Chefredaktorin trägt Verbot mit
Die Zeitschrift Annabelle darf sich nicht mehr aktiv in die Politik einmischen. Chefredaktorin Lisa Feldmann trägt das von Tamedia-Verleger Pietro Supino auferlegte Verbot aktiv mit. Sie sieht darin keinen Verrat an ihren bisherigen politisch-publizistischen Idealen.
Unter der Leitung von Lisa Feldmann mischte sich die Annabelle immer wieder aktiv in die Politik ein. Nicht nur mit Artikeln, auch mit Aktionen. Zahlreiche Forderungen brachte die Redaktion mit Mitteln aufs Tapet, die über den Journalismus hinausgingen. Am besten in Erinnerung bleibt die Petition «Keine Schusswaffen zu Hause», die in eine Volksinitiative mündete, die dann an der Urne keine Mehrheit fand.
Für den Verlag war das politische Engagement der Frauanzeitschrift lange Zeit kein Problem. So sagte Chefredaktorin Lisa Feldmann im August 2006: «Wir mussten niemanden um Erlaubnis bitten. Die Annabelle hat in den beinahe 70 Jahren ihres Bestehens traditionell immer wieder den Mund aufgemacht, wenn es etwas zu sagen gab.» Das ist nun Geschichte. Als die Annabelle im letzten Jahr ein weiteres Mal den Mund aufmachte und nach Frauenquoten in den Führungsetagen rief, sollte dies die letzte Kampagne dieser Art gewesen sein. Für die Frauenzeitschrift und auch für alle anderen Tamedia-Titel, gilt künftig ein Kampagnenverbot. Und Annabelle-Chefredaktorin Feldmann trägt diesen Entscheid aktiv mit.
In einer Hausmitteilung hält sie gemeinsam mit Tamedia-Verleger Pietro Supino fest: «Kampagnen welcher Art auch immer hingegen passen nicht zu diesem klassischen Verständnis von Journalismus bei Tamedia. Denn es geht im Journalismus nicht darum, eigene politische Vorstellungen zu verfolgen und die Meinung des Publikums zu steuern, sondern das Ziel der redaktionellen Arbeit ist Information und Orientierung, damit die Leserinnen und Leser sich ihre eigene Meinung bilden können.»
Einen Verrat an ihrem bisherigen Engagement sieht Feldmann mit der Unterstützung des Kampagnenverbots nicht. So stehe sie bis heute zur Schusswaffen-Petition. «Aber ich respektiere die Entscheidung unseres Verlegers.» Überhaupt hält sie diese Kampagnen für überbewertet. Sie sei «schon ein wenig beleidigt» wenn ihre Zeit als Chefredaktorin der Annabelle auf die paar wenigen Aktionen reduziert würden. Ausserdem dürfe man dieses Verbot nicht überbewerten: «So richtig an die Substanz der Annabelle geht das nicht», schreibt Feldmann auf Anfrage der MEDIENWOCHE.
Gemäss Darstellung der NZZ am Sonntag war es die letztjährige Annabelle-Kampagne für eine Frauenquote, die dem Tamedia-Verleger Anlass bot, seinen Medien Mässigung im politischen Auftritt aufzuerlegen. «Herr Supino hat unser Engagement für die Frauenquote nicht gerne gesehen», zitierte die NZZ am Sonntag Lisa Feldmann. Am liebsten hätte er die Kampagne, die in der Ausgabe von letzten Oktober erschien, ganz abgesagt. Daraufhin gab es offenbar eine Aussprache zwischen Feldmann und Supino. Mit dem Ergebnis, dass Feldmann nun die Position des Verlegers unterstützt und sie auch gegen aussen vertritt.
Im Artikel der NZZ am Sonntag wurde zudem die Kündigung Feldmanns als Annabelle-Chefredaktorin per Ende August dieses Jahres als Folge dieser Vorgänge dargestellt. Feldmann verneint einen Zusammenhang und nennt das attraktive Angebot, die Leitung der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins «Interview» zu übernehmen, als Grund für ihren Abgang.
Fred David 06. März 2013, 17:12
Wann ist eine „Kampagne“ eine Kampagne und wer definiert das?
Nick Lüthi 06. März 2013, 17:33
Das ist das Perfide. Es gibt nun eine unsichtbare rote Linie, die zu übertreten verboten ist: Deshalb lieber gleich sein lassen.
Fred David 06. März 2013, 22:43
Ist es eine Kampagne, wenn in mehreren Artikeln masslos überzogene Managerbezüge als masslos überzogene Managerbezüge dargestellt werden? Oder wenn der nach wie vor existierenden Schwarzgeldsumpf immer wieder thematisiert wird?
Dem Dekret des VR-Präsidenten zufolge sind das Kampagnen, die zu unterlassen sind.
Ich denke, daran wird langsam die quasi-monopolartige Entwicklung von Tamedia erkennbar. Um dies zu verschleiern, wird eine künstliche Ausgewogenheit immer stärker betont. Der „Tagesanzeiger“ darf/soll/muss ein bisschen mehr links sein , die „Sonntagszeitung“ ein bisschen mehr rechts usw.- ein permanentes Ausbalancieren von oben.
Dass Medien dadurch spannender werden, bezweifle ich. Und dass dadurch die Meinungsbildung von Lesern und Usern gestärkt wird, ebenfalls. Die Folge könnte längerfristig eher ein undefinierbarer Mischmasch sein, der niemandem mehr so richtig schmeckt.
Die Gefahr besteht, dass sich der Journalismus von oben entmündigen lässt.
Claude Bürki 12. März 2013, 08:15
Naja, so ein kleiner Gesinnungswandel… Man (frau) darf sich doch wohl noch verbiegen lassen!