von Markus Knöpfli

Mit weniger Skrupel zurück zum Monopol

Will Publicitas-CEO Alain D. Bandle seine Strategie erfolgreich umsetzen, braucht er einen Investor, der ihm den Rücken freihält. Das hat auch der Publigroupe-Verwaltungsrat erkannt. Darum hat er sein Kerngeschäft an die deutsche Aurelius verkauft.

Dass die Publigroupe mit der Publicitas ihr Kerngeschäft und damit rund die Hälfte des Umsatzes verkauft, ist nicht wirklich überraschend. Überraschender ist die Käuferin, die hierzulande kaum bekannte deutsche Beteiligungsgesellschaft Aurelius. Das an der Münchner Börse kotierte Unternehmen hat 18 Firmen im Portfolio, vom deutschen Spirituosenhersteller Berentzen über Calachem, eine schottische Chemiefirma, bis hin zur Schüler-Nachhilfe-Organisation Studienkreis. Auch in der Schweiz ist Aurelius tätig: 2008 übernahm sie von Sunrise den Systemintegrator Connectis. Beteiligungen im Medienbereich führte Aurelius bisher aber nicht.

Auch eilt den Münchnern nicht der beste Ruf voraus. Verschiedene deutsche Medien bezeichnen den Finanzinvestor als «Heuschrecke». So wies der «Spiegel» schon 2010 darauf hin, dass Aurelius beim Elektronikhersteller Blaupunkt oder beim Wohnmobil-Unternehmen Westfalia nicht eben erfolgreich agiert habe. «Blaupunkt wurde zerschlagen, Westfalia musste Insolvenz anmelden», schrieb das Magazin.

Aurelius kennt weniger Hemmungen
Was also können die Investoren, die erst seit 2006 existieren, nun bei Publicitas besser machen als die Publigroupe mit ihrer bald 125jährigen Erfahrung in der Schweizer Medienbranche? Eine neue Strategie haben die Münchner am Dienstag jedenfalls nicht präsentiert. Publicitas stehe «für eine zunehmend automatisierte Planung, Buchung und Abwicklung von Werbung in allen Mediagattungen», liess Aurelius verlauten und bestätigte damit den Weg, den der vor einem Jahr ernannte Publicitas-CEO Alain D. Bandle eingeschlagen hatte. Für die definitive Umsetzung dieser Strategie hat er sich kürzlich «18 bis 24 Monate» Zeit erbeten.

Unabhängig davon, ob die Strategie dereinst auch aufgehen wird – manches deutet darauf hin, dass Bandle, der über internationale Erfahrungen verfügt und nicht aus dem Schweizer Medienkuchen stammt, gerne mehr Gas geben würde, jedoch vom Publigroupe-Verwaltungsrat gebremst wurde. So gestand Hanspeter Rohner, Verwaltungsratspräsident von Publigroupe, gegenüber der SDA ein, es gebe derzeit für Publicitas «bessere Eigentümer als die Publigroupe mit ihrer bisweilen zu engen Verbindung mit den Printmedien.» Und im Echo der Zeit von Radio SRF sagte Donatus Albrecht, Vorstandsmitglied bei Aurelius, ganz unverhohlen, die Münchner seien «weniger von Emotionen und alten Verbindungen geleitet, so dass einige, vielleicht auch härtere Entscheidungen gefällt werden können.»

Kurz: Mit Aurelius hat Bandle nun einen Besitzer im Rücken, der ebenfalls aufs Gaspedal drücken kann und keine Berührungsängste und Skrupel kennt, wenn es darum geht, unpopuläre Entscheide zu treffen. Je rascher der automatisierte Werbemarktplatz Wirklichkeit wird, desto schneller werden bei Publicitas weitere der noch bestehenden 860 Arbeitsstellen obsolet.

Nach wie vor ein bedeutender Player
Aber nicht nur die «P»-Mitarbeitenden, auch die Schweizer Medien, insbesondere die Verleger, werden sich wärmer anziehen müssen. Denn Publicitas hat – trotz roter Zahlen – in der Schweiz nach wie vor eine grosse Bedeutung in der Vermittlung von Werberaum, mit Marktanteilen von 50% bei Print, 75% beim Kino und 5% bei Magazinen und Online. Insgesamt entspricht dies gemäss Bandle einem Marktanteil von 20%. Kein Wunder, behielten gut 3500 Medien eine vertragliche Beziehung mit diesem Zusatzkanal aufrecht – auch wegen der 50’000 Beziehungen zu Agenturen und Werbeauftraggebern, die Publicitas weltweit unterhält.

Ein Sog, der alle erfassen wird
Diese Stärken kann Aurelius nun skrupelloser einsetzen – oder mit Traditionen brechen. Bandle, der schon bei seinem ersten Auftritt vor neun Monaten kein Blatt vor den Mund nahm, hat jedenfalls bereits ein neues Tarifsystem für die Tools und Leistungen von Publicitas angekündigt. Billiger dürften diese angesichts der hohen IT-Investitionen kaum werden – notabene auch für die Agenturen und Kunden nicht.

Denn die Idee hinter Bandles Marktplatzkonzept ist folgende: Die neue medienübergreifende und automatisierte Plattform soll es den Werbeauftraggebern und Agenturen wesentlich erleichtern, ihre Kampagnen in den unterschiedlichsten Medien zu buchen. Deshalb werden sie interessiert sein, ihre Kampagnen und Gelder dort zu platzieren. Damit entsteht auf der anderen Seite eine Nachfrage nach Werbeplätzen in den Medien. Und diesem Sog werden sich die Medieninhaber nicht entziehen können. Anders gesagt: Bandle geht davon aus, dass über kurz oder lang (fast) alle Schweizer Medienanbieter – egal ob Tamedia oder Goldbach, APG oder Kinos – ihr Inventar auf dem neuen Marktplatz anbieten werden, ja, müssen.

Der Traum vom Comeback
Angeblich funktioniert diese Idee, die vielerorts belächelt wird, bereits in Ansätzen. Gemäss Bandle hat Publicitas schon heute einige Nicht-Print-Kunden, die ihren Werberaum auf dem neuen Marktplatz anbieten: Das neue Deutschschweizer Privat-TV S1 und TeleTicino, im Ausland CBS und bald Al Jazeera. Und bei der Aussenwerbung vermarkte Publicitas die Plakatstellen von Clear Channel in Europa. Auch mit führenden Plakatanbietern in Deutschland sei man im Gespräch. Klar ist: Publicitas plant ein Comeback als Monopolist – diesmal in der neuen Funktion als Marktplatzanbieter. Aurelius wird diese Rolle zweifellos nach Kräften fördern.