von Stephanie Rebonati | Etienne Wuillemin

«Der Schuss soll raus – basta»

Valentin Landmann auf allen Kanälen: Der Zürcher Rechtsanwalt kommentierte am vergangenen Freitag auf blick.ch, 20min.ch und im Tages-Anzeiger die Verurteilung von Carl Hirschmann zu einer Haftstrafe wegen Gewalt- und Sexualdelikten. Neben dem Reiz für die Redaktionen, eine schillernde Figur, einen «Milieuanwalt», als Experten aufzubieten, gibt es einen ganz praktischen Grund, Landmann anzufragen: er verzichtet aus Prinzip aufs Gegenlesen seiner Interviews.

Das Gespräch fand am 1. Dezember 2010 statt. Es entstand im Rahmen des Bachelor-Studiengangs Journalismus/Organisationskommunikation am Institut für Angewandte Medienwissenschaft in Winterthur.
Medienwoche: Herr Landmann, geben Sie gerne Interviews?
Valentin Landmann: Interviews machen mir Spass. Ich finde es spannend, ob ich spontan auf die Fragen reagieren kann. Das ist eine Art Selbstüberprüfung: Habe ich das nötige Hintergrundwissen, um ohne langes Überlegen antworten zu können?

Dann sind Journalisten eine Herausforderung für Sie.
Ja natürlich. Auf die Begegnungen mit ihnen will ich mich zwar nicht so lange vorbereiten wie auf einen Auftritt im Gerichtssaal, aber sie fordern mich sehr. Dazu liebe ich Sachen, die nicht korrigierbar sind. Der Schuss soll raus – basta. Die Folge? Manchmal liege ich mit meinen Ansichten falsch und denke am nächsten Tag: «Da bin ich jetzt nicht mehr meiner Meinung.»

Was machen Sie in einem solchen Fall?
Ich stehe zunächst zu dem, was ich gesagt habe. Aber im nächsten Gespräch erkläre ich ganz offen, dass ich meine Meinung geändert habe. Es ist wichtig, dass man zugeben kann, wenn man einmal falsch gelegen ist.

Wie gehen Sie auf Journalisten zu?
Immer gleich. Es ist mir egal, woher der Journalist kommt und worüber er sprechen will. Ein Journalist der WOZ bekommt von mir zu einem Thema dasselbe zu hören wie einer der Weltwoche. Der eine freut sich dann vielleicht mehr darüber als der andere.

Informieren Sie sich über einen Journalisten, dem Sie ein Interview geben?
Nein. Die Einstellung meines Gegenübers beeinflusst meine Meinung nicht. Ich versuche auch nicht, meinem Gesprächspartner mit Aussagen zu gefallen. Ich bin ich. Wenn jemand versucht, sich zu verleugnen, geht das Gespräch garantiert in die Hose.

Von Ihnen ist bekannt, dass Sie Artikel und Interviews nie gegenlesen.
Niemals. Die Texte werden viel besser, wenn die Journalisten so schreiben, wie sie möchten und ich ihnen nicht ins Handwerk pfusche.

Ist Ihnen denn die öffentliche Wahrnehmung Ihrer Person gleichgültig?
Die soll so sein, wie sie der Journalist empfindet. So wie ich mich über ein Problem authentisch äussern will, so hat auch der Journalist das Recht, über mich so zu urteilen und zu schreiben, wie es seinen Eindrücken entspricht. Es ist nicht mein Recht, ihm zu sagen, er solle vorteilhafter über mich schreiben. Da käme nur Blödsinn heraus.

Eine solche Haltung ist selten.
Ich habe damit die besseren Erfahrungen gemacht. Wenn der Journalist findet, ich sei ein Vollidiot, dann werde ich diesen Eindruck nicht mit nachträglichen Korrekturen am Text verändern können.

In der Presse werden Sie gern als Kenner des Rotlichtmilieus und Freund der Hells Angels bezeichnet. Wie finden Sie das?
Das ist absolut in Ordnung. Auch hier gilt: Wie der Journalist mich einschätzt, ist seine Sache. Das soll er in jeder Form tun können.

Lassen Sie sich das Gespräch mit einem Journalisten im Anschluss nochmals durch den Kopf gehen?
Schon, im Rahmen meiner sehr beschränkten Fähigkeiten zur Selbstreflexion. Dabei habe ich mich manchmal gefragt, ob ich mit dieser oder jener Äusserung nicht zu weit gegangen sei.

Geben Sie uns dafür ein Beispiel.
Ich wurde gefragt, ob ich die Swissair-Freisprüche richtig fände. Da habe ich gesagt: Wenn im Anforderungsprofil steht, dass ein Management fusionsgeil und europaverblödet sein soll, dann können wir diese Manager doch nicht anklagen, weil sie das Anforderungsprofil erfüllt haben. Das hielten die Verwaltungsräte zwar nicht für eine super sympathische Verteidigung. Aber das war mir Wurst, es entsprach meiner Meinung.

Sie sind den Medien gegenüber sehr offen. Man kann nachlesen, was Sie von einem Bordell-Besuch halten, wie Sie ihre Frau kennengelernt oder wie Sie Ihre Habilitation im Schredder versenkt haben. Warum geben Sie als Anwalt solche privaten Informationen preis?
Weil ich dazu befragt wurde.

Ihre Offenheit ist trotzdem erstaunlich.
Ich habe nichts zu verstecken. Es gibt Dinge in meinem Leben, die gravierendst schiefgelaufen sind und auf die ich absolut nicht stolz bin. Aber auf diese Dinge stösst jeder gute Journalist. Und dann würde er denken: Aha, diese Dinge will der Landmann unter Verschluss halten.

Dann ist Ist Ihre Offenheit also Taktik?
Nicht ganz. Wenn Sie mich fragen würden, was ich am Wochenende mit meiner Frau im Bett gemacht habe, beantworte ich Ihre Frage nicht. Aber dann deklariere ich das mit den Worten: «Dazu möchte ich nichts sagen». Normalerweise beantworte ich auch Fragen zu Themen, die mir weh tun.

Wo liegt Ihre Schmerzgrenze?
Über meine Person und meine Vergangenheit können Sie mich alles fragen. Aber ich beantworte keine Fragen, die ein heikles Thema einer Drittperson betreffen. Ausser es ist mit dieser abgesprochen.

Haben Sie schon negative Erfahrungen gemacht mit Journalisten?
Ein Westschweizer Journalist hat sich einst die Mühe gemacht, mich auf Deutsch zu befragen. Einen Teil meiner Antworten hat er extrem missverstanden. Da habe ich gedacht: «Bei allem, was recht ist, aber so einen Blödsinn habe ich nicht gesagt.»

Verlangen Sie in einem solchen Fall eine Richtigstellung?
Auf keinen Fall. Das ist eine Erfahrung, die ich abbuche unter «dumm gelaufen». Einen Tag später ist das schon vergessen. Eine Richtigstellung habe ich Zeit meines Lebens noch nie verlangt.