von Nick Lüthi

Mehr als nur ein linkes Unbehagen

Die Gründungswelle rollt weiter: Nach der TagesWoche in Basel soll auch in Bern eine neue Online-Plattform die Medienvielfalt bereichern. Hinter dem Projekt Berner Onlinemedien stehen bekannte Figuren aus Medien, Kultur und linker Lokalpolitik. Wenn bis Ende Oktober eine erste Finanzierungsrunde zustande kommt, will die Online-Plattform im kommenden Frühjahr loslegen. Die MEDIENWOCHE sprach mit Vereinspräsident Willi Egloff.

Was haben der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg, SP-Nationalratskandidat Matthias Aebischer und der Komiker Müslüm gemeinsam? Zusammen mit gut zwanzig weiteren mehr oder weniger prominenten Bernerinnen und Bernern unterstützen die drei Herren das Projekt Berner Onlinemedien BOM. Das tun sie mit ihren Namen aber auch mit Geld.

Finden sich bis Ende Oktober weitere 80 Personen, die ebenfalls bereit sind, 500 Franken zu zahlen, soll bis spätestens in einem halben Jahr in der Bundesstadt eine Online-Zeitung erscheinen, die «aktuell und kritisch über die Berner Lokalpolitik» informiert.

«Die Mediensituation in Bern verträgt eine weitere und vor allem eine andere Stimme», sagt Willi Egloff im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Der medienpolitisch engagierte Anwalt präsidiert zusammen mit der ehemaligen «Bund»-Redaktorin Magdalena Schindler den Verein Berner Onlinemedien. Man verstehe sich nicht als Konkurrenz zu ‚Bund‘ oder Berner Zeitung, sondern als «Ergänzung und Korrektiv» in der Berichterstattung über lokale Politik und Kultur. Egloff: «Hier verträgt es durchaus eine grössere Vielfalt.»

Eine Einschätzung, die auch Hanspeter Spörri teilt. Der ehemalige «Bund»-Chefredaktor beobachtet den Berner Medienplatz inzwischen aus der Distanz im Appenzell, hat aber den Draht zu seinen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Kollegen nicht verloren. «Mit den beiden Tamedia-Tageszeitungen in Bern gibt es zwar eine künstliche Vielfalt, die aber an Grenzen stösst», sagt Spörri. «Ich glaube, dass es durchaus Platz gibt für ein neues journalistisches Projekt, zumal Bund und BZ im Internet nur sehr zufällig und unvollständig über das lokale Geschehen informieren.»

Zusammen mit dem ehemaligen «Bund»-Chefredaktor und Co-Präsidentin Schindler finden sich zum Start des Projekts nicht weniger als acht ehemalige Redaktorinnen und Mitarbeiter des «Bund» in Trägerschaft und Kernteam; drei von ihnen hatten nach der Teilfusion des «Bund» mit dem «Tages-Anzeiger» 2009 ihre Stelle verloren.

Was weiter auffällt bei der aktuellen Zusammensetzung des Personals: Das politische Spektrum rot, grün bis Mitte ist gut vertreten, mehrere amtierende und bisherige Stadträtinnen und Stadträte von SP und Grünen sind dabei. Vereinspräsident Willi Egloff, selbst Mitglied der Partei der Arbeit, will diesen Umstand nicht überbewertet sehen: «Die Zusammensetzung repräsentiert nicht ein bestimmtes politisches Spektrum, sondern steht für das Interesse an journalistischer und kultureller Vielfalt in der Stadt Bern.» Dennoch streitet Egloff nicht ab, dass das linke Unbehagen mit den Berner Medien schon auch eine Motivation für das Projekt gewesen sei. «Wir wollen aber nicht in erster Linie ein linkes Medium gründen.»

Ob links oder nicht: Einen politischen Anspruch hat das Online-Projekte alleweil. Man wolle aus einer Perspektive informieren, «die auch ökologisches und soziales Engagement ernst nimmt», steht in der Projektdokumentation zu lesen. Umsetzen soll dies eine mit anfänglich 300 Stellenprozenten dotierte Redaktion, die täglich ein bis zwei journalistische Beiträge produziert, unterstützt von freien Mitarbeitenden.

Den Grossteil der Betriebskosten von einer halben Million Franken pro Jahr erhofft sich der Verein BOM durch Mitgliederbeiträge zu decken. 1500 Personen müssten dazu je 250 Franken zahlen. Bei diesem Finanzierungsmodell orientiert sich das Online-Projekt – nicht ganz zufällig – an einem anderen Berner Alternativmedium, dem Gemeinschaftsradio RaBe. Willi Egloff sitzt im Vorstand des Senders und kennt als einer der Gründer des Lokalradios dessen Strukturen aus dem Effeff.

«Wenn es RaBe mit seinem eher jugendlichen Publikum geschafft hat, tausend Mitglieder zu finden, die jährlich 150 Franken zahlen», sagt Egloff, «dann sollte das gleiche Modell auch mit der Online-Zeitung funktionieren. Umso mehr, als dass wir damit auch ältere und besser situierte Kreise ansprechen wollen.» Die Mitglieder und Unterstützerinnen erhalten für ihr Geld keine direkte Gegenleistung, da die Online-Zeitung frei zugänglich sein soll.

Mitglieder profitieren insofern, als dass sie sich über einen Publikumsrat in das Projekt einbringen können – natürlich ohne auf die unabhängige Redaktion Einfluss zu nehmen. Ob dieser Anreiz ausreicht, um 1500 Leute zum zahlen zu bewegen, wird das erste Betriebsjahr zeigen. «Wir sind uns bewusst, dass wir auch scheitern können», sagt Vereinspräsident Egloff. «Das hält uns aber nicht davon ab, loszulegen, wenn Ende Oktober die 150’000 Franken an Spenden und Unterstützungsbeiträgen der Trägerschaft zusammengekommen sind.»

Eine Mäzenin, wie Beatrice Oeri, die in Basel mit einem namhaften Geldbetrag die Gründung der TagesWoche unterstützt, gibt es keine in Bern. Aber man hofft hier zumindest auf Synergien mit dem Basler Projekt. «Wir sind interessiert an ihrem Know-how und an einer allfälligen Zusammenarbeit», sagt Willi Egloff.

Konkret könnte das bedeuten, dass der Bundeshauskorrespondent der TagesWoche auch für das Berner Projekt schreibt. Noch ist das Zukunftsmusik. Aber in Basel und Bern weiss man, dass es sich nicht lohnt, das Rad zweimal zu erfinden. Entsprechend zeigt sich auch die TagesWoche bereit, mit dem Berner Online-Projekt zusammenzuspannen.

Leserbeiträge

Stefan Meier 15. September 2011, 17:25

Die Initianten aus dem rot-grünen Spektrum beklagen in der WOZ, dass sie in BZ und Bund zuwenig zu Wort kämen. Hallo?? Das ist ja wohl Realitiätsverlust der übleren Sorte, zuumindest was den „Bund“-Lokalteil betrifft… auch nach der TA-Übernahme ein Verlautbarungsorgans des links-grünen Stadtberner Mainstreams…