Wir zeigen's, wenn ihr schlaft
Das Schweizer Fernsehen kauft gute Serien ein – und zeigt sie dann, wenn niemand mehr zuschaut. Serienliebhaber werden so nicht bedient. Doch kann das Fernsehen echte Serienfans überhaupt noch bedienen?
In der Kategorie der besten Dramaserie gewann 2012 «Homeland» – sowohl bei der Verleihung der Emmys als auch der Golden Globes. Die erste Staffel der Serie soll im Frühjahr 2013 im deutschsprachigen Fernsehen zu sehen sein – die ProSiebenSat1-Gruppe hat sie eingekauft. Während in den USA bereits die zweite Staffel ausgestrahlt wird, muss man hierzulande also zuwarten. Nun ja, nicht ganz. Die SRG zeigt «Homeland» seit dem 23. September jeweils am Sonntagabend um 22:40 Uhr: Auf RTS Un, dem ersten Kanal der französischsprachigen Schweiz. Zudem sind auf RTS zu sehen: True Blood, Cougar Town, Hung und einige weitere Serien.
Hung? Das läuft doch auch bei SF2. Richtig, zuletzt in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober, um 1:15 Uhr. Gemessene Zuschauerzahl: 200. Marktanteil: 0,1 Prozent. Die durchaus unterhaltsame Serie läuft so unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gleiches gilt leider auch für das bereits auf Arte gezeigte, herausragende dänische Politdrama Borgen, das jeweils Montags um 23:45 Uhr auf SF1 läuft: lediglich 20.800 Zuschauer haben am 1. Oktober eingeschaltet, was einem Marktanteil von 6,2 Prozent entspricht. Wundern kann das niemand: Bewohner eines Lands mit einer Arbeitslosenquote von unter 3 Prozent und einem landläufigen Arbeitsbeginn um spätestens 7:30 Uhr können nicht um 1 Uhr nachts fernsehen.
Hung wird aus lizenzrechtlichen Gründen spätnachts wiederholt. In der Primetime werde halt «das Interesse eines viel breiter orientierten Publikums» bedient, schreibt der Programmleiter TV von SRF, Stefano Semeria, auf Anfrage: «Gleichwohl beobachten wir mit Begeisterung die sich immer weiter entwickelnde europäische Produktionslandschaft. Hier setzen wir darauf, dass in Zukunft auch qualitativ hochwertige serielle Stoffe zur Verfügung stehen, die wir zu einem früheren Zeitpunkt als in der Late Night präsentieren können.»
Es stellt sich allerdings die Frage, wie weit Serienfans überhaupt noch vom Fernsehen erreicht werden können. Serienkonsument Philippe Wampfler schreibt auf Anfrage: «Ich schaue mir generell keine Serien im Fernsehen an, weil ich keinen Fernseher mehr habe. Ich habe vor fünf Jahren aufgehört, Serien am Fernsehen zu schauen, weil ich damals alle Serien gratis und legal runterladen konnte und sie in HD auf dem Computer anschauen konnte. Das mache ich weiterhin.»
Die Vorteile des Serienkonsum per Stream oder DVD sind offenkundig, denn anders als vor dem Fernseher kann frei gewählt werden, wann geschaut wird und wieviele Folgen. Der Konsum kann jederzeit unterbrochen und nach Belieben wiederholt werden. Zwar ist eine Borgen-Folge jeweils eine Woche im Videoportal verfügbar, jedoch nicht in HD-Qualität, Präferenzen wie Originalsprache und Untertitel können nicht individuell eingestellt werden. Fans, denen das wichtig ist, könnte das Fernsehen wohl nur zufriedenstellen, in dem sie die Folgen maximal einen Tag nach der Ausstrahlung in den USA zeigt – was schon an der fehlenden Zeit für die Synchronisation scheitert. «Leute wie mich kann man nicht mehr an Bord holen», schreibt Wampfler weiter, der die Strategie von SRF «eigentlich recht überzeugend» findet: «Die grossen Kisten für das Massenpublikum, aber immer wieder auch anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Serien.»
Dass Serien auf SRF kaum wahrgenommen werden, liegt aber auch an der Kommunikation. Der Start einer Serie muss offensiv angekündigt werden, besonders dann, wenn die Folgen nicht in sich abgeschlossen sind. Man kann das auf der Website machen, mit Trailern und in Zusammenarbeit mit den Medien. Oder man schreibt darüber im hauseigenen Film- und Serienblog. Doch dort ist über Serien nur wenig zu erfahren, stattdessen bloggen SRF-Redaktoren willkürlich über allerlei Filmfestivals und Filme, die gar nicht auf SRF gezeigt werden. Auch wenn das den Redaktoren sicher Spass macht und sich womöglich der eine oder andere Filmfan für die Einträge begeistern lässt, laufen die Blogeinträge dem aktuellen Konzessionsauftrag entgegen, der programmbezogene Inhalte im Internet vorsieht (siehe dazu auch das MEDIENWOCHE-Interview mit Ruedi Matter vom 6. April 2011).
Nachtrag / Korrektur, 8. Oktober 2012, 16:20 Uhr: In einer früheren Version des Artikels hiess es, Borgen sei eine norwegische Serie. Tatsächlich ist Borgen eine dänische Serie, danke für den Hinweis von Manuel Meiendorf per Kommentar.
Nachtrag 2, 11. Oktober 2012, 12:15 Uhr: Das SRF-Film- und Serienblog hat reagiert und einen Blogeintrag zu unserem Beitrag geschrieben: «Von Serien und Blogs»
Jonas 08. Oktober 2012, 13:59
Ich schaue mir im TV nur noch Serien an, bei denen man auch die Einzelfolgen ohne Kenntnis der gesamten Geschichte schauen kann, sprich Dinge wie Criminal Minds, Monk etc. Den Rest wie Breaking Bad oder Dexter schaue ich nur noch per Stream und da bin ich dann meist auf US-Höhe was die Ausstrahlungen anbelangt. Der eine Grund ist, dass ich bei den Zeiten lieber flexibel bin, mir also gerne mal am Sonntagnachmittag eine anschaue oder auch um elf Uhr abends. Und wenn ich nicht mehr mag, drücke ich Stopp. Der zweite Grund: Immer wieder kam es vor, dass im deutschsprachigen TV tolle Serien (Bsp: Sopranos) einfach so abgesetzt oder auf unsägliche Zeiten verschoben wurden. Diese Gefahr gehe ich jetzt nicht mehr ein.
Ronnie Grob 08. Oktober 2012, 15:35
Sehe ich auch so. Wenn Serien, die nicht pro Folge abgeschlossen sind, im Fernsehen noch eine Chance haben wollen, dann müssen Sendezeit und Sendeplatz absolut unverrückbar sein, so wie der Tatort am Sonntagabend um 20.15 Uhr.
Manuel Meiendorf 08. Oktober 2012, 15:30
Borgen ist eine dänische Serie und lief schon vor längerem auf arte in der Prime Time
Ronnie Grob 08. Oktober 2012, 16:24
Danke für den Hinweis, der Fehler ist korrigiert, siehe den Nachtrag am Ende des Artikels.
Leo Nauber 15. Oktober 2012, 14:34
Wer Serien schaut macht sich abhängig. Das wird Sucht wie Alkohol, Nikotin etc. Und verplämpert seine wertvolle Zeit mit unnützen, seichten Unterhaltungen. Vergisst dabei persönliche, soziale Kontakte oder verpasst erholsamen Schlaf oder notwendige (Weiter)bildung oder mal ein gutes Essen….