Themen statt Sendungen im Zentrum
Auf der neuen Website von Schweizer Radio und Fernsehen SRF rücken die einzelnen Sendungen in den Hintergrund. Das Publikum soll sich ab Mitte Dezember in erster Linie anhand einer thematischen Gliederung orientieren. Auch die Social-Media-Aktivitäten werden entsprechend neu strukturiert. Mehrere Sendungen müssen ihre bisherigen Accounts schliessen.
Für einmal schlägt das Pendel in die andere Richtung aus: Bisher mussten Radio- und TV-Journalisten mit teils mühseliger Überzeugungsarbeit dazu motiviert werden, Twitter und Facebook doch zumindest einmal auszuprobieren. Jetzt lautet der Befehl von oben: Accounts schliessen. Mehrere Sendungen von Schweizer Radio und Fernsehen sind dazu angehalten, ihre aktuellen Social-Media-Aktivitäten demnächst einzustellen. Die strategische Neuausrichtung als konvergentes Medienunternehmen erfordert das; SRF ist jetzt ein «Branded House». Die neue Dachmarkenstrategie zeigt sich demnächst augenfällig an der neuen Online-Plattform srf.ch (siehe Bild rechts), wo die Inhalte von Radio und Fernsehen zusammengeführt werden. Mitte Dezember soll die Webseite für das Publikum geöffnet werden, seit ein paar Wochen wird sie intern getestet und fertig entwickelt.
Wichtigste Neuerung gegenüber dem bisherigen Auftritt ist die Ausrichtung auf sieben Hauptthemen als Orientierungs- und Einstiegshilfen, die da wären: News, Sport, Kultur, Unterhaltung, Konsum, Gesundheit, Wissen/Digital. An diesen Plattformen orientiert sich grundsätzlich auch die künftige Social-Media-Strategie: Auf Twitter wird SRF drei Haupt-Accounts unterhalten für die Bereiche News, Sport und Kultur. Unter @srfnews twittern dann sämtliche News-Sendungen gemeinsam. Die einzelnen Sendungen sind deshalb angehalten, ihre aktuellen Accounts und Aktivitäten einzustellen. Welche das genau sind, könne man heute noch nicht abschliessend sagen, heisst es bei SRF. Sehr wahrscheinlich betrifft es die Nachrichtensendungen «10 vor 10», Tagesschau sowie DRS 4 News. Mit diesem Schritt will SRF die Ressourcen optimaler nutzen. «Bis jetzt wurden beispielsweise bei einzelnen Informationssendungen in sehr unterschiedlichem Mass Ressourcen für Social Media Aktivitäten eingesetzt», teilt SRF-Kommunikationschefin Andrea Hemmi auf Anfrage mit.
Ob damit auch dem Informations- und Kommunikationsbedürfnis des Publikums Rechnung getragen wird, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Aufgrund der grossen Bekanntheit von Schweizer Radio und Fernsehen dürften die neuen Twitter- und Facebook-Accounts schnell auf grossen Zuspruch stossen. Ein Fragezeichen bleibt aber hinter der Dialogfreundlichkeit der neuen Lösung: Der einzelne Radiohörer und TV-Zuschauer identifiziert sich trotz Konvergenz und Dachmarkenstrategie weiterhin mit der einzelnen Sendung und möchte mit ihr über Social Media direkt in Kontakt treten können. Über den Umweg mit Hashtags (z.B. @srfnews #tagesschau) mag man sich das nicht so inspirierend vorstellen. SRF verteidigt das Vorgehen damit, dass man so «eine Bündelung des Diskurses» erreichen wolle. Das klingt zwar nach einem hehren Anliegen – Ordnung ins Internet bringen – wirkt aber eher so, als sei das Konzept am Reissbrett entstanden und nicht mit Rücksicht auf die gegenwärtige Praxis.
Ganz konsequent wird das neue Konzept allerdings nicht umgesetzt. Etliche Sendungen und Programme dürfen ihre bisherigen Aktivitäten in Social Media weiterführen. So etwa die Dokumentarfilmreihe DOK, die Spendensammelaktion «Jeder Rappen zählt», die People-Sendung «Glanz & Gloria» oder auch die Radio-Hitparade. Umso weniger verständlich ist es daher, wenn gut eingeführte Accounts die Segel streichen müssen.