Potpourri de luxe
Um neue Werbekunden anzulocken, lancieren Zeitungen und Zeitschriften Magazinbeilagen zu Luxus- und Lifestyle-Themen. Sie sind in erster Linie willkommene Möglichkeit, das schwächelnde Inserategeschäft der Stammblätter zu stützen. Daraus machen auch die Chefredaktoren keinen Hehl.
Kürzlich in einem Zürcher Szenelokal. Der Vater mit seiner halbwüchsigen Tochter. Sie in Jeans und Indianer-Mokassins, er mit Tweed-Veston und Seidenfoulard. Der Senior zu seinem blonden Spross:
– Hast du dir schon überlegt, ob du ans Gymnasium gehen oder eine Lehre absolvieren möchtest?
– Mhm. Ich will etwas Stylisches machen.
– Was heisst das?
– Mann Papi. So Zeugs halt mit Mode, Party und Reisen und so.
Der Vater verstummt. Und überlegt. Die Halbwüchsige kramt in der ledrigen Beuteltasche und zückt das neue «Stil Magazin» der «NZZ am Sonntag» hervor. Darauf der Vater:
– Du möchtest also Kulturjournalistin werden?
– Kultur? Das ist für Alte. Ich will Models stylen und so. Das ist doch voll der Luxus-Job.
Der Vater verstummt erneut und bleibt still, bis der Kaffee ausgetrunken und die Quiche aux légumes verspeist sind.
Es irritiert zunächst, wenn renommierte und journalistisch ambitionierte Titel wie eine «NZZ am Sonntag» oder die «Bilanz» auf Lifestyle- und Luxus-Supplements setzen, wo der Journalismus in erster Linie dazu da ist, den Platz zwischen den Inseraten zu füllen. Rasch wird aber klar: die Neulancierungen sind attraktive Mitfinanzierungsmodelle der Hauptblätter.
Seit 2010 wurden in der Deutschschweizer Medienlandschaft fünf neue Beilagen zum Thema Lifestyle und Luxus lanciert. Die zum Axel Springer Verlag gehörenden Titel «Bilanz», «Handelszeitung» und «PME Magazine» geben seit 2010 gemeinsam vier Mal jährlich «First – das Magazin für guten Stil» heraus. «Wir haben Leser, die sich sehr für Lifestyle, Stil und Luxus interessieren. Die entsprechenden Inhalte in diesen Titeln noch weiter auszubauen, wäre aber einer Verwässerung ihres Charakters als Wirtschaftsmagazine gleichgekommen», sagt Pierre-André Schmitt, Chefredaktor von «First». Da sei es auf der Hand gelegen, die Lifestyle-Themen mit einem Supplement zu transportieren.
Und diese bietet Werbekunden eine Plattform, wie Markus Köchli, Gesamtleiter Specials der «Handelszeitung», sagt: «Im Gesamtrahmen von über 90 Fach-Specials pro Jahr ist es wichtig, dass auch der Lifestyle-Bereich angesprochen wird. Zugegebenermassen sind diese Specials sowohl für die Leserinnen und Leser wie aber auch für die Werbewirtschaft interessant. Natürlich wollen wir eine Plattform bieten für gezielte Werbung, die sonst in der Wirtschaftspresse nicht vorkommt.» Kommerziell müssten die Luxus-Beilagen immer gewinnbringend sein, sonst verzichte die «Handelszeitung» darauf.
Der Tamedia-Verlag gründete seit 2010 drei neue Beilagen. Der «Tages-Anzeiger» bringt drei Mal jährlich «Luxus», die «Sonntagszeitung» gleich oft «Finest» und die «Finanz und Wirtschaft» zusammen mit «Bilan» vier Mal jährlich «Luxe» – ein zweisprachiges Heft. Laut Res Strehle, Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», bewegt sich die «Luxus»-Beilage nicht im «Ultra-Luxus-Segment», sondern in einem Bereich, den sich auch Tages-Anzeiger-Leser leisten können. Ausserdem achte man auf Schweizer Produkte und Protagonisten, «Prada und Gucci kommen möglicherweise in der Modestrecke vor, aber nicht als Story». Strehle sagt, dass neue Werbekunden Ziel der Gründung waren.
Diego Quintarelli, Verlagsleiter bei der «Sonntagszeitung», sagt: «Ein Produkt, das nur für den Werbemarkt konzipiert wird, funktioniert nicht». Und Martin Coninx, Geschäftsführer bei der «Finanz und Wirtschaft», hält ganz dagegen: «Bei der gemeinsamen Publikation von Finanz und Wirtschaft und Bilan stand bei der Lancierung das Journalistische und nicht eine Kostenoptimierung im Mittelpunkt. Wir publizieren ein sprachübergreifendes Produkt, das für Romands und Deutschschweizer interessant ist. Da die Publikation seit der ersten Ausgabe auch wirtschaftlich sehr erfolgreich ist, sehen wir unser redaktionelles Konzept bestätigt.»
Die jüngste aller Lifestyle-Beilagen ist das «Stil Magazin» der «NZZ am Sonntag». Es ersetzt seit dem 28. August 2011 den früheren Stil-Bund, der für Anzeigenkunden hochwertiger Konsumgüter im Laufe der Jahre zu wenig attraktiv wurde. «Mit dem Stil Magazin können wir nun diesen Werbekunden wieder eine qualitativ erstklassige Plattform bieten», sagt Felix E. Müller, Chefredaktor der «NZZ am Sonntag».
Das Magazinformat bietet bessere Druckqualität, bessere Gestaltungsmöglichkeiten und ermöglicht einen Ausbau des Inhalts. Bereits der Stil-Bund war bei seiner Gründung vor bald zehn Jahren eine Pioniertat. Das «Stil Magazin» folgt seinem Vorläufer und trifft nicht zuletzt dank einer zurückhaltenden Optik den Zeitgeist.
Seit sechs Jahren gibt es im Hause «NZZ» das «Magazin Z – Die schönen Seiten». Die Hochglanzbeilage erhalten sowohl Leser der Tagesausgabe, als auch der «NZZ am Sonntag». «Das Magazin Z ist die Welt der Träume, des Hedonismus, des reinen Luxus. Das Stil Magazin ist lebensnaher. Es bringt Ratschläge für die konkrete Lebensgestaltung», wie Felix E. Müller erklärt. Solche Ratschläge sind beispielsweise Tipps für den spontanen Sonntagsausflug – auf der letzten Seite zum Ausschneiden.
Schon vor 2010 haben Zeitungen und Zeitschriften auf Luxus und Lifestyle gesetzt. Einer der Pioniere ist die «Weltwoche» mit ihrer Stilausgabe – im November 2007 lanciert, habe der Werbeumsatz stetig und markant erhöht werden können, wie Jean-Claude Plüss, Leiter Werbemarkt, sagt. Den Erfolg erklärt Plüss so: «Die Stilausgaben haben ein Gesicht. Sie sind publizistisch und optisch eigenständig positioniert». Dies zeigt sich nicht zuletzt der Gestaltung der Titelseiten.
Dort spielt die «Weltwoche» gekonnt mit Schriftarten- und graden, mit Texteffekten wie 3-D-Drehungen, Folgepfaden und Abschrägungen. Entwickelt und produziert vom renommierten deutschen Büro Borsche. Das gefällt auch den Werbekunden: «Durch die Stilausgaben gewannen wir neue Kunden, die auch den Weg ins Hauptblatt gefunden haben», so Jean-Claude Plüss.
Zurück zu Vater und Tochter im Szenelokal. Als die Quiche aux légumes verspeist ist, legt der Senior seinem Spross nahe, dass dieses den Luxus-Begriff doch differenziert anschauen sollte:
– Sind für dich nur Models und Modehefte Luxus?
– … und Louis Vuitton und Paris Hilton und so.
– Sind Liebe, Familie und Gesundheit nicht auch Luxus für dich?
– Hä? Papi, das sind doch Menschenrechte.
Die Luxus- und Lifestyle-Beilagen im Überblick.
Werner Grundlehner 27. Oktober 2011, 09:46
das ist mir auch schon mehrfach aufgestossen – ähm aufgefallen. Und just als ich Ihren Artikel las, schneite die eher kleine und unbedeutende (nicht despektierlich gemeint) Unternehmerzeitung auf den Bürotisch – mit einer Hochglanz Style Luxusbeilage. Wobei im inner der Trennung von Redaktionellem und Werbung kein allzu grosse Gewicht beigemessen wurde – teilweise gleiche Fotos, ähnliche Textpassagen.