von Lothar Struck

Lesefutter für die «kreative Elite»

Print hat Zukunft, sagt sich die Frankfurter Allgemeine und bringt gleich zwei neue Magazine auf den Markt. Nach dem Nachrichtenmagazin Frankfurter Allgemeine Woche im Frühjahr, folgte jüngst die Vierteljahrszeitschrift Frankfurter Allgemein Quarterly, mitentwickelt von Tyler Brûlé. Unser Autor hat beiden Magazine genauer angeschaut.

Fünf zukünftige Leser stellt man auf der Seite des «Premium-Magazins» «Frankfurter Allgemeine Quarterly» (FAQ) vor: Der CEO, die Professorin, die Bankerin, der Jungunternehmer, der Kreative. Es ist die «kreative Elite», überdurchschnittlich gebildet, beruflich erfolgreich, einkommensstark und durchschnittlich 46 Jahre alt. Das soll die Leserschaft für diese neue Quartalszeitschrift sein. Für die nach eigenen Angaben 4,8 Millionen starke Zielgruppe steht die Erstauflage von 75.000 Exemplaren zur Verfügung. Hiervon wurden «25.000 Exemplare zielgruppengenau ausgesteuert an Abonnenten von F.A.Z. und F.A.S.». Man mag sich die Gesichter der Abonnenten vorstellen, die nicht berücksichtigt wurden.

Es war dann fast logisch, dass ich in meinem Stadtteil in Düsseldorf (Eller) an keinem Zeitschriftenladen oder gar Kiosk dieses «Hochglanzmagazin» bekam. Sie hörten wohl nicht zu den «Top-Verkaufsstellen», vermutlich weil die Bewohner nicht zielgruppenkompatibel sind. Die Inhaber der Läden wussten von einem neuen Frankfurter-Magazin nichts und dachten, ich meinte die «Frankfurter Allgemeine Woche». Einer rief seinen Grossisten an, der die Lieferung in acht bis zehn Tagen in Aussicht stellte. So lange wollte ich nicht warten, sondern besorgte mir das Heft am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Ein Exemplar gab es dort noch. Die anderen werden vermutlich inzwischen in den Erste- Klasse-Wagen der ICEs studiert.

Die 204 Seiten im Offset-Vierfarbdruck kosten 10 Euro bzw. 15 Franken. Abonniert man als «Verlags-Kunde» (d. h. Abonnent von F.A.Z./F.A.S.) das Heft, sinkt der Preis auf 6 Euro pro Ausgabe. Vor- und Rückseite und einige Seiten auf denen Kunstobjekte und Modefotografien gezeigt werden sind auf Hochglanzpapier gedruckt. Auf insgesamt 40 Seiten finden sich Werbeanzeigen, die meisten ganzseitig, die auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Sie reichen von Haute-Couture-Damenhandtaschen über Luxusuhren (jenseits der 6000 Euro) bis zu exquisitem Porzellan und sich zur Nachhaltigkeit verpflichtenden Banken. Zuweilen findet man einen Ausstellungshinweis oder eine dezente Buchwerbung. Und auch F.A.Z.-Produkte werden beworben. Irritierend die ganzseitige Anzeige der Deutschen Bundeswehr, die ausgerechnet unter der «kreativen Elite» Freiwillige sucht.

Die beiden Magazinleiter, der freie Journalist und Schriftsteller Rainer Schmidt und der Feuilletonleiter der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» Claudius Seidl geben in einem knappen Editorial zu Beginn die Richtung vor. Das Magazin widme sich der Zukunft, «mit Neugier und Zuversicht», denn die Zukunft sei «wieder da», mit «Chance und Herausforderung in der dreidimensionalen Realität». Man schüttelt sich und glaubt irgendeinen Text für eine Autowerbung zu lesen. Seidl konkretisiert später in einem Essay die Intention des Magazins und schreibt von der «Wiederkehr der Utopie». Zwar hätte die Menschheit in den 1960er Jahren mit einer gewaltigen Kraftanstrengung beispielsweise die Mondlandung geschafft, aber die Glücksversprechen der Utopisten hätten sich nicht zuletzt durch die Egoismus der Wohlstandsgewinnler nicht erfüllt. Heute stehen nun die Herausforderungen der Digitalisierung an. Kurz wägt er ab und kommt zu dem Schluss, dass eine Verweigerungshaltung nicht möglich sei. Es gebe kein Zurück. Und nahezu pathetisch beschwört er die Zukunft zu «erobern» statt sie multinationalen Konzernen (genannt werden die üblichen Verdächtigen Google, Amazon, Facebook und Apple) zu überlassen. Seidl entwirft manifestartig die Programmatik Kapitalismus mit Weltverbesserertum in Übereinstimmung bringen. Und «F.A.Q.» soll, so der Subtext, zum Sprachrohr derer werden, die hieran arbeiten.

Das Magazin ist in vier Rubriken gegliedert: In «FAQ» werden 13 «häufig gestellte Fragen» beantwortet. Etwa wer oder was nach Putin kommt, ob Tischtennis spielen gegen Alzheimer hilft und wie politisch krause Haare sind. Bret Easton Ellis schimpft über die Tyrannei des «Like-Mob» und der mir vollkommen unbekannte Architekt Rem Koolhaas (der auch nicht näher vorgestellt wird, weil man davon ausgeht, dass er dem Leser ein Begriff ist) entwirft die Zukunft des Wohnens auf dem Land. Ferner wird eine Luxusurlaubanlage auf Ibiza besucht, in der «W-Lan und Erholung, Hedonismus und Nachhaltigkeit» gleichzeitig möglich sein sollen. Es gibt einen Bericht über den Karriereknick der 12jährigen Schauspielerin Millie Bobby Brown und ein Projekt in Tansania wird vorgestellt, in dem ein Naturpark für das Grosswild mit den Anforderungen der steigenden Bevölkerung in Übereinstimmung gebracht werden. Das alles kommt in gebotener Kürze daher.Kein Text ist hier länger als drei Seiten, wobei es immer etliche Bilder zur Auflockerung gibt.

Im zweiten Teil widmet man sich dem Thema «Kampf um das Morgen». Hier ist auch Seidls Essay nach der ausführlichen Reportage über einen Besuch im Silicon Valley zu lesen. Natürlich ist das alles ungeheuer hip, revolutionär und manchmal auch skurril. Vor allem mit den Ideen von Elon Musk setzt sich Niklas Maak, der Autor des Textes, auseinander. Und so erfährt man viel über Mars-Missionen (immerhin: die Entwürfe der Behausungen aus Marsgestein von Norman Foster kann man schon bewundern), Elektromobilität und den Hyperloop. Und über die neuen Tech-Kommunen mit ihren innovativen Erfindungen und Ambitionen. Ergänzend sind in absoluter Kleinschrift zwei Kästen eingefügt die sich mit dem Haus von Elon Musk beschäftigen und eine ehemalige Bewohnerin der bereits existierenden Zukunftsstadt Songdo in Korea berichten lassen.

Wie die meisten Texte des Magazins ist auch die Silicon-Valley-Zukunftsgeschichte in eher beschreibend-affirmativem Ton verfasst. Ernsthaft werden beispielsweise Musks Projekte nicht reflektiert. Wie soll beispielsweise eine Lebensmittelversorgung für tausende von Menschen auf dem Mars gewährleistet werden? Was ist so toll an der Elektromobilität wenn der «getankte» Strom zu 50% aus Kohle und Atomkraftwerken gewonnen wird (wie in Deutschland derzeit)? Warum soll man einen Hyperloop konstruieren, wenn es andere Hochgeschwindigkeitszüge längst gibt? Schon klar: Man möchte auf der Party nicht den Spassverderber spielen. Aber muss dieser fast huldigende Fanzine-Ton wirklich sein?

Im dritten Teil wird der Leser mit «Materialien» unterschiedlichster Art versorgt. Carolin Wiedemann lässt Menschen, die mehrere Menschen gleichzeitig lieben und dies offen ausleben über ihr «polyamoren» Beziehungen erzählen. Auch dies erscheint so ganz neu nicht. Ein Stoff, wie man ihn auch bei Vice oder Nido finden würde. Der Leser lernt, dass in solchen Verhältnissen ungeheuer viel geredet wird und so erinnert man sich an den ein oder anderen Ingmar-Bergman-Beziehungsfilm der 1970er Jahre. Der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl entwirft danach eine Kulturgeschichte des Amoklaufes und attestiert ihm eine «Grimasse der Rebellion». Vogl ist ein belesener Mensch, seine Texte sind normalerweise sehr komplex, aber hier kommt er leider kaum über den Whitman-Fall von 1966 hinaus. Der Essay endet ziemlich abrupt; die im Teaser versprochene Differenzierung zwischen Amoklauf, Attentat und Terror findet nicht statt (wobei ja die Autoren für die Teaser selten verantwortlich sind).

Um das Automobil geht es in einem Text über den VW-Patriarchen Ferdinand Piëch und die liegengelassene Chance von VW Anfang der 2000er Jahre ein bestehendes Ein-Liter-Auto zu einem vernünftigen Preis in Serie zu schicken (es wurden nur 250 Wagen zum Stückpreis von 111.000 Euro produziert). Piëch erscheint in diesem Text als ein ökologischer Visionär, der leider zur falschen Zeit in den Aufsichtsrat gewechselt ist (und dadurch nach deutschem Aktiengesetz kaum direkten Einfluss auf das Tagesgeschäft eines Konzerns hat). In der Marginalie am Rand wird man belehrt, dass der Autor, Georg Mack, ein Buch über Piëch geschrieben hat, in dem er beschreiben soll, wie dieser den VW-Konzern «an Abgrund führte».

Die euphorische Zukunftsstimmung des Heftes wird kurz durch die Vorstellung diverser aktueller Projekte (Videos, Fotokunst, Installation) diverser KünstlerInnen ein wenig getrübt. In den Interpretationsgewittern, die von Kuratorinnen und Kunsthistorikerinnen in knapper Form nachgereicht werden, wimmelt es von apokalyptischen Ängsten: Vor dem Verlust des Menschen von Autonomie und Individualität, der Furcht vor Dauerüberwachung bis zum neuen Faschismus. Die anschließende Reportage über in Europa geborene oder aufgewachsene, aus afrikanischen Familien stammende «Rückkehrer» (die nicht als solche gesehen werden wollen) ist allerdings nicht von Zukunftsängsten in Europa geprägt. Die im Heft porträtierten gut ausgebildeten Kulturschaffenden oder der desillusionierte ehemalige Fussballspieler kehren in die Heimat ihrer Eltern zurück weil sie dort – man ahnt es schon – die politischen und sozialen Verhältnisse zum Besseren wenden.

Auch die «sanften Revoluzzer» – junge Unternehmensgründer, die sich nicht in Konzernstrukturen aufreiben wollen – wollen «die Menschheit nach vorne bringen». In einem Gespräch mit scheinbar typischen Protagonisten der Generation Y (1970-1995 geboren) und Generation Z (1995-2010) wird dies deutlich. Ihnen gemein ist, dass sie für eine neue Unternehmenskultur stehen. Es geht um flache Hierarchien, die Möglichkeit, dass auch der Praktikant problemlos dem Inhaber Vorschläge machen kann und die Möglichkeit sich jenseits starrer Hierarchien zu verwirklichen (auch dies klingt zuweilen verdächtig nach 1970er Jahre). Und so berichten sie von ihren Erfahrungen und Ambitionen, den Versuchen, unkonventionell und mit «organisiertem Chaos» statt mit den Techniken der (ja durchaus immer noch erfolgreichen) «Old Economy» zu reüssieren. Ein Headhunter ist auch beim Gespräch dabei. Er ist beeindruckt und beklagt, dass trotz finanzieller Anreize grosse Teile dieser Generationen den klassischen Unternehmen verloren gehen.

Zwischen diesen Zukunftsgestaltern wirkt der Aufsatz des deutschen Schriftstellers und Musikers Sven Regener über einen Schädlingsbekämpfer nicht ganz passend, auch wenn dieser immer wieder betont, dass die Bettwanzen sozusagen ein Produkt des globalisierten Tourismus sind, da Reisende diese in ihren Koffern nach Eruopa einführen. Regeners Text ist der mit Abstand Schlechteste des Heftes (und dies trotz der tollen Elektronenmikroskopbilder der Insekten). Ständig werden Aussagen wiederholt. Und obwohl der Schädlingsbekämpfer als «Held des Alltags» apostrophiert wird, bleibt er anonym, als sei sein Beruf ehrenrührig. Tatsächlich passt er weder in die Zielgruppe noch hat er Gemeinsamkeiten mit den sonst im Heft vorgestellten Protagonisten. Da ist sogar der bemüht-literaturwissenschaftlich daherkommende Beitrag von Cord Riechelmann über die Gemeinsamkeiten der Bedeutung von moderner Kunst im Werk der beiden Schriftsteller Rainald Goetz und Michel Houellebecq noch erträglicher. Obwohl Goetz‘ Werk dabei in fast unzulässiger Weise für die eigene These ausgeweidet wird. Das anschließende Houellebecq-Interview liefert ebenfalls nichts Neues; ein Beleg dafür, dass man derart meinungsfreudigen Intellektuellen nicht mit routinemässigem Abfragen gerecht werden kann.

Jetzt ist nur noch der vierte Teil überschrieben mit «Was kommt» zu überstehen. Zu Beginn wird «Science-Fashion» vorgestellt und der «Modekauf von morgen» vorweggenommen. Die vorgestellte visionäre Haute-Couture wird mit inszeniert-coolem Understatement von geschätzten Grösse 34-Models vorgeführt. Man wird über Neuentdeckungen von menschlicher Kunsthaut informiert, die den 68ern, die zeit ihres Lebens in der Sonne gebrutzelt haben, ein frisches, faltenfreies Äusseres bieten soll. «New-Technology»-Designer entwickeln Möbelstücke ohne sich von den lästigen «Anforderungen» wie beispielsweise Sitzkomfort bei einem Stuhl irritieren zu lassen. Dem «argumentative(n) Höllengewitter aus Moral und Ökologie» setzt Niklas Maak, der Autor der Silicon-Valley-Reportage, den neuen Trend zum Sportwagen mit dem schönen Wortspiel «Sport wagen» entgegen. Dass ein Automobil etwas mit Sport zu tun haben soll, werde ich nie verstehen. Immerhin: Soviel Dialektik ist also doch möglich. Es folgen Beiträge über exklusive Onlineshops, gesunde Ernährung, die neuen Projekte des einstigen Erfinders der Molekularküche Ferran Adrià (nicht viel Neues im Vergleich zu dem, was er vor zwei Jahren schon verlauten liess) und ein Reisebericht aus Tirana.

Erschöpft sinkt der Leser nach der Lektüre dann in seinen (bequemen) Stuhl. «Frankfurter Allgemeine Quarterly» ist eine Mischung aus dem vergangenen «Tempo», der «Vogue» und dem «Zeit-Magazin», konzeptionell und gestalterisch unübersehbar inspiriert vom das Genre begründenden Globalisten-Magazin «Monocle» Die Eigenwerbung ist eine Spur zu grossmaulig; auch im Heft. Man habe für diese Ausgabe «mit grossartigen Autoren, Künstlern, Kreativen, Fotografen, Wissenschaftlern, Experten, Schriftstellern und Kollegen zusammengearbeitet» wird zu Beginn versprochen. Vorgestellt und im Index am Ende des Heftes werden nur diejenigen, die nicht den «Frankfurter»- Redaktionen angehören. Die Autorennamen sind generell sehr klein und zuweilen fast versteckt abgedruckt. Hier besteht also der Unterschied zu den Zeitgeist- und Lifestylemagazinen der Vergangenheit, die vor allem Autorenmagazine waren. Fast bleibt dabei unbeachtet, dass der F.A.Z.-Redakteur Niklas Maak vier Texte beisteuert (und mehr als 10% des Heftes geschrieben hat; womöglich gibt es deshalb eine Werbung für das neuestes Buch von ihm im Heft). Wenn jedoch einmal irgendwo Friedrich Nietzsche oder Edward Snowden auch nur erwähnt wird, erscheint der Name im Index. Andererseits werden die Bezüge in den diversen Texten über Personen wie Musk nicht konsequent aufgeführt.

Am nächsten Tag dann, am Freitag, darf der Leser wieder zum Zeitschriftenladen. Diesmal ist es einfacher: Das Heft der «Frankfurter Allgemeine Woche», seit dem Frühjahr diesen Jahres auf dem Markt, ist inzwischen bekannt und wird auch geführt. Auf rund 60 bis 70 Seiten gibt es einen kurzen politischen Nachrichtenüberblick, der fast ausschliesslich von Redakteuren der F.A.Z. (bzw. F.A.S.) erbracht wird. Das Titelthema hat drei bis Seiten, ansonsten ist zwei Seiten pro Artikel das Maximum, wobei meist mindestens noch eine halbe Seite für ein Bild, eine Karikatur oder ein Symbolfoto abgezogen werden muss. Die Texte könnten auch so in der Tageszeitung (bzw. der F.A.Z.) gestanden haben. Investigative Elemente fehlen; Hintergründiges gibt es selten. ebenso wie Hintergrundberichte. Verlässt man dennoch einmal das Ereignishafte und wagt mit Experten Ausblicke, ist das Format manchmal ein Fluch. So kam ein Experte in Heft 47/2016 zu dem Schluss, dass in der deutschen Automobilindustrie aufgrund der Umstellung auf Elektromobilität auf absehbare Zeit noch keine Arbeitsplatzverluste zu erwarten sind. Am Freitag dann, als das Heft erschien, gab VW die Kürzung von mehr als 23.000 Stellen in den nächsten neun Jahren in Deutschland bekannt. Der Schwerpunkt der «Frankfurter Allgemeine Woche» liegt auf deutsche Innen- und Wirtschaftspolitik. Dabei folgt die Berichterstattung dem Trend der Personalisierung, d.h. es wird weniger über Sachthemen sondern über Personen berichtet. Im Feuilletonteil dominieren Homestorys oder Interviews. Wer aus einem Safari- oder Klosterurlaub zurückkommt kann sich mit dem Heft schnell auf den aktuellen Stand bringen. Wer in der Woche das Tagesgeschehen in den Medien verfolgt hat, kann sich die Anschaffung sparen.

Es mag überraschend klingen, aber die Implementierung des Wochenmagazins scheint in Anbetracht der Konkurrenz von «Spiegel», «Zeit» und Focus überflüssiger als das neu geschaffene «Quarterly»-Magazin. Spannend wird es werden, wenn in einem der nächsten Vierteljahreshefte die politische Askese, die in Ausgabe Nr. 1 sicherlich absichtsvoll praktiziert wurde, aufgegeben wird. Irgendwann muss ja einmal über zukünftige politische und soziale Modelle in demokratisch verfassten Gesellschaften diskutiert werden. Dauerhaft dürfte man weder die «kreative Elite» noch die Hipster des linksliberalen urbanen Bürgertums mit Modetrends und spielerischen Utopien gewinnen können. Für ein solches Heft würde ich dann wieder zum Hauptbahnhof fahren.

Leserbeiträge

Urs Minther 28. November 2016, 18:54

Man verpasst wirklich nichts, wenn man nur noch (gelegentlich) die Tageszeitung liest und um die sonstigen Produkte aus dem Hause FAZ einen großen Bogen macht, läppisch die FAZ-Woche, ein Artikeleintopf von den selben Redakteuren der FAZ angerührt, die Quarterly ist wahrscheinlich eher für teure Anzeigen gut, l’ars pour l’ars eben.

An deutschen anregenden Magazinen fällt mir derzeit eigentlich nur TUMULT ein, was sich zu lesen lohnt, obwohl das natürlich in eine ganz andere Richtung geht. Ansonsten, wenn’s Englisch sein darf: Der New Yorker, obwohl mir die Hysterie ob der Trumpschen Präsidentschaft gehörig auf die Nerven geht, aber die Artikel im Heft sind wirklich sehr gut und sehr interessant. Auch gut: Die London Review of Books, Buchbesprechungen wie sie dort vorkommen, sucht man hierzulande vergebens.

Es wirklich erstaunlich, wie langweilig der deutsche Magazinmarkt geworden ist, man denke z.B. nur an Transatlantic zurück, das waren noch Zeiten!

Thomas Esche 29. November 2016, 09:51

Vielleicht muß man in Betracht ziehen, daß die Zielgruppe des Premium-Magazins tatsächlich so seicht ist – altes Bildungsbürgertum im besseren Sinne gibt es bestenfalls noch in der Schweiz. Dann hätten die Redakteure also nur bedient, was Publikum wünscht. Wirkliche Eliten – in dem Sinne, wie sie derzeit unter Beschuß stehen, weil sie mit Politikern und „Lügenpresse“ angeblich so viele Menschen abgehängt hätten, und auf diese Weise AfD und Trump möglich machen – können mit diesem Print nicht gemeint sein. Wer Hintergründe, differenziertes Denken, investigativen Journalismus sucht, legt solche Machwerke (das ZEIT-Magazin ist da nicht besser) angewidert zur Seite. Dabei ist es müßig, sich über schlechte Fernsehprogramme oder Premiummagazine zu ärgern.
Thomas Esche, Karlsruhe

Lothar Struck 29. November 2016, 11:18

Naja, geärgert hatte ich mich nicht. Interessant ist aber der Gedanke, dass die Zielgruppe vielleicht doch „bedient“ würde, weil sie eben seicht sei. Liest man die Aussagen der porträtierten Leute, ist allerdings das Gegenteil der Fall. Die Ambitionen sind sehr hoch. Ständig geht es darum, die Menschheit zu verbessern – und sei es mit unbequemen Stühlen oder untragbaren Kleidern. Zwischenzeitlich bekommt man das Gefühl, dass das alles ironisch gemeint sein könnte, aber dafür wird ein zu großer Aufwand getrieben.