von Nick Lüthi

«Natürlich muss man pokern»

Martin Wagner will mit seiner Glücksspielfirma Escor die Radio- und Fernsehsender von Tamedia kaufen. Was Medien und Glücksspiel gemeinsam haben, mit welcher Kaufstrategie er bei Tamedia punkten will und weshalb er glaubt, im digitalen Mediengeschäft bestehen zu können, sagt der umtriebige Rechtsanwalt im Gespräch mit der Medienwoche.

Medienwoche: Herr Wagner, sind Medien ein Glücksspiel?

Martin Wagner: Nein, Medien sind kein Glücksspiel, sondern ein Business. Im Hinblick auf die digitalen Veränderungen der Medienlandschaft sind wir hier aber vor grössere Herausforderungen gestellt als in anderen Branchen. Die Konvergenz schafft neue Geschäftsmodelle.

Sie haben in der Vergangenheit immer wieder Medien gekauft und dann wieder verkauft. Sind Medien also doch ein Glücksspiel?

Jeder dieser Käufe und Verkäufe stand im Zusammenhang mit einer weiteren Transaktion. Das war bei Jean Frey so mit der späteren Veräusserung an Axel Springer und Roger Köppel. Radio Basilisk habe ich an Matthias Hagemann verkauft, damit ich Geld hatte, um die Basler Zeitung zu kaufen. Die BaZ habe ich verkauft, weil ich nicht die Rolle spielen konnte, die ich eigentlich wollte. Ich bin nicht ein Raider, der Beteiligungen kauft, um Profit zu machen. Natürlich muss man bei den Verhandlungen auch pokern. So gesehen schadet es sicher nicht, wenn man sich mit Glücksspiel auskennt.

Wie kommen die Kaufverhandlungen mit Tamedia voran?

Wir haben erst unser Interesse angemeldet. Der Verkaufsprozess wird erst noch lanciert. Von den Preisvorstellungen von Tamedia habe ich keine Ahnung. Ich kann mir denken, dass die sich ihre Käufer gut aussuchen und strategische Überlegungen einfliessen lassen.

Weshalb wollen Sie ausgerechnet mit ihrer Glücksspielfirma Escor Radio und Fernsehen kaufen? Wie passt das zusammen?

Bei Escor stehen wir vor grösseren Veränderungen. Wir haben unser Glück in Casinos im Ausland gesucht und sind damit gescheitert. Das Auslandgeschäft wird eingestellt. Nun konzentrieren wir uns ganz auf die Schweiz, auf das vielversprechende Casinoprojekt in Zürich, auf den Handel mit Spielautomaten und die Entwicklung von Geschicklichkeitsspielen. Der Bereich Gaming ist dann auch der Link zum Mediengeschäft. Spiele sind ja auch Unterhaltung. Wir streben mit all dem eine Diversifizierung der Firma Escor an zu einer Unterhaltungsholding mit verschiedenen Sektoren.

Der Kaufpreis der Tamedia-Sender dürfte sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Woher nehmen sie das Geld?

Ich kann nichts zu den Preisvorstellung sagen, weil es noch keine Zahlen gibt. Da die Escor börsenkotiert ist, können wir einfacher neues Geld aufnehmen auf dem Kapitalmarkt. Ausserdem könnten wir einen Teil des Kaufpreises in Aktien bezahlen. Das wäre für den Käufer interessant, da er die Anteile später zu einem höheren Preis verkaufen kann.

Den Kauf der Jean-Frey und der Basler Zeitung Medien tätigten sie jeweils zusammen mit Financier Tito Tettamanti. Wird er nun auch wieder mit von der Partie sein?

Nein, das ist ausgeschlossen.

Glücksspiel und Rundfunk sind in der Schweiz gesetzlich stark reguliert. Würden Sie beim Kauf von Radio und Fernsehen von ihren Erfahrungen um Umgang mit engen regulatorischen Schranken profitieren?

Absolut. Wir sehen ja in beiden Branchen, wie die Regulierung der technischen Entwicklung hinterherhinkt. Die Regulierung hat im Glücksspielbereich eine ganze Branche vernichtet. Die erlaubten Geschicklichkeitsspiele sind kommerziell nicht sehr interessant. Inzwischen sind wir da aber wieder so weit, dass wir Geschäftsmodelle gefunden haben. Bei Radio und Fernsehen kann es in Zukunft nicht mehr so aufwändige Konzessionsverfahren geben. Das ist doch nicht zeitgemäss. In acht Jahren, wenn die aktuellen Konzessionen auslaufen, stehen wird vor einer ganz neuen Situation.

Die Regulierung und der kleine Markt in der Deutschschweiz sorgen dafür, dass Privatradio und Fernsehen bisher nicht eben Goldgruben waren. Weshalb haben Sie Interesse an Low-Profit-Unternehmen?

Das war in der Vergangenheit sicher so. Da ich aber geschäftlich auch mit Medieninhalten zu tun habe, und nicht nur mit der Distribution, habe ich klare Vorstellungen, wie man in der digitalen Welt erfolgreich geschäften kann. Wichtig ist es, die richtige Zielgruppe anzusprechen. Hier wurde vor allem die Jugend vernachlässigt. Da muss auch bei der Vermarktung ein Umdenken stattfinden. Die Altersgruppe 14 bis 19 ist ebenso interessant, wenn nicht interessanter, als die 19- bis 49-Jährigen. Unsere Aufgabe wird es sein, eine optimale Verknüpfung von Information, Unterhaltung, Gaming und Film hinzukriegen.

Ihr Ziel sei es, so sagten sie schon mehrfach, ein Medien- und Unterhaltungsunternehmen nach dem Vorbild von Ringier aufzubauen. Ringier macht vor allem im Ausland gute Geschäfte. Ist das auch ihr Ziel?

Ich sage nicht, dass Ringier mein Vorbild ist. Sie haben einfach die richtige Strategie gewählt. Aber Escor bleibt vorerst ein Schweizer Unternehmen. Was international entstehen kann, sehe ich noch nicht. Aber alles ist ja möglich.

In Basel gibt es als Reaktion auf die von ihnen mitverursachten Turbulenzen bei der BaZ eine neue Zeitung. Hat sich das Komitee «Rettet Basel» schon bei Ihnen bedankt?

(lacht) Nein, ich habe noch kein Dankeschön erhalten. Aber ich habe ihnen zu diesem Schritt gratuliert. Diese Leute verstehen das journalistische Handwerk. So wie ich das beurteilen kann, versuchen sie mit ihrem multimedialen Zeitungsprojekt das zu realisieren, was für mich bei der BaZ wegen den politischen Wirren unmöglich wurde. Eine Zeitung muss breit abgestützt sein und darf sich nicht politisch in die eine oder andere Richtung zu stark exponieren.

Leserbeiträge

Martin Hitz 15. April 2011, 15:21

Wäre eine Übernahme durch Escor eigentlich auch als Kauf „aus dem Umkreis der SVP“ zu betrachten?

Nick Lüthi 15. April 2011, 16:38

Da Tettamanti nicht mit von der Partie ist, eher nicht. Siehe auch letzte Antwort von Wagner.

Klaus Rózsa 15. April 2011, 16:55

Es sei denn, man zähle Wagner „zum Umkreis der SVP“.
Seine letzte Antwort, sagt darüber überhaupt nichts aus.

Vladimir Sibirien 19. April 2011, 11:45

Mit dem Hintergrund drängen sich Formate wie 9live oder automatisierte SMS-Game-Shows förmlich auf. (Das ist genau das, was „Konvergenz“ in diesem Kontext bedeutet.) Exakt das, auf was wir gewartet haben. Und dass die Zielgruppe der 14- bis 19-jährigen sowie 19+ aber unterbelichtet unteradressiert sei, halte ich entweder für Taktik oder eine peinliche Fehleinschätzung.