von Ronnie Grob

Das Gegenteil vom Gegenteil

Am 3. März titelt die «Weltwoche» zur Einwanderung von Ausländern: «Macht die Grenzen dicht». Eine Woche später ertönt das Echo, auf den Schweizer Seiten der «Zeit»: «Macht auf das Tor» – das Titelblatt der Weltwoche sei «reine Angstmacherei».

Am 10. März titelt die «Weltwoche» zum Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand: «Der Falschmünzer». Zwei Wochen später ertönt das Echo, vom «Magazin»: «Die Attacke: Was hinter den Angriffen auf die Nationalbank steckt» – die Weltwoche liefere «allwöchentliche Tiraden, die unbehindert von Sachkompetenz die SNB unter Sperrfeuer nehmen».

Ist es also wahr? Die «Weltwoche» ist ein Leitmedium, das Themen setzt und zum Widerspruch herausfordert?

Redet man mit Journalisten, dann ist nichts unwahrer als das. Die meisten Medienschaffenden nehmen die «Weltwoche» als ein Blatt verwirrter Rechter wahr, das, wenn vielleicht auch nicht von Christoph Blocher persönlich finanziert, so doch Mitarbeiter hat, die von der SVP-Ideologie so verblendet sind, dass sie keinen vernünftigen Gedanken fassen können. Nun könnte man eigentlich meinen, dass auf die Ansicht, dass die «Weltwoche» regelmässig Unsinn verzapft, Ignoranz folgen müsste. Doch dem ist augenscheinlich nicht so. Die Journalisten, von denen niemand wirklich weiss, wie sie selbst zur politischen Lage stehen, bemühen sich beflissen, das Gegenteil vom Gegenteil zu schreiben.

Einerseits werfen sie «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel regelmässig vor, er habe kein Interesse an der Sachlage, sondern sei nur bemüht, bei jeder Diskussion das Gegenteil eines nicht genauer definierten «Mainstreams» zu behaupten. Andererseits dienen «Weltwoche»-Geschichten den Redaktionen, die sich gerne als Leitmedien sehen, als willkommener Anlass, genau das Gleiche zu machen: Also keine eigenen Themen zu erarbeiten, sondern das Gegenteil der «Weltwoche» zu vertreten.

Das ist einfach und erfolgsversprechend – nicht wenige Medien halten sich seit Jahrzehnten am Leben, in dem sie sich an rechten Positionen reiben. Aber sind solche Schlagabtausche langweilig oder nicht? Ich finde nicht: Debatten beleben die Diskussion – nichts ist einschläfernder, als wenn sich alle einig sind und sich niemand die Mühe macht, Gegenargumente zu suchen und zu vertreten. Auf das Berufsverständnis der Journalisten werfen sie aber ein bezeichnendes Licht: nicht nur die Position der «Weltwoche», die nach einem Ereignis zielsicher vorhergesagt werden kann, ist absehbar wie das Amen in der Kirche – auch die Position ihrer Gegner lässt sich leicht voraussagen: einfach das Gegenteil der «Weltwoche».

Ist Journalismus also doch nicht so ergebnisoffen, wie es nach Lehrbuch vermutet werden könnte? Stehen dem persönliche Vorlieben und Haltungen im Weg? Oder tun die Gegner des «Weltwoche»-Meinungsjournalismus letztlich selbst das, was sie bei anderen kritisieren?

Leserbeiträge

Ninon 28. März 2011, 14:27

Mir ist dieses Verhalten bereits vor Jahren aufgefallen. So sicher wie das Amen in der Kirche, folgt auf jeden Artikel in der «Weltwoche» eine Replik im «Magazin» (oder seit Neuerem in der «Zeit Schweiz»).
Um meinen Eindruck zu überprüfen, habe ich das SMD gecheckt: Quasi jede Woche bezieht sich «Das Magazin» auf einen vorhergehenden Artikel in der «Weltwoche». Eigene Themen zu setzen ist halt anspruchsvoller, als andere einfach zu widerlegen. Auch scheint es immer zwingend notwendig zu sein, sich auf die SVP zu beziehen, selbst wenn es für den Artikel gar keine Rolle spielt.

In meinen Augen ist dies ein deutliches Zeichen für die journalistische Provinzialität, die hierzulande herrscht. Alles ist so fürchterlich berechenbar. Man weiss immer schon zum Voraus, wer was sagt. Ein jeder hält sich für wahnsinnig originell und heischt doch nur um Applaus der Gleichgesinnten. Ein erbärmliches Schauspiel, da völlig phantasielos.

Nun, ich lehne mich zurück, trinke einen Kaffee und lache über den Hahnenkampf. Denn das ist es doch letztlich, oder nicht?

Die Jungs vom «Magazin» oder der «Zeit Schweiz» arbeiten sich an ihrem ehemaligen Arbeitskollegen Roger Köppel ab. Insbesondere Daniel Binswanger hat augenscheinlich ein paar Rechnungen offen.

Persönlich finde ich es nicht uninteressant, zum gleichen Thema unterschiedliche Sichtweisen dargelegt zu bekommen. Das Problem ist, dass sie sich in ihrem kleinkarierten Widerspruchsgeist oft verheddern und dann Logikfehler machen.

Matthias Daum 28. März 2011, 15:26

Lieber Ronnie,

da hast Du Dir aber mit meiner Migrationsgeschichte für die ZEIT Schweiz ein schlechtes Beispiel für ein angebliches Weltwoche-Echo rausgepflückt.

Zur Erinnerung, Mitte März war Fukushima noch Zukunft, alle Schweizer Medien schrieben über die angebliche Flüchtlingswelle, die aus Nordafrika auf uns zu schwappt.

Also «echoe» ich mit meinem Stück auf eine ganze Armada von Hysterikern: den Zürcher Kantonsrat, Sehr-alt-Bundesrat Christoph Blocher, Christoph Mörgelis Aufritt in der «Arena», die Lokalredaktion des Tages-Anzeigers – und den Weltwoche-Titel. (Alle hier Genannten werden auch im Originaltext erwähnt.)

Oder anders gesagt, die ZEIT tat das, was RK für sein Blatt immer einfordert: wir kritisierten das politische und intellektuelle Establishment, waren unbequemer und – nun lege ich gleich einen Fünfziger ins Phrasenschwein – unkonformistischer.

Bester Gruss, Matthias

Lazydaisy 28. März 2011, 16:17

Gehts noch undifferenzierter, Ninon? Auf JEDEN Artikel in der Wewo folgt eine Replik im Magi? Die Journis tun nichts anderes, als Erwiderungen zu schreiben, anstatt selber Themen zu setzen? DIE Journalisten n diesem Lande schreiben sehr, sehr vieles. Themen zu setzen bedeutet nichts anderes, als mit einem Thema auf Resonanz zu stossen, was aber keineswegs ein Qualitätsmerkmal ist, denn am einfachsten stösst man auf Widerhall, indem man möglichst undifferenziert und plakativ irgendwelchen Mist verzapt. Das führt zum Richtigstellungs-Reflex, der tatsächlich ein beobachtbares Phänomen ist. Hahnenkämpfe mögen auch eine Rolle spielen – aber ist das schlecht? Und das mit dem «deutlichen Zeichen für Journalistische Provinzialität“, nun ja. Jedes Land hat den Journalismus, das es verdient.

Ninon 28. März 2011, 17:54

@ Laizydaisy: Da habe ich mich in der Tat unklar ausgedrückt. Natürlich erscheint nicht zu jedem Wewo-Artikel eine Replik im Magazin, sondern zu jeder Wewo-Ausgabe erscheint ein Artikel im Magazin.

Im Übrigen habe ich was die Themensetzung angeht nicht von «DIE» Journalisten gesprochen, sondern von jenen des Magazins und der Zeit Schweiz.

Von Richtigstellungs-Reflex kann nun weder bei der «Weltwoche», noch beim «Magazin» oder bei der «Zeit Schweiz» die Rede sein. Das Gegenteil zu behaupten ist keine Richtigstellung. Es ist vielmehr ein Gegenteil-Behauptungs-Reflex.

Das Beispiel vom «Zeit Schweiz»-Artikel erachte ich deshalb auch als sehr treffend. Denn ich habe mir damals beim Lesen das gleiche gedacht. Als Liberale bin ich gegen jede Regulierung der Einwanderung durch den Staat. Wer Arbeit hat, soll arbeiten dürfen. Aber statt diesen Gedanken konsequent durchzuargumentieren, verbeisst sich @ Daum in Mörgeli und begeht prompt einen Denkfehler nach dem anderen.

Dieser Mechanismus stelle ich nun eben häufig fest, wenn das Gegenteil vom Gegenteil behauptet wird.

Und ja, jedes Land hat den Journalismus, den es verdient. Das denke ich mir auch stets.

ch. 28. März 2011, 17:17

Lieber Ronnie,
nur zwei Bemerkungen:
-Sagt dein Artikel nicht eigentlich mehr darüber aus, wie WeWo-zentriert deine Wahrnehmung ist, als über die anderen Journalisten, die angeblich dauernd auf die WeWo antworten? (Sicher, Binswanger mag eine Ausnahme sein, der ziemlich oft versucht, die rechten Verzerrungen der Politik wieder geradezurücken. Finde ich aber weder langweilig noch unoriginell, sondern verdankenswert, weil es mühsam ist, sich ständig mit diesem Quatsch, den die behaupten, abzugeben). Ich persönlich finde die Weltwoche meistens irrelevant, weil unqualifiziert und vorhersehbar. Und deshalb hat sie für meine Arbeit kaum eine Bedeutung…

-Und dann würde mich schon schaurig interessieren, wie du so einen Satz einfach so nebenbei dahertippst: „Die Journalisten, von denen niemand wirklich weiss, wie sie selbst zur politischen Lage stehen,“
Liest du keine Zeitungen?

Ronnie Grob 28. März 2011, 19:21

@ch.: Tatsächlich habe ich bei 99 Prozent aller Journalistinnen und Journalisten keine Ahnung, welche politische Einstellung sie vertreten, weil sie darüber nicht aktiv Auskunft geben. Ich habe das gemacht, hier, auch Philippe Wampfler hat Interessen und Verbindungen veröffentlicht. Und sonst? Barnaby Skinner hat angekündigt, seine Bio zu ändern, was er bisher nicht gemacht hat. Was sind zum Beispiel Deine Interessen und Verbindungen? Wo kann ich sie nachlesen? In der Zeitung kann ich zwar Artikel von Journalisten lesen, aber ausser punktuell, zum Beispiel in einem themenspezifischen Kommentar, werde ich so nicht über ihre Haltung informiert. Es bleibt mir die vage Vermutung, die ungefähre Einschätzung.

ch. 30. März 2011, 17:36

@ronnie:
Fast vergessen, dass ich hier meinen Senf dazugegeben habe: Ich glaube, dass ich ziemlich gut weiss, wo einzelne Journalisten in etwa stehen. Nicht weil ich sie persönlich kenne, aber weil ich das, was sie schreiben aufmerksam verfolge – und gut oder schlecht finde…
Ausserdem:
Interessenbindungen sind das eine, politische Einstellungen sind das andere. Und Haltung ist sowieso noch etwas ganz anderes… Ich meine, David Bauer hat das auf seinem Blog sehr gut beschrieben. Meines Erachtens gibts da nicht mehr viel dazu zu sagen…
Ausser vielleicht: Was meinst du denn mit Verbindungen und Interessen? Muss ich offenlegen, dass ich Freunde habe, die bei Banken arbeiten, bei Hedgefonds, beim Bund, bei Hilfswerken, bei NGOs? Worum geht es dir? Geht es um eine Parteimitgliedschaft, um ein Verwaltungsratsmandat – oder um unverbindliche Privatinteressen? Geht es darum, ob ich schon mal an einer Demonstration teilgenommen habe? Geht es darum, welche Bücher ich lese? Darf ich deshalb als Journalist über ein gewisses Thema nicht berichten? Darf ich als Raucher nichts über das Rauchverbot schreiben? Darf ich als Mann nicht über Frauen schreiben?
Es geht doch um Einflussnahme, bzw. Beeinflussbarkeit, nicht um Sozialisation.
Mahalo!

Ronnie Grob 30. März 2011, 19:24

@ch: Für mich gilt: Je mehr ich von einem Journalisten weiss, je transparenter er ist, desto besser kann ich ihn einschätzen, desto besser kann ich seine Texte nachvollziehen. Folglich bin ich dafür, dass Journalisten möglichst alles transparent machen, was irgendwie Einfluss auf ihre Arbeit hat.

Wiederum bin ich liberal: ich kann und will privat finanzierten Journalisten keine Vorschriften zur Veröffentlichung ihrer Interessen und Verbindungen machen. Ich bin dafür, dass jeder das auf seiner Website tut. Ob es so, wie ich das gemacht habe, richtig ist, weiss ich auch nicht, ich hab einfach mal einen Anfang gemacht und freue mich, wenn andere diesem Beispiel folgen.

Schreiben darfst Du alles. Wenn Du aber zum Beispiel über Atomkraftwerke schreibst, würde mich interessieren, ob Du Mitglied bei Greenpeace bist oder von der Atomlobby bezahlt wirst oder ob Du regelmässig an Anti-Atomkraft-Demos teilnimmst. Angesichts solcher Informationen kann ich den Artikel viel besser beurteilen. Besser oder schlechter wird er auch durch eine solche Offenlegung nicht – um einen guten Artikel schreiben zu können, ist Schreibtalent und Fleiss gefragt, aber das ist ein Allgemeinplatz.

Journalisten, die dauernd Transparenz bei anderen fordern, ohne selbst transparent zu sein, halte ich auf jeden Fall für fragwürdig. Man muss selbst transparent sein, um Transparenz bei anderen zu fordern. Das gilt für Journalisten, für Titel, für Verlage.

ch. 30. März 2011, 20:48

@ronnie:
Genau um dieses Spannungsfeld geht es mir ja. Wieviel muss transparent sein? Wieviel eben nicht?
Was du mit deinem AKW-Greenpeace-Beispiel beschreibst, verbuche ich unter Interessensbindungen. In solchen Fällen ist es natürlich schon richtig, wenn der Leser weiss, dass der Autor beispielsweise regelmässig Aufträge von Economiesuisse erhält…
Mich stören naive und vorschnelle Schlussfolgerungen aufgrund weniger, verkürzter Fakten wie beispielsweis einer Mitgliedschaft irgendwo… Die Wirklichkeit ist einfach komplexer…

Ronnie Grob 31. März 2011, 09:18

@ch.: Kann man denn Deine Interessensbindungen irgendwo nachlesen?