Smart Speaker – war da was oder wars das schon?
Vor ein paar Jahren galten Smart Speaker als der letzte Schrei. Inzwischen ist das Interesse abgeflacht und Amazon als wichtigster Gerätehersteller hadert gerade mit seinen «Echo»-Lautsprechern. Sprachassistenten dagegen, wie sie in jedem Smartphone stecken, erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit.
Eine Quizfrage zum Einstieg: Welches der beiden Geräte steht in mehr Schweizer Haushalten, ein Plattenspieler oder ein Smart Speaker? Eher überraschend nennt ein Viertel der befragten Jugendlichen für die aktuelle JAMES-Studie, dass bei ihnen zuhause ein Plattenspieler steht. Lautsprecher hingegen, die auf Zuruf Befehle ausführen, finden sich nur in jedem sechsten Familienhaushalt. In der Studie stehen die Smart Speaker auf einer langen Liste von über 20 Geräten ganz am Schluss.
Auch andere Befragungen weisen in die gleiche Richtung. In der Anfang September 2022 veröffentlichten Digimonitor-Studie der Interessengemeinschaft elektronische Medien IGEM figuriert der Smart Speaker ebenfalls an letzter Stelle unter einem Dutzend Medienabspiel- und Kommunikationsgeräten, welche die Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren mindestens gelegentlich nutzt. Nur knapp fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz oder gut 300’000 Personen erteilen ihrem Smart Speaker gelegentlich einen Sprachbefehl. Das entspricht zwar einer Verdoppelung gegenüber 2019. Siri Fischer, die Geschäftsführerin der IGEM, hält das trotzdem für einen sehr bescheidenen Wert.
Allein die Verbreitung von Smart Speaker anzuschauen, zeigt kein vollständiges Bild. Sprachsteuerung findet sich schliesslich auch in den Betriebssystemen von Smartphones, Tablets und Computern.
«Smart Speaker haben weder vom Corona-Effekt noch von einer längerfristigen Entwicklung profitiert», äusserte sich Fischer anlässlich der Präsentation der Digimonitor-Zahlen. «Wir haben die Sprachbarriere mit unseren kleinräumigen Sprachräumen und eigentlich keine auf die Schweiz ausgerichtete Smart-Speaker-Geräte.» So liefert Weltmarktführer Amazon seine «Echo»-Lautsprecher weiterhin nicht über seine eigene Handelsplattform in die Schweiz. Entsprechend gering ist die Verbreitung dieser Geräte. Statista, eine Online-Plattform für Statistik, hat dazu kürzlich Zahlen veröffentlicht. Während in Deutschland und Österreich 18 respektive 13 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 64 Jahren angaben, einen «Echo»-Lautsprecher von Amazon zu besitzen, sind es in der Schweiz nur 5 Prozent. Dafür stehen hierzulande im Vergleich mit den beiden Nachbarländern etwas mehr Smart Speaker von Google und Apple rum.
Allein die Hardware anzuschauen, zeigt kein vollständiges Bild. Sprachsteuerung findet sich schliesslich auch in den Betriebssystemen von Smartphones, Tablets und Computern. Mit Blick auf sämtliche Plattformen sieht die Entwicklung der vergangenen Jahre etwas anders aus. «Im Jahre 2021 nutzt knapp die Hälfte der Schweizer Bevölkerung Sprachfunktionen/Sprachassistenten», steht in der Zusammenfassung des «Voice First Barometer», einer seit 2018 jährlich durchgeführten Studie unter Leitung des Instituts für Marketing und Analytics der Universität Luzern.
Was auffällt: Hinter Siri (Apple) und Google Assistant, aber noch vor Alexa (Amazon) rangiert der Sprachassistent von Swisscom. Damit lassen sich insbesondere das Fernsehen, aber auch andere mit dem Internet verknüpfte Apparate im Haushalt steuern. Wer die Sprachfunktionen zur Bedienung des Fernsehens nutzt, tut dies hauptsächlich darum, weil sie im Vergleich zur Fernbedienung als zweckmässiger und nützlicher erscheint.
Das Desinteresse an Voice Commerce zeigt sich nicht nur in der Schweiz – und zieht nun gravierende Konsequenzen nach sich.
Praktisch keine Rolle spielt in der Schweiz das Einkaufen mittels Sprachbefehl. «Nur 3 Prozent der Nutzenden von Sprachassistenten geben an, dass sie im 2021 einen Kauf mit Sprachassistenten ausgeführt haben», hält der aktuelle «Voice First Barometer» fest. Ein Jahr zuvor waren es noch mehr als doppelt so viele, die schon einmal via Sprachbefehl etwas eingekauft hatten.
Das Desinteresse an Voice Commerce zeigt sich nicht nur in der Schweiz – und zieht nun gravierende Konsequenzen nach sich: Amazon entlässt derzeit schätzungsweise um die 10’000 seiner Angestellten, den Grossteil davon in der Abteilung, welche die «Echo»-Lautsprecher und die Alexa-Sprachassistenz entwickelte. Gemäss einem internen Dokument, das «Business Insider» kürzlich zitiert hat, wollte Amazon eigentlich «Geld verdienen, wenn die Leute unsere Geräte benutzen, nicht wenn sie unsere Geräte kaufen». Darum verkaufte der Konzern seine Hardware günstig und hoffte, dass die Leute dann hürden- und hemmungslos drauflos shoppen. Doch die Rechnung ging nicht auf. In der Buchhaltung von Amazons Alexa-Abteilung klafft ein Milliardenloch.
Der massive Abbau des Voice-Geschäfts bei Branchenführer Amazon wirft Fragen auf. Wars das schon? Oder wie kürzlich auf Deutschlandfunk Kultur zu hören war: Warum hat sich diese Technik trotz aller grossen Erwartungen bisher nicht durchgesetzt? Vor acht Jahren lösten die damals neuen Smart Speaker von Amazon eine regelrechte Zukunftseuphorie aus und sorgten für Schlagzeilen, wie: «Warum Amazons Echo der Computer der Zukunft ist» oder «Amazon Echo ist ein Star-Trek-Computer für zuhause».
Nicht jede neue Technologie muss einen Blitzstart hinlegen, um sich langfristig zu etablieren. Es kann auch gemächlich, aber kontinuierlich aufwärts gehen.
Aber Amazon erwischte keinen iPhone-Moment. Den Lautsprechern fehle ein «Killer-Feature», also eine Funktion, die den Nutzern einen grossen Mehrwert bietet, sagte kürzlich Ingo Siegert vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnik der Universität Magdeburg auf Deutschlandfunk Kultur. Auch wenn das stimmt, ist die aktuelle Ernüchterung in Bezug auf Sprachsteuerung und Smart Speaker vor allem ein Medienphänomen. Nicht jede neue Technologie muss einen Blitzstart hinlegen, um sich langfristig zu etablieren. Es kann auch gemächlich, aber kontinuierlich aufwärts gehen.
Auch wenn Amazons Geschäftsidee nicht aufgegangen ist, stehen die billig erworbenen «Echo»-Geräte nun massenweise in den US-Haushalten herum – und werden auch genutzt. Gemäss dem im vergangenen Frühjahr veröffentlichten «The Smart Audio Report» von National Public Radio NPR besitzen in den USA 100 Millionen Menschen oder 35 Prozent der Bevölkerung über 18 einen Smart Speaker. Sprachassistenten nutzen die Amerikanerinnen und Amerikaner zwar hauptsächlich via Smartphone, was auch nicht weiter erstaunt, trägt man doch sein Handy dauernd bei sich. Aber schon an zweiter Stelle folgen die stationären Lautsprecher. Die NPR-Studie zeigt zudem eine kontinuierliche Zunahme der Nutzung von sowohl Sprachassistenten als auch Smart Speaker.
Smart Speaker spielen für Schweizer Medien keine Rolle
Die Revolution ist abgesagt. Oder zumindest vertagt. Vor vier Jahren sah es noch anders aus. Smart Speaker würden «den Medienkonsum unseres Publikums in den kommenden Jahren nochmals komplett verändern», sagte 2018 Robert Ruckstuhl, damals Programmleiter Radio SRF gegenüber «persoenlich.com». Heute teilt Ruckstuhl, inzwischen Leiter Kanäle Radio bei SRF, auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit: «Die Nutzung von Smart Speaker ist immer noch sehr bescheiden – in der Schweiz und bei SRF.» Man prüfe stetig neue Plattformen und entwickle das Angebot weiter, so Ruckstuhl weiter. In einem immer stärker fragmentierten Markt sei es essenziell, dass SRF sein Angebot auf unterschiedlichen Kanälen zugänglich macht. Der Fokus liegt folglich nicht mehr auf einer einzelnen Plattform, der man ein revolutionäres Potenzial zuschreibt.
Wenn selbst für Schweizer Radio SRF, immerhin der grösste Audio-Anbieter im Land, Smart Speaker derzeit keine Rolle spielen, dann überrascht es nicht, wenn auch andere Medienunternehmen das gleich sehen. «Voice ist aktuell kein Thema», heisst es bei der NZZ Mediengruppe. Vielleicht gibt es den einen oder andern Abruf des Podcasts «NZZ Akzent» per Sprachbefehl. Doch die NZZ misst solche Zugriffe gar nicht erst.
In der Früh- und Hype-Phase galten Podcasts als Zugpferde für Smart Speaker – und umgekehrt.
Nicht viel anders sieht es bei Tamedia, respektive der TX Group, aus. In der Früh- und Hype-Phase führte man ein paar Tests durch mit Google Home und Alexa. «Leider waren die Resultate damals eher bescheiden», teilt Tamedia-Sprecher Philip Kuhn mit. Nicht anders bei «20 Minuten». Aktuell sei Voice noch von keiner grossen Bedeutung. «Wir beobachten die Entwicklungen jedoch mit Interesse und schliessen künftige Experimente mit Voice nicht aus», schreibt 20-Minuten-Sprecherin Eliane Loum.
In der Früh- und Hype-Phase galten Podcasts als Zugpferde für Smart Speaker – und umgekehrt. Dieses Zusammenwirken ergibt sich aber nicht automatisch, wie die Beispiele NZZ und Tamedia zeigen. Beide Medienunternehmen produzieren Podcasts – gut gehörte Podcasts –, aber das Thema Sprachkontrolle spielt für sie dennoch keine Rolle; das eine geht ohne das andere.
In den USA mit ihrer grossen Verbreitung von Smart Speakern wächst die Zahl jener Nutzerinnen und Nutzer, die schon einmal News auf ihrem sprachgesteuerten Gerät abgerufen haben. Gleichzeitig nimmt die Dauer der News-Nutzung pro Person zu. Diese Entwicklung setzt voraus, dass es auf der einen Seite ein News-Angebot gibt, das für die Nutzung via Sprachsteuerung optimiert ist und auf der anderen Seite eine kritische Grösse beim Publikum, das News auf diese Art nutzen will. In der Schweiz gibt es beides nicht.