von Edith Hollenstein

Wie sich Medien verkaufen

Die Publireportage ist die Spitze des Eisbergs. Doch es gibt zig weitere Wege, wie Werbekunden versuchen ihre Botschaft möglichst nah an die redaktionellen Inhalte heranzubringen, ja mit diesen zu vermischen. Die MEDIENWOCHE hat mit Daniel Neukomm gesprochen. Der Inserateverkäufer beim Verlag Kimedia (K-Tipp, Gesundheitstipp etc.) ist tagtäglich mit den Begehrlichkeiten der Werbekunden konfrontiert. Doch bei ihm gibt es nichts zu holen.

Publireportage abschaffen – eine Forderung, die Sie teilen?
Publireportagen sollten erlaubt bleiben. Eine Firma kann damit transparent und ausführlicher informieren, als mit einer traditionellen Anzeige: Ein gutes Beispiel ist die Werbung für «Ultimate» von BP. Hingegen sollte es verboten sein, mit einer Publireportage einen redaktionellen Eindruck zu erschleichen. Ein solches, schlechtes Beispiel erschien über einen Möbelfabrikanten und seine hübsche Tochter in einer grossen „Illustrierten“ im Stile einer Homestory. Für «textlastige Anzeigen« haben wir klare Regeln: Offen erkennbare, ehrliche Informationen, andere Schrift und Spaltigkeit, klare Kennzeichnung.

Wie hoch und solide ist die Mauer zwischen der Verkaufsabteilung und den Redaktionen bei «K-Tipp» und «Gesundheitstipp»?
Himmelhoch, unüberwindbar. Bei uns gibt’s keine Verluderung, wie leider fast in allen anderen Titeln der Schweiz. Es gibt keine Schmuddel-Geschäfte im Stil: «Schalt mir eine Anzeige, dann mach ich dir einen Bericht».  Es ist undenkbar, dass redaktioneller Platz gekauft wird, wie es heute oft passiert. Schau ich als Werbevermarkter mal an einer Redaktionssitzung rein, fühl ich mich wie bei einer unanständigen Annäherung. Wir Anzeigenverkäufer und die Redaktoren sehen uns beim Feierabendfussball, aber nicht im Geschäft.

Als Werbevermarkter stehen Sie im Spannungsfeld zwischen Redaktion, Anzeigenkunden und Ihren Verkaufszielen. Inwiefern hat sich diese Situation in den letzten Jahren verschärft?
Es ist meine Aufgabe, neue und für den Kunden erfolgreiche Massnahmen zu bieten. Ich bin der Söldner der Werbekunden, bin aber auch stolz auf unsere Redaktionen. Wir sind auf einer Gratwanderung: Die Redaktion muss genug stark sein, der Verluderung  zu trotzen. Denn schliesslich profitiert davon wieder der Werbemarkt. Wenn die Leser die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des redaktionellen Inhalts schätzen, bleibt Werbung in diesem Umfeld attraktiv. Der Glaubwürdigkeitstransfer spielt.

Von welcher Seite spüren Sie am meisten Druck?
Gewisse Anzeigenkunden ertragen nicht, dass wir Klartext schreiben. Sie ignorieren uns, lassen unsere Titel links liegen, obwohl die Leserzahlen für uns sprechen. So hat etwa die Schweizerische Post seit Jahren in all unseren Titeln nie mehr ein einziges Inserat gebucht. Werbeprofis schütteln nur den Kopf. Bei der Post gibt es keine Kutschen mehr, nur noch Retourkutschen.

Wo erleben Sie die Kunden als besonders dreist?
Ich möchte hier drei wesentliche Verhaltensweisen nennen. Zum einen gibt es diejenigen, die fordern: «Wir inserieren bei Ihnen regelmässig und Sie schreiben dafür nichts Böses.» Zum anderen wird verlangt: «Machen Sie mehr Tests mit unseren Produkten, dafür bezahlen wir.» Diese Kunden wollen schlicht Aufmerksamkeit, egal wie positiv das Urteil ausfällt. So nach dem Motto: Hauptsache wir finden statt. Dann gibt es eine dritte beängstigende Tendenz: Die PR-Agenturen werden immer unverfrorener. Sie sind sich wohl aus Deutschland gewohnt, dass sich Journalisten einlullen lassen. Die PR-Brigade fürs Mundwasser «Listerine» lud sich etwa kürzlich selber ein und wollte bei der Redaktion des «Gesundheitstipp» vorbeikommen, um die Vorzüge des Produkts zu präsentieren.

Sind die Listerine-PR-Leute tatsächlich bei Ihrer Redaktion vorstellig geworden?
Nein, natürlich nicht. Die Redaktion verwies die PR-Profis an mich. Denn unsere Redaktion will die Themen und Recherchen immer noch selber bestimmen.

Wie viel Geld entging Ihnen da?
Bei den grossen Konsumentenzeitschriften geht es immer um fünfstellige Beträge. Eine Kampagne ist schnell sechsstellig. Eine einzige Seite im «K-Tipp» kostet 22’000.- Franken.

In welchem Verhältnis steht dieser Betrag zu Ihren persönlichen Verkaufszielen?
In keinem. Wir arbeiten nicht auf Provision.

Wie häufig lehnen Sie Inserate ab?
Ungefähr monatlich, meist schon von uns Werbemarkt-Leuten selbst. Wir kennen ja unsere Chefredaktoren. Schauen Sie mal einzelne Anzeigen im TCS-Blatt «Touring» an, da würden einige die Hürde bei uns sicherlich nicht schaffen. Die Glaubwürdigkeit bliebe auf der Strecke. Stellen Sie sich vor: Man druckt eine Anzeige für eine fettreduzierende Massagedüse und  gleichzeitig wird im redaktionellen Teil wird vor solchen Humbug-Geräten gewarnt…

Somit achten Sie aber schon darauf, dass die Werbung zu den Testresultaten passt.
Erst im Nachhinein.