von Ronnie Grob

Schlagerschunkelmedley

Nach so viel Olympia zu etwas ganz Anderem: Dem Donnschtig-Jass aus Huttwil. Zwei Teams aus dem Kanton Schaffhausen spielen gegeneinander, Roman Kilchsperger moderiert, zwei Peter Reber müssen einen Brand löschen.

Es ist gar nicht zu unterschätzen, welche Bedeutung es für kleine Gemeinden hat, mal gross im Fernsehen zu kommen. Entsprechend begeistert hört sich der Vorbericht auf huttwil.ch an. Grenzenloser Jubel sei aufgebrandet, nachdem sich die Huttwiler in gegen die Jasser aus Langenthal knapp durchsetzten: «In Extremis schaffte es Huttwil im zweiten Anlauf: Vor 26 Jahren verlor Huttwil das Jassduell gegen Sumiswald». Extrem war nicht nur der knappe Entscheidung beim Jassen, sondern auch das Wetter. Nachdem heftiger Regen eingesetzt hatte, setzte die Technik aus und die Übertragung war für 15 Minuten unterbrochen (Video, Unterbruch ab Minute 53).

Doch schnell zur gestrigen Ausgabe aus Huttwil im Kanton Bern:

Donnschtig-Jass vom 09.08.2012

Die Produktion ist pleiten- und pannenfrei, die Sendung ist unter der Moderation von Roman Kilchsperger überraschend rasant, auch natürlich, weil Kilchsperger wie immer viel und schnell redet. Seine jugendlich-freche Art tut der Sendung gut. Ob es tatsächlich wahr ist, wenn er behauptet, das erste Mal verliebt gewesen zu sein zu Songs von Peter Reber? Wie auch immer, es ist eine schöne Hommage an den Gast der Sendung, der kein ganzes Lied vortragen darf, sondern nur ein «Hit-Medley». Es kommt unweigerlich Schunkelstimmung auf, als Reber durch die Holzbänke zieht. Die Neigung des Fernsehens, jede unterhaltende Musik ausserhalb eines Konzertsaals in ein Schlagerschunkelmedley zu verwursten, kann einen nur depressiv machen.

Dann soll das Publikum mit einem kostenpflichtigen Anfruf auf eine 0901-Nummer (oder per WAP) entscheiden, ob es Sänger Peter Reber mit der Assistenz von Feuerwehrmann Peter Reber schafft, einen vom Fernsehen gelegten Brand in 20 Sekunden zu löschen. Es gelingt ihm, auch wenn er sich dabei den Schnauzbart ansengt und auf den Knien aus dem Container herauskommt. Zu gewinnen gibt es einen Aufenthalt in einem St. Moritzer Hotel, das, wie transparent eingeblendet wird, eine schöne Produktplatzierung erhält.

Der Bringer des Donnschtig-Jass ist aber natürlich das Jassen! Die Idee, öffentlich zu jassen (und zwei Dörfer gegeneinander antreten zu lassen), hat seit Erfindung nicht an Attraktivität eingebüsst. Wer die Regeln des Spiels versteht, und das tun erstaunlich viele Schweizer, wird der Sendung etwas abgewinnen können. Und es ist nicht etwa nur ein Spiel: Bei der Bedenkzeit zum dritten Spiel setzen “Hopp Beringe!”-Rufe ein. Der Jubel am Ende des Spiels, als Beringen gegen Schaffhausen mit 74 gegen 75 Differenzpunkte unterliegt, also gewinnt, ist, nun ja, grenzenlos.

Um genau 21 Uhr setzt die Huttwiler Kirchenglocke ein und übertönt fast den Moderator. Würde die Sendung nicht wie ein Musikantenstadl daherkommen und in den Schlagerschunkelstumpfsinn abgleiten, sie wäre beste, schönste Schweizer Volkskultur am Fernsehen.

Der «Donnschtig-Jass» aus Huttwil wurde am 9. August 2012, um 20:05 Uhr ausgestrahlt. Die Sendung erreichte 351.000 Zuschauer und 28,6 Prozent Marktanteil.