von Lukas Leuzinger

Toter Bundesrat, falscher Pilot

Ein Blindtext, der stehenbleibt, eine Seite, die irrtümlich in den Druck geht, ein falscher Text, den der Moderator abliest oder eine kleine Unaufmerksamkeit einer Redaktorin – Fehler sind in der Hektik des Nachrichtengeschäfts schnell passiert und können weitreichende Folgen haben. Wir präsentieren einige besonders schöne Trouvaillen aus dem Pannenkabinett der Schweizer Mediengeschichte.

Wer am 13. Mai 1997 die Aargauer Zeitung in der Hand hielt, staunte nicht schlecht: Auf der Frontseite prangte neben der Titelgeschichte («Der Aargau soll Familienzulagen nachzahlen») ein Kommentar, der reichlich wirr daherkam. Da stand über fünfzig Zeilen nichts anderes zu lesen als: «Es bömbelet so schön, wenn der AZ’s Bömben bömbelen.» Betitelt war der Text mit «Arbeitsklima und überhaupt», als Autor war ein gewisser Wütold Bömbli aus Bombay aufgeführt.

Heute lacht Christoph Bopp, wenn er auf die peinliche Panne angesprochen wird. Er war damals Chef der Abschlussredaktion und hat den Fauxpas noch in bester Erinnerung. Der Redaktor, der den Kommentar schreiben sollte, habe sich damit bis kurz vor Redaktionsschluss Zeit gelassen, erinnert sich Bopp. Seine Kollegin schickte die Frontseite schon einmal ans Korrektorat, damit es die anderen Artikel unter die Lupe nehmen konnte – und füllte mit dem verhängnisvollen Blindtext die noch leere Kommentarspalte. Irgendwie sei die falsche Seite dann in den Druck gegangen. Die Redaktion bemerkte den Fehler am nächsten Tag zunächst gar nicht, denn die Frontseite mit dem Bömbeli-Kommentar hatte es nur in die Postausgabe geschafft. «Auf der Redaktion waren alle Zeitungen in Ordnung.»

Die Aargauer Zeitung musste einigen Spott über sich ergehen lassen. Bopp kann dem absurden Inhalt des Kommentars aber auch Positives abgewinnen: «Das Vergnügen der Leserschaft war grösser, als wenn wir den Platz mit einem unverständlichen Pseudo-Latein gefüllt hätten.» Konsequenzen hatte die Panne trotzdem: Der AZ-Redaktion wurde ein strenges Blindtext-Verbot auferlegt.

Weniger witzig war eine Panne der (inzwischen geschlossenen) Nachrichtenagentur SPK Anfang der 1990er Jahre. Damals gab es noch drei Nachrichtenagenturen in der Schweiz, die in einem harten Konkurrenzkampf standen. Kein Wunder, wollte die diensthabende Redaktorin möglichst schnell sein, als eines Abends ein Mann auf der SPK-Redaktion anrief und berichtete, alt Bundesrat Kurt Furgler sei gestorben. Später stellte sich heraus, dass der Anrufer – offenbar ein Feind Furglers – die Meldung bewusst verbreitet hatte, um dem ehemaligen Magistraten eins auszuwischen. Die Redaktorin, die alleine im Büro sass, liess sich narren und versandte eine Meldung mit Furglers Tod. Eine Bestätigung durch eine verlässliche Quelle holte sie nicht ein.

Der damalige SPK-Redaktionsleiter Ruedi Estermann erinnert sich noch gut daran, wie ihn die Redaktorin anrief und berichtete, was passiert war. Estermann reagierte sofort: Von zu Hause aus habe er eine Notiz an die Kunden der Agentur verschickt und die Meldung zurückgezogen, erzählt er. Doch der Schaden war angerichtet: Der Regionalsender Radio Aktuell hatte die Meldung bereits übernommen. Der quicklebendige Kurt Furgler soll zu Hause vor dem Radiogerät gesessen haben, wo er überrascht vom eigenen Tod erfuhr.

Trösten konnte sich die SPK damit, dass sie mit dieser peinlichen Panne in guter Gesellschaft war. Knapp dreissig Jahre vorher hatte der «Blick» sogar einmal den Papst sterben lassen. Am 1. Juni 1963 titelte das Blatt: «Ein grosser Papst ist gestorben». Darunter wurden lebensnah die Umstände des Hinschieds von Johannes XXIII. geschildert. Dumm nur: Der Betrauerte lebte noch.

Eigentlich hatte der «Blick» alles richtig gemacht: Johannes XXIII. lag am Abend des 31. Mai schwerkrank im Sterben, und so bereitete die Redaktion vorsorglich eine zweite Version der Frontseite vor, die dann in den Druck gehen sollte, falls die Nachricht vom Tod des Papstes eintreffen würde. Weil das nicht passierte, begann die Druckerei die «richtige» Ausgabe zu drucken. Dann aber wechselte der Rotationsmaschinenmeister «aus einem unverständlichen Eifer heraus» die Druckplatte aus, wie die Druckerei später erklärte. So gelangte die Schlagzeile über den Tod des Papstes in den Druck.

Der Lapsus war doppelt katastrophal: Die Falschmeldung erschien nämlich am Pfingstsamstag, was gleichzeitig bedeutete, dass der «Blick» den Fehler erst drei Tage später korrigieren konnte (den Sonntagsblick gab es damals noch nicht). Immerhin war der Papst bis dahin tatsächlich gestorben, sodass das Blatt die eigene Schlagzeile gleich wiederverwerten konnte. Es war wohl das einzige Mal in der Schweizer Mediengeschichte, dass eine Zeitung zwei Ausgaben in Folge den gleichen Titel auf der Frontseite hatte.

Nicht nur bei Zeitungen kam es immer mal wieder zu Pannen. An einen folgenschweren journalistischen Schnitzer aus dem Jahr 1990 erinnert sich Roland Jeanneret, langjähriger Moderator bei Radio DRS: Im Nachtprogramm auf DRS 1 rief eines Nachts ein Hörer an, der sich als Swissair-Pilot vorstellte und aus seinem Berufsalltag erzählte. Der Moderator – ein Stagiaire – war von den Geschichten des Anrufers so begeistert, dass er ihn als Gast in eine seiner nachfolgenden Sendungen einlud. Auf die Idee, vorher die Identität des Mannes zu überprüfen, kam er nicht. Und so erschien der vermeintliche Flugkapitän einige Wochen später tatsächlich im Studio, erzählte während mehr als einer Stunde über seine Liebe zum Fliegen, von brenzligen Situationen während seiner Laufbahn und von dem immer stressigeren Arbeitsalltag bei der Swissair. Er beantwortete auch Hörerfragen, plauderte mit ihm über seine Arbeitskollegen («Kapitän Häberli? Jaja, den kenne ich.») und spekulierte über den Absturz einer Swissair-Maschine in Madeira, der sich kurze Zeit vorher ereignet hatte («Der Anflug auf diesen Flughafen ist natürlich schwierig»).

Dann jedoch meldete sich ein Hörer und äusserte Zweifel an der Identität des Gastes. Er erinnerte daran, dass das abgestürzte Flugzeug keine Maschine der Swissair war, und wies darauf hin, dass diverse Destinationen, über die der angebliche Pilot geredet hatte, von der Fluggesellschaft gar nicht angeflogen wurden. Wie sich herausstellte, war der angebliche Pilot ein dreister Hochstapler, der in seinem Leben noch nie in einem Cockpit gesessen hatte.

Der Schwindel hatte Folgen für Radio DRS: Die Swissair drohte mit einer Verleumdungsklage und verlangte eine Reihe von Gegendarstellungen sowie eine einstündige Berichtigungssendung, wie sich Jeanneret erinnert. Die Karriere des jungen Moderators bei Radio DRS fand jedoch ein jähes Ende.

Vor Pannen ist niemand gefeit. Tröstlich ist nur der Gedanke daran, dass man in den meisten Fällen irgendwann schmunzelnd daran zurückdenken wird. Und dass Andere in der Vergangenheit auch schon so manches Bömbeli platzen liessen.

Leserbeiträge

Daniel Menna 08. November 2012, 12:23

„sogar den Papst“ als Steigerung von „Bundesrat Furgler“ kann nur jemand schreiben, jünger als 40 ist. In meiner Jugendzeit (1980er Jahre) kursierte folgender Witz: Kurt Furgler wird vom Papst zur Privataudienz empfangen. Die Audienz zieht sich in die Länge, der päpstliche Kammerdiener ist beunruhigt, weil er lange nichts von den beiden hört. Vorsichtig öffnet er die Türe – und sieht Furgler auf dem Papstthron, vor ihm knieend der Heilige Vater, der ihm flehend beteuert: „Glaube mir, Kurt, ich bin wirklich katholisch“.

Ansonsten: Schöner Artikel, danke. 🙂

thosch 09. November 2012, 17:18

Am 13. Mai 1981 erreichte die Nachricht vom Attentat auf den damaligen Papst Johannes Paul II. die Nachrichtenredaktion des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart; hastig wurde das laufende Programm von SDR I unterbrochen, um den Hörern die Tragödie mitzuteilen. Nach dem knapp 3-minütigen Beitrag zum Attentat wurde das Programm mit Musik fortgesetzt: Katia Ebstein sang ein Lied, in dessem Refrain es stets heisst: „Im Leben, im Leben geht mancher Schuss daneben“.
Der zuständige Redakteur musste den Hut nehmen.

Bernd Wenzlaff 10. November 2012, 16:15

Nett geschriebener, amüsanter Artikel. Einiges mir unbekannt, wie auch das, was im Leserbeitrag von ‚thosch‘ berichtet wird.
Jedoch: In den letzten zwanzig Jahren kam nichts derartiges mehr vor?
Nein, bin zuwenig Insider und lese nur die NZZ, kann keine Beispiele bringen. Aber seltsam finde ich das doch.
Beisshemmung der Journalisten auch in dieser Hinsicht?
Man wird ja mal fragen dürfen.