Medienseuche Ebola
Seit Wochen beherrscht auch hierzulande die Angst vor der Fieberkrankheit Ebola die Schlagzeilen. Dafür gibt es gute Gründe. Unser Autor mag das Thema dennoch nicht mehr hören – weil das wahre Problem damit in den Hintergrund rückt.
Ich war gerade gerade zwei Wochen in den Ferien und habe meinen Medienkonsum während dieser Zeit drastisch reduziert. «Bund warnt vor Besuch von Verwandten aus Westafrika», lautete die letzte Schlagzeile, die ich las, bevor ich in das Flugzeug einstieg. Als ich nach zehn Tagen wieder einmal ein paar E-Paper auf mein iPad lud, hiess es: «Spitäler bereiten sich auf Ebola vor».
Allein zwischen dem 1. und dem 18. Oktober wurden gemäss SMD 1317 Artikel über Ebola veröffentlicht, vermutlich ähnlich viele Beiträge flimmerten über die Bildschirme oder liefen am Radio. Wenn man den Suchkreis aufs letzte halbe Jahr erweitert, spuckt die SMD sogar fast 4000 Artikel aus. Auch ich habe über das Thema geschrieben, zum Beispiel am 6. August dieses Jahres. Titel: «Muss sich die Schweiz vor dem Fieber fürchten?» Die Fragestellung war keineswegs bahnbrechend, ich bediente mich bei der Recherche bei mehreren Artikeln, die zuvor mit dem praktisch gleichen Ansatz geschrieben wurden. Schon damals begleitete mich ein leises schlechtes Gewissen, den Lesern ja eigentlich gar nichts Neues zu liefern. Aber das Erklärungsstück passte inhaltlich gut zum ganzen Informationspaket.
Seither sind mehrere Monate vergangen, das Fieber ist immer noch nicht im Griff und es sind erste Fälle von Ebola-Erkrankungen in der westlichen Welt aufgetreten, wie es schon früh prognostiziert wurde. Das ist für die Betroffenen schlimm und die Behörden tun gut daran, die Sache ernstzunehmen – was sie es in unseren Breitengraden in aller Regel auch tun. Wir können froh sein, dass unsere Spitäler entsprechende Vorkehrungen getroffen haben. Auf den Online-Portalen werden Artikel über Ebola gut gelesen. Ökonomisch ist es entsprechend verständlich, auch in den gedruckten Zeitungen auf das Thema zu setzen. Nur wird damit eine diffuse Angst geschürt, die jeglicher rationaler Grundlage entbehrt.
Kaum jemand kommt in seinem Leben je in Kontakt mit einem Ebola-Patienten, geschweige denn mit dessen Ausscheidungen. Wer jedoch Angst hat, möchte so viel wie möglich über die Gefahr wissen – und liest entsprechend auch den tausendsten Artikel dazu. Den Vogel abgeschossen hat ausgerechnet eine amerikanische Journalismus-Schule: Sie lud einen Gastdozenten und Pulitzerpreisträger wieder aus, weil sich dieser für seine Fotoreportage über Ebola nach Liberia begeben hatte.
Persönlich bin ich des Themas je länger, je mehr überdrüssig. Sars, Vogel- und Schweinegrippe lassen grüssen – der Erkenntnisgewinn jedes weiteren Artikels hält sich in Grenzen. Vor allem aber droht in der Medienhysterie der westlichen Welt unterzugehen, dass das Fieber in den betroffenen Ländern katastrophale Auswirkungen hat – und nicht in Westeuropa.
Mit der irrationalen Angst einer Ansteckung vernebelt sich bei uns der Blick für das wahre Problem in den von Ebola gebeutelten Staaten. Wer sich selbst als potenzielles Opfer der Seuche sieht, ist weniger bereit, finanzielle und logistische Hilfe zu leisten. Dies zeigt sich beispielsweise in den Kommentarspalten zum geplanten (und sinnvollen) Einsatz der Schweizer Armee in Westafrika: Zahlreiche Schreibende halten aus Sorge um das Wohl unserer Militärangehörigen wenig bis nichts davon – obwohl das VBS alles Menschenmögliche unternehmen wird, damit sich diese nicht mit Ebola infizieren.
Für einmal spricht mir deshalb ein satirischer Artikel aus dem Herzen: «Erste Schweizerin an Angst vor Ebola gestorben», titelte «Der Enthüller» von Watson diese Woche. Die 67-jährige Rosmarie M. aus Bern habe sich «mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die derzeit grassierende mediale Berichterstattung infiziert», heisst es. Manchmal steckt in der Satire mehr als nur ein Funke Wahrheit.
Thomas Aerni 21. Oktober 2014, 18:14
Ebola hier, Ebola da. Es ist ein sich selbst alimentierender Kreis. Die Medien bewirtschaften eine Angst, die sie danach zur Auflagensteigerung ausnützen. Erstaunt das irgendjemand?