Konvergenz: Der Anfang vom Ende von Newsnet
Tamedia merkt, dass die Marke doch unteilbar ist. Und verordnet dem Tages-Anzeiger eine Chefredaktion für alle Kanäle. Doch was bedeutet das für das Vehikel, das gegründet wurde, um online Geld zu verdienen, Newsnet? Hat es das Zeitliche gesegnet? Tamedia dementiert: Newsnet werde auch auf längere Frist nicht eingestellt.
Am Donnerstag wurde den Redaktionen von Tages-Anzeiger und Newsnet mitgeteilt, dass sie in Zukunft für den gleichen Tages-Anzeiger arbeiten werden und dass es folglich auch nur eine Chefredaktion geben wird. Ob diese mit einer, zwei oder noch mehr Personen besetzt wird, ist noch nicht entschieden. Auch Einsparungen wurden angekündigt, die unter anderem mit Frühpensionierungen, nicht ersetzten Abgängen und Kündigungen erreicht werden sollen.
Für jene, die nicht mit den Verhältnissen zwischen Print und Online beim Tages-Anzeiger vertraut sind, mag sich diese Massnahme der Zusammenlegung wie ein Gemeinplatz anhören. Wer aber weiss, wie spinnefeind sich einige Redaktoren zwischen Print und Online sind und wer weiss, wie unterschiedlich die beiden Redaktionen arbeiten (was leicht an ihren Produkten erkennbar ist), kann sich vorstellen, wie schwierig das Projekt Konvergenz beim Tages-Anzeiger werden könnte. Wiederum: Von den bisherigen Zusammenführungen bei der NZZ wurden weder abgetrennte Gliedmassen noch auf dem Schlachtfeld zurückgebliebene Opfer gemeldet. Vielleicht geht es ja doch, Journalismus mit Qualitätsanspruch und ohne trägerideologische Muster zu betreiben.
Wenn nun der Tages-Anzeiger zur Vernunft zurückkehrt und eine Chefredaktion einrichtet, stellt sich nicht nur die Frage, wer diese besetzt wird, sondern, was das für Newsnet bedeutet. Aktueller Chefredaktor von Newsnet ist Peter Wälty, er verantwortet de facto grosse Teile der Online-Auftritte einer Reihe völlig unterschiedlich ausgerichteter Zeitungen wie der Basler Zeitung, dem Bund oder der Berner Zeitung. Publizistisch ist es ein Tohuwabohu der Marken: Artikel aus der Berner Zeitung können auf derbund.ch gelesen werden, Artikel aus der Basler Zeitung erscheinen auf tagesanzeiger.ch, Artikel aus den Zentralredaktionen erscheinen wahllos auf den verschiedenen Websites. Gefüttert werden die unterschiedlichen Medienmarken (gemäss Newsnet.ch «die unabhängigen Internet-Auftritte») mit einheitlichem Futter («schneller und hochwertiger Journalismus») aus den zwei Newsnet-Zentralredaktionen in Zürich und Lausanne und den sechs unterschiedlich grossen und unterschiedlich organisierten Lokalredaktionen in Zürich, Bern, Basel, Lausanne und Genf.
Problematisch ist die Situation vor allem für die Basler Zeitung der Medienvielfalt Holding AG, die sich online ironischer- und einfältigerweise mit Meldungen aus dem Newsnet-Einheitsbrei präsentiert, was immer wieder zu peinlichen Fremdmeldungen «in eigener Sache» führt. Man mag sich freuen, Werbeeinkünfte zu kassieren, für die fast kein Finger gekrümmt werden muss. Gefragt werden muss aber, weshalb die eigene Marke online nicht stattfindet, bzw. verwässert wird.
Der Tages-Anzeiger wird Testmodell sein für die frühestens ab Sommer 2013 eingeführte Bezahlschranke. Wenn man sich nun dort darauf besinnt, die Kontrolle über die eigene Marke zurückzugewinnen, folgen unweigerlich weitere Fragen: Erobern sich auch die anderen Titel die publizistische Hoheit über ihre Website zurück? Wird Newsnet zu einer Episode in der Geschichte? Andere fragen, woher dann überhaupt die Storys kommen:
Was geschieht mit Newsnet-Verbund, wenn Mantelred. konvergent wird und hinter Paywall verschwindet. Politik und Wirtschaft nur noch ab SDA?
— Lukas Mäder (@lukasmaeder) September 8, 2012
Christoph Zimmer, der Unternehmenssprecher der Tamedia, teilt mit, dass Newsnet in der jetzigen Form weitergeführt und auch auf längere Frist nicht eingestellt werde: «Der Verbund ist erfolgreich und wird weitergeführt. Mit dem Einbezug von 24heures.ch, lematin.ch und tdg.ch hat Newsnet im letzten Jahr nochmals einen grossen Sprung gemacht.»
Solange man mit Zeitungen recht verdiente, vernachlässigten die Zeitungsverlage die publizistische Seite online. Das hat zur Gründung von Newsnet geführt, einem Vehikel, das querbeet Klicks sammelte und sich so zu einer für die Werbewirtschaft relevanten Grösse aufplusterte. Christoph Zimmer schreibt: «Newsnet ist in erster Linie die gemeinsame Marke gegenüber den Werbekundinnen und Werbekunden. Gegenüber den Leserinnen und Leser treten die Partner unter den Medienmarken baz.ch, bernerzeitung.ch, derbund.ch, tagesanzeiger.ch sowie 24heures.ch, lematin.ch und tdg.ch auf.»
Nun aber verlieren Zeitungen merklich Werbeanteile, das Geschäft spielt sich mehr und mehr online ab. Die Entwicklung zwingt die Verlage dazu, sich erneut Gedanken zu machen, wie die einzelnen Produkte online platziert werden könnten. Und auf dem Kalender steht schon 2012. Wer konnte auch ahnen, dass sich dieses Internet durchsetzt.