In vielen Fällen handelt es sich um lieblose Zusammenschriebe aktueller Studien oder Medienberichte, welche die Positionen der SP stützen. Originelle und pointierte Beiträge von Parteiprominenz findet man hingegen weiterhin im Internet verstreut. Sei es das Blog von Ständerat Paul Rechsteiner, die Medienkritik von Nationalrätin Jacqueline Badran in der «Sonntagszeitung» oder die Kolumne von Ex-Parteipräsident Peter Bodenmann in der «Weltwoche», um nur ein paar prominente Beispiele zu nennen. Eine Bündelung dieser Texte auf einer SP-Website böte tatsächlich einen publizistischen Mehrwert, ob für Parteileute oder einfach für all jene, die sich für sozialdemokratische Positionen interessieren.

Man ist plötzlich nicht mehr sicher: Handelt es sich beim «direkt»-Magazin tatsächlich um das neue Medienprojekt, von dem immer die Rede war? «Ja, so ungefähr», antwortet Nationalrätin Badran auf die entsprechende Frage. Und: Ihre Medienkolumne aus der «Sonntagszeitung» würde sie gerne auf der neuen SP-Plattform sehen, wünscht sich Badran. Für weitere Auskünfte verweist sie an Redaktionsleiterin Lena Allenspach.

Die SP-Mediensprecherin betreut «direkt» mit einem Stellenpensum von 40 Prozent. «Wir sind erst langsam am Aufbauen», sagt sie. Es handle sich um ein Projekt, das einen längeren Zeithorizont hat. Struktur und Erscheinungsbild gleichen nicht zufällig dem österreichischen Pendant kontrast.at, das die SPÖ-Parlamentsfraktion herausgibt. Die gleiche Person habe beide Websites realisiert, erklärt Allenspach. Unterstützt wird die SP Schweiz zudem von der Winterthurer Kampagnenagentur «digital/organizing», die auch sonst für linke Organisationen arbeitet.

Derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich das redaktionelle Konzept in Richtung Aggregation entwickelt.

Darauf angesprochen, dass das Potenzial einer solchen Plattform angesichts der beschränkten Ressourcen wenn schon darin läge, bereits vorhandene Beiträge zusammenführen, sagt Projektleiterin Allenspach lediglich unverbindlich, sie nehme das gerne mit. Und: «Wir prüfen momentan verschiedene Formate und Formen». Geplant ist etwa eine französischsprachige Ausgabe. Würde die SP Schweiz Blogbeiträge, Kolumnen und Artikel von Genoss*innen aus der Romandie aggregieren, hätte sie von Anbeginn eine mehrsprachige Plattform bieten können.

Mit der Bündelung bestehender Beiträge würde sich die Partei zudem nicht der Kritik aussetzen, «sozialdemokratische Propaganda im journalistischen Mäntelchen» zu veröffentlichen, wie die Zürcher SP-nahe Zeitung P.S. schreibt.

Aktuell weist aber nichts darauf hin, dass das redaktionelle Konzept in Richtung Aggregation angepasst würde. Was «direkt» heute bietet, taugt nicht als linke Ergänzung oder Alternative zu den von der SP immer wieder als bürgerlich bis rechtslastig kritisierten Massenmedien.

Der Artikel wurde 9. Oktober in den letzten Abschnitten ergänzt.