Vier Jahre Medienministerin Sommaruga: eine Bilanz
Das wichtigste Geschäft in ihrer Amtszeit als Medienministerin brachte Simonetta Sommaruga in der Volksabstimmung nicht durch. An die Niederlage mit dem Medienpaket wird man sich auch nach ihrem Rücktritt aus dem Bundesrat erinnern. Insgesamt fällt ihre Bilanz beim Mediendossier durchzogen aus. Auf wichtige Weichenstellungen, die sie selbst mitaufgegleist hat, wird sie keinen Einfluss mehr nehmen können.
Den Titel «Medienministerin» haben die Medien erfunden. Im schweizerischen Politiksystem sind die Mitglieder des Bundesrats wenn schon Departementsvorsteherinnen, aber keine Ministerinnen. Im Fall von Simonetta Sommaruga, die Ende Jahr zurücktritt, passte die Bezeichnung «Medienministerin» aber ganz gut. Das Dossier schien ihr zu behagen und sie suchte redlich nach Mitteln und Wegen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen für ein Nebeneinander von privaten und öffentlichen Medien. Das glückte ihr mal mehr, mal weniger.
Nach ihrem Wechsel vom Justiz- ins Infrastrukturdepartement UVEK auf Anfang 2019 dauerte es nicht lange, bis Simonetta Sommaruga ein Prestigeprojekt ihrer Vorgängerin entsorgte. Doris Leuthard hatte hochtrabende Pläne für eine künftige Medienregulierung und liess ein Bundesgesetz für elektronische Medien entwerfen. In der Vernehmlassung lief sie damit komplett auf. Kaum jemand sah einen Nutzen in diesem potenziellen Bürokratiemonster, das zudem die Presseförderung aussen vor liess.
Sommaruga erkannte diese Mängel und brach die Übung ab. Stattdessen setzte sie auf ein Bündel von Einzelmassnahmen zur finanziellen Unterstützung der Medien. Das ursprünglich ausgewogene Paket erhielt in der parlamentarischen Beratung erhebliche Schlagseite zugunsten der Presseförderung und umfasste am Ende Massnahmen im Umfang von über 150 Millionen Franken jährlich. Dennoch weibelte die Bundesrätin landauf, landab für eine Zustimmung der Bevölkerung zu diesem Medienpaket. Ohne Erfolg. Am 13. Februar 2022 lehnte eine Mehrheit von 55 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten die Vorlage ab.
Das grosse öffentliche Interesse am Medienpaket lenkte den Blick etwas weg von anderen Vorhaben, die Sommaruga in ihrer Amtszeit ebenfalls vorangetrieben hatte.
Auch wenn es «ihre» Niederlage war, schob sie die Verantwortung dafür dem Parlament zu. «Die Vorlage ist aus dem Gleichgewicht geraten», hielt Sommaruga am Abstimmungsabend fest. Mit dem vielen Geld für die Presseförderung sei bei der Bevölkerung zudem der Eindruck entstanden, «dass vor allem auch die grossen Verlage profitieren würden».
Das grosse öffentliche Interesse am Medienpaket lenkte den Blick etwas weg von anderen Vorhaben, die Sommaruga in ihrer Amtszeit ebenfalls vorangetrieben hatte. So etwa eine weitreichende Neugliederung der Privatradiolandschaft. Hier plante die Bundesrätin einen flächendeckenden Service public mit subventionierten Sendern in allen Städten und Regionen der Schweiz zu etablieren. Weiter wollte sie auch die Grenzen der Konzessionsgebiete neu ziehen. Mit diesem Ansinnen scheiterte sie krachend. In der Vernehmlassung liess kaum jemand ein gutes Haar an den Plänen. Der überarbeitete Vorschlag geht nun praktisch in die gegenteilige Richtung: Nicht mehr, sondern weniger Lokalradios sollen künftig einen Service-public-Auftrag für die Berichterstattung aus ihrer Region erfüllen müssen.
Die Haltung von Simonetta Sommaruga gegenüber einer Linksteuer zugunsten der einheimischen Medien war ambivalent.
Während der ursprüngliche Plan für die Neuordnung der Lokalradiolandschaft auch daran scheiterte, dass ihn die Fachleute im UVEK im stillen Kämmerlein ausgeheckt hatten ohne auf die Bedürfnisse der Branche einzugehen, setzte die Medienministerin andernorts stärker auf Partizipation. So lud Sommaruga im Sommer 2021 zu einem «Mediendialog». Vertreterinnen und Vertreter von Printmedien, Radio, Fernsehen und Onlinemedien sollten in diesem Rahmen «Lösungen für die Zukunft» erarbeiten. Den Ton gaben dort die grossen Verlagshäuser an, die auch in diesem Rahmen einmal mehr ihren Wunsch nach einem Leistungsschutzrecht bekräftigten.
Die Haltung von Simonetta Sommaruga gegenüber einer Linksteuer zugunsten der einheimischen Medien war ambivalent. Zwar findet sie im Grundsatz, dass Google und Co. die Leistungen der einheimischen Medien abgelten sollen. Aber sie gibt ebenso zu bedenken, dass nur die grossen Medienhäuser von einem Leistungsschutzrecht profitieren würden. Als Ersatz für das abgelehnte Medienpaket tauge diese Massnahme darum nicht, sagte sie nach der verlorenen Abstimmung. Federführend ist aber nicht das UVEK, sondern das Justizdepartement von Karin Keller-Sutter, das bis Ende Jahr einen ersten Entwurf für ein entsprechendes Gesetz vorlegen will.
Die Amtszeit von Simonetta Sommaruga als Medienministerin prägten im Gegensatz zu jener ihrer Vorgängerin Doris Leuthard stärker die privaten Medien und weniger die SRG. Die Schlacht um «No Billag» war geschlagen, als Sommaruga das UVEK übernahm und die Halbierungsinitiative wirft erst ihre ersten Schatten voraus.
Dass Sommaruga nicht einfach machte, was der SRG zupasskommt, zeigte eine ihrer letzten Amtshandlungen in Sachen Medienpolitik.
Im Sommer 2020 kritisierte die NZZ, dass sich auch die neue Medienministerin offen zeige für die Wünsche der SRG, wie zuvor Doris Leuthard. Zu ihrer Einschätzung kam die Zeitung nachdem der Bundesrat beschlossen hatte, der SRG 50 Millionen Franken mehr pro Jahr aus der Haushaltsabgabe zukommen zu lassen als Ersatz für wegbrechende Werbung. Dass Sommaruga nicht einfach macht, was der SRG zupasskommt, zeigte eine ihrer letzten Amtshandlungen in Sachen Medienpolitik. Vor ein paar Wochen legte sie die Eckwerte für eine neue Konzession der SRG fest. Diese würden den Spielraum des öffentlichen Rundfunks einschränken, den Auftrag auf Information, Bildung und Kultur konzentrieren und den Textanteil im Online-Angebot der SRG reduzieren.
Sehr deutliche Worte fand Sommaruga zudem, als sie sich unzufrieden damit zeigte, wie die SRG mit den Belästigungsvorwürfen beim Westschweizer Radio und Fernsehen umging. Mit einer scharf formulierten Stellungnahme machte Sommaruga im April 2021 klar, dass sie den Verlautbarungen der SRG nicht traut, wonach nun alles besser werden soll. Fortan musste die SRG dem UVEK rapportieren, was sie genau unternimmt, damit Machtmissbrauch, sexuelle und sexistische Belästigungen oder Mobbing am Arbeitsplatz nicht mehr vorkommen. Sommaruga forderte diesbezüglich nichts weniger als einen «Kulturwandel».
Ihre Gesamtbilanz als Medienministerin fällt durchzogen aus. Meilensteine der Medienpolitik vermochte sie in ihrer Amtszeit keine zu setzen.
Ihre Sorge um die Arbeitsbedingungen von Medienschaffenden zeigte sie auch in ihrem Engagement für einen nationalen Aktionsplan zum Schutz von Journalist:innen, den das Bundesamt für Kommunikation ausgearbeitet hat. «Angriffe auf Medienschaffende und die Straflosigkeit bei solchen Verbrechen sind als Angriffe auf die Demokratie selbst zu betrachten», sagte Sommaruga an einer Ministerkonferenz des Europarats im Sommer 2021.
Auch wenn das Mediendossier nur eines von vielen war, das Sommaruga als UVEK-Vorsteherin in den vergangenen vier Jahren betreute, schien ihr die Materie am Herzen zu liegen und sie agierte entsprechend umsichtig. Dennoch fällt ihre Gesamtbilanz als Medienministerin durchzogen aus. Meilensteine der Medienpolitik vermochte sie in ihrer Amtszeit keine zu setzen. Auch bleiben wichtige Baustellen bestehen, die sie aufgrund des überraschenden Rücktritts nun ihrer Nachfolgerin oder ihrem Nachfolger überlassen muss.