von Ronnie Grob

Wir wollen es schneller und billiger

Dank dem Öffentlichkeitsgesetz erhalten Journalisten und interessierte Bürger freien Zugang zu amtlichen Dokumenten. Dennoch stellt die Verwaltung Medienschaffende regelmässig vor unnötige Hürden. Gebühren und lange Auskunftsfristen behindern die Arbeit.

Eigentlich ist es total einfach: Die Bürger der Schweiz bilden den Staat. Wer etwas von ihm wissen will, erhält Auskunft, denn es gilt das Öffentlichkeitsprinzip: «Jede Person hat das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten.» Man kontaktiert also das Amt (zuerst die Publikationen) und erhält im besten Fall eine Information in nützlicher Frist, die korrekt ist und nichts kostet.

Das klappt oft so gut, dass zugezogene Deutsche davon hellauf begeistert sind:

Tweet von Moritz Adler

Doch was so gut klingt wie das «Öffentlichkeitsprinzip», hat auch Haken. So geht es im betreffenden Bundesgesetz über das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten nach Art. 6 Öffentlichkeitsprinzip weiter mit Art. 7 Ausnahmen, Art. 8 Besondere Fälle und Art. 9 Schutz von Personendaten. Art. 8 Auskunftsrecht im Bundesgesetz für Datenschutz erteilt weitere Rechte, natürlich nicht ohne Art. 9 Einschränkung des Auskunftsrechts. Ausserdem wird der Auskunftsbegehrende dazu gezwungen, ein ordentliches Gesuch zu stellen, wofür es Vorlagen gibt: Die Schweizer Armee zum Beispiel stellt für das Gesuch ein Online-Formular zur Verfügung, weitere Mustergesuche sind im Web erhältlich, bei investigativ.ch, befreite-dokumente.ch oder admin.ch.

Schwieriger wird es, wenn es um Daten geht, die Beamte nicht hergeben und Journalisten unbedingt haben wollen. So erlebte es Kurt Pelda, der für die «Weltwoche» über Vorgänge in der DEZA recherchierte. Sein Gesuch (Art. 10) vom 22. Juni 2010 bei der EFK wurde erst am 4. April 2011 mit einem Dokument beantwortet. Was geschah dazwischen? Zuerst ersuchte die Behörde eine Fristverlängerung zur Einschwärzung von Personendaten (Art. 11). Dann fiel ihr auf, dass «nicht alle Personendaten in den Berichten anonymisiert werden könnten», weshalb «die Anhörung mehrerer Personen» veranlasst werden müsse (Art. 12). Zu tragen habe die Kosten in Höhe von «mehreren Tausend Franken» der Gesuchsteller. Dieser reichte darauf einen Schlichtungsantrag (Art. 13) ein, der schliesslich zum Erfolg führte (wenn auch nicht in der erforderlichen Zeit). Was in 20, maximal in 40 Tagen hätte erledigt sein sollen, dauerte über neun Monate, dabei handelte es sich um ein Dokument von gerade mal 22 Seiten.

Ein weiteres Beispiel ist der Fall Nef: Im Sommer 2008 beantragten «Beobachter» und «Weltwoche» Akteneinsicht in die Einstellungsverfügung. Herausgegeben wurde sie erst im Oktober 2010, nach einem Entscheid des Bundesgerichts (mehr hier). Der direkt am Fall beteiligte «Beobachter»-Mitarbeiter Dominique Strebel sieht die Hürden, vor denen Journalisten stehen, vor allem bei den Einschwärzungen, bei der Dauer der Verfahren und bei den Gebühren. «Es gab schon Fälle, wo Dokumente zu 90 Prozent schwarz zurück kamen. Zum Teil werden die gesetzlich festgeschriebenen Fristen massiv überzogen. Und die Verrechnung von hohen Bearbeitungskosten hat eine abschreckende Wirkung.» Probleme gibt es auch bei der Justiz: «95 bis 98 Prozent aller Strafverfahren entscheiden heute die Staatsanwälte per Strafbefehl – und nicht mehr die Gerichte. Einsichtnahme in diese Strafbefehle ist nur während kurzen Fristen von sieben bzw. dreissig Tagen möglich. Doch meist weiss man in dieser Zeit noch gar nicht, ob dieser relevant wird oder nicht. Nachträgliche Gesuche sind dann wieder mit langen Verfahren und hohen Kosten verbunden.» In einem Artikel für die NZZ hat er sich näher mit dieser Thematik befasst, Kommentare dazu beantwortet er hier.

Grundsätzlich sieht Strebel das Öffentlichkeitsgesetz, das am 1. Juli fünf Jahre alt wird, aber auf gutem Weg: «Die Praxis kommt langsam in Gang, weil sich das Wissen über das Gesetz bei Journalistinnen und Journalisten verbreitet und auch bei der Bundesverwaltung zunehmend ein Bewusstsein dafür da ist. Auch jene Bundesämter, die sich dagegen sperren, können dazu gezwungen werden, Dokumente zu liefern.»

Für den internationalen Vorbildstaat Schweiz sind Geheimhaltungspraktiken unwürdig. Mit nur wenig mehr Aufwand könnten die Behörden die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Auskunft auch in schwierigen Fragen sicherstellen. Und erreichten damit eine nachhaltige Glaubwürdigkeit zu einem Bruchteil des Preises der vielen teuren Imagekampagnen in eigener Sache. Ein Staat dagegen, der sich auf Kosten der Transparenz ausbaut, verbreitet zurecht Besorgnis. Der Platz 1 in der Rangliste der Pressefreiheit weltweit ist nicht auf ewig gesichert.

Die Fristen müssen eingehalten werden, so steht es im Gesetz. Und die Gebühren (Art. 17), die der Staat für den Zugang zu amtlichen Dokumenten erhebt, müssen dringend überdacht werden, denn die Medien haben sich verändert: Während den etablierten Journalisten immer weniger Gelder für Rechercheleistungen zugeteilt wird, gibt es vermehrt Bürger mit eigenen Medien, die zwar keine Einnahmen haben, sich aber für die Wahrheit interessieren und diese weiteren Personen zugänglich machen wollen. Dominique Strebel kann sich gut vorstellen, die Gebühren einfach abzuschaffen: «Das wäre ein guter Weg. Der an Transparenz interessierte Staat kann das unter PR-Kosten abbuchen.»

Problemlos erarbeitbare Auskünfte müssen weiterhin kostenlos erteilt werden. Für weitere Informationen eine geringe Bearbeitungsgebühr zu erheben, um einen Missbrauch zu verhindern, ist auch in Ordnung – keinesfalls aber dürfen Informationen Tausende von Franken kosten.

Bild: CC Flickr/geerjoh, CC BY-Lizenz.

Leserbeiträge

Fred David 16. Mai 2011, 21:30

„Internationaler Vorbildstaat Schweiz“?

Naja, recherchier mal ein bisschen tiefer hinter den freundlichen Kulissen, zum Beispiel zum Thema Schwarzgeld, Geldwäsche , professioneller Steuerbetrug, Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Billionenmassstab – und du wirst erleben, wie eng die Grenzen plötzlich werden, wie sich das Bild vom „internationalen Vorbildstaat“ doch ziemlich arg verflüchtigt und man auf eine Schweiz stösst, die man so nicht für möglich hält. Man glaubt es erst, wenn man’s selber erlebt. Hautnah.

Ronnie Grob 16. Mai 2011, 21:57

@Fred David: Ich halte die Schweiz nach wie vor für einen internationalen Vorbildstaat und zwar in ziemlich vielen Belangen. Welcher Staat ist denn für Dich ein internationaler Vorbildstaat?

Keine Frage, fragwürdige oder gar kriminielle Tätigkeiten im Geldgeschäft gibt es, das muss man gar nicht schönreden. Der Staat hat damit aber nur insoweit zu tun, als dass er für die Durchsetzung geltender Gesetze verantwortlich ist. Die Gesetze selbst haben ja die Bürger, bzw. die Parlamentarier gemacht. Kriminell scheinen mir die nicht zu sein.

Fred David 17. Mai 2011, 10:33

Ich hab’s nicht so mit Vorbildern.

Und wenn das Vorbild selber von sich unentwegt behauptet, es sei ein Vorbild, und und was für eins , und das auch noch für die ganze Welt , empfiehlt es sich erst recht, sehr genau hinzuschauen.

Das Thema Rechtsstaat und wie er zurecht gebogen wird, wenn die Interessen stark genug sind, ist ein weites Feld.

Die monströse, über Jahrzehnte unter dem Schutz des Staates aufgebaute nationale und internationale Schwarzgeldwirtschaft – die den meisten Schweizern in ihrer Ausdehnung und in ihren Konsequenzen bis heute nicht wirklich bewusst ist – wurde legalisiert. Der Staat wurde zum Gehilfen von Steuerbetrug und Steuerhintertziehung in riesigem Ausmass.

Das Verstösst nicht nur gegen den Geist, sondern auch gegen den Buchstaben unserer Verfassung. Aber wo kein Kläger ist, gibt’s natürlich auch keine Richter. Es ist gelungen, dieses offensichtliche Unrecht in der Wahrnehmung einer Mehrheit der Bevölkerung zu legalisieren. Es ist gelungen, den Leuten offensichtliches Unrecht als Recht einzureden. Das geschieht sonst meist nur in Diktaturen. Die Medien haben viel dazu beigetragen.

In Moment werden neue Abkommen mit Grossbritannien, Deutschland und den USA verhandelt. Es wird alles wunderschön aussehen, allseit bejubelt werden und ein paar Milliarden kosten. Ein ähnliches, hierzulande wie püblich breit bejubeltes Abkommen hat die Schweiz schon mit der EU geschlossen (Zinsbesteuerung). Das zehn Jahre alte Abkommen stellte sich von Anfang an als Farce heraus; die Schlupflöcher waren im Vornherein eingebaut. Die Finanzindustrie hat sich darüber einen abgelacht – natürlich nur hinter den Kulissen.

Völlig ignoriert wird: Was mit allen andern etwa 150 Staaten dieser Welt passiert, die ausserhalb der reichweite dieser Abkommen liegen. Indien und China zum Beispiel, der gesamte arabische Raum, Lateinamerika usw. Da kommt der Druck erst noch auf uns zu, weil inzwischen jedermann weiss, dass sich die Schweiz in diesen Fragen nur auf massiven Druck von aussen bewegt. Von innen kommt keiner, woher denn auch?

Die Oeffentlich keit des Vorbildsstaats wird darüber im Dunkeln gelassen, und reagiert dann ganz erstaunt, wenn’s dann wieder ernst werden wird . Prognose: Der nächste massive Druck wird aus Asien auf die Schweiz zukommen, insbesondere aus Indien. Es wird nicjht mehr alluzu lange dauern. Und wieder wird das Zetern und Jammern gross sein.

Und das betrifft dannvor allem die Schweiz hinter der Kulissenschweiz: die A-Schweiz. Sie ist effizient, sie ist global vernetzt, sie ist mächtig und sie steht weitgehend ausserhalb einer demokratischen Kontrolle.

Die Kulissenschweiz, da gehören du und ich und etwa 95 Prozent der Schweizer Bevölkerung dazu, ist die B-Schweiz: der sichtbare „Vorbildstaat“.

Viel Journalistenstoff. Aber Vorsicht: Man kann sich gehörig die Finger daran verbrennen.