Für Partei und Vaterland
Wie jede Partei besitzt die Schweizerische Volkspartei SVP eigene Parteizeitungen auf nationaler und kantonaler Ebene – die sich anders als Basler Zeitung und die Weltwoche unverblümt der politischen Werbung widmen. Wer sind ihre Macher? Und wie werden sie finanziert? Ein Blick auf die SVP-Parteipresse.
«Die Medien berichten gerne über Personalien und Befindlichkeiten, aber die Ziele, Aktivitäten und Erfolge unserer Partei werden häufig verschwiegen.»
SVP-Präsident Toni Brunner im «Extrablatt» von November 2012.
Die Basler Zeitung und auch die Weltwoche werden von Kritikern oft als «SVP-Parteiblatt» bezeichnet. Eine gewollte Übertreibung: Bei aller Nähe zur SVP-Politik ist keine dieser Publikationen ein reines Propaganda-Organ. Die wirklichen SVP-Parteiblätter sind als solche deklariert: SVP Klartext auf nationaler Ebene, der Zürcher Bote im Kanton Zürich und, bei wichtigen Abstimmungen, das Extrablatt mit seiner gigantischen Auflage von fast vier Millionen. Vom 2007 angekündigten Projekt einer eigenen SVP-Tageszeitung hat man dagegen seither nichts mehr gehört. Wenngleich die Lektüre der SVP-Parteipublikationen wenig überrascht, ist ein genauerer Blick auf ihren Aufbau und ihre Organisation aufschlussreich – sind sie doch die unverblümtesten Publikationen der «Blocher-Presse».
SVP Klartext: Parolen und Patriotismus
SVP-Klartext, die nationale Parteizeitung der SVP, erscheint monatlich in einer Auflage von 55 000 Exemplaren (dazu 5000 Exemplare der französischsprachigen Ausgabe Franc-Parler). Die Abonnenten der Parteizeitung sind laut Silvia Bär vom SVP-Generalsekretariat grösstenteils Mitglieder, aber auch Sympathisanten der Partei. SVP-Klartext wird, so Bär, durch eine eigene Stiftung über Abos und Inserate finanziert. Wie es bei einer Parteizeitung üblich ist, enthält sie ein Editorial des Parteipräsidenten, Abstimmungsparolen sowie Artikel von und Interviews mit Parteipolitikern.
Seinem Namen wird der «Klartext» gerecht: Die Texte sind kurz, die Rhetorik ist jene, die man von der SVP gewohnt ist. Da geht es um «fremde Richter», um «Bürger» oder «Büezer», die um ihre Steuergelder betrogen werden, um den «schleichenden EU-Beitritt» und um eine «griffige Ausländerpolitik», um die «islamistische Bedrohung» und um die «Stärkung der Schweizer Identität». Der Fokus ist jeweils auf den aktuellen Abstimmungen: In der Novemberausgabe verteidigt Gregor Rutz die Pauschalbesteuerung, Adrian Amstutz erklärt, weshalb Ecopop «der falsche Weg» ist und Christoph Mörgeli erläutert händeringend das knappe Nein des Vorstands zur Gold-Initiative. Vor Abstimmungen zeigt die Titelseite einen Stimmzettel mit den von der Partei bestimmten Parolen.
Häufig werden im «Klartext» Reden von Christoph Blocher sowie Interviews mit ihm abgedruckt. Auch der Weltwoche-Mitarbeiter und Nationalrat Peter Keller war in der Februar-Ausgabe vertreten – mit einem Aufruf zur «patriotischen Aufrüstung». Redaktor des SVP-Klartext ist Kevin Crausaz, der auch für den Internetauftritt der Partei zuständig ist.
Der Zürcher Bote: «einmalig im Schweizer Parteiwesen»
Der Zürcher Bote, laut Untertitel eine «Wochenzeitung für den Mittelstand», ist das offizielle Publikationsorgan der einflussreichen Zürcher Kantonalsektion der SVP. Laut der Website ist das Blatt «ein unverzichtbares Informationsmittel für alle Mitglieder (…), deshalb sehen es die kantonalen Statuten vor, dass jedes Mitglied entweder den Zürcher Boten (Jahresabonnement Franken 49.15) oder den Zürcher Bauer (Franken 64.50) abonniert.» Die Redaktion des Zürcher Boten setzt sich zusammen aus Reinhard Wegelin (ehemals Schweizerzeit und Politik.ch) und Christoph Bähler. Wie Wegelin auf Anfrage erklärt, erscheint der Zürcher Bote/Zürcher Bauer in einer Gesamtauflage von 11 000 Exemplaren; er sei eine «einmalige Publikation im Schweizer Parteiwesen» und existiere unter verschiedenen Titeln seit 1919. Die Artikel im Zürcher Boten – etwas ausführlicher als im Klartext – stammen von der gesammelten nationalen und kantonalen Parteiprominenz.
«Blocher-Medien»
– und wer gehört dazu? Retten sie den Journalismus oder schaffen sie ihn ab, geht es um Information oder Propaganda? Die MEDIENWOCHE beleuchtet in einer Serie Persönlichkeiten und Medien, die in einer Beziehung mit dem Politiker und Unternehmer Christoph Blocher stehen.
Ein typisches Beispiel ist die Ausgabe vom 31. Oktober: «Wollen wir zulassen, dass die Classe politique Freiheit und Wohlfahrt zu Grunde richtet?» fragt Christoph Blocher. «Nein zur Billag-Mediensteuer», ruft Natalie Rickli. «Nach der Eritreer- auch noch die Roma-Invasion?» orakelt Hans Fehr – die Angst vor Flüchtlingswellen ist momentan das Lieblingsthema der SVP-Presse. Auch Toni Bortoluzzi, Alfred Heer, Gregor Rutz und Toni Brunner veröffentlichen regelmässig Artikel. Interessanterweise wird auf Seite 2 jeweils Christoph Mörgelis Kolumne aus der Weltwoche nachgedruckt – da der Zürcher Bote freitags erscheint, immer zwei Tage nach dem Erstabdruck. Ein bisschen Meinungspluralismus existiert aber sogar im Zürcher Boten. In der Ausgabe vom 7. November setzt sich ein Leserbriefschreiber für die Ecopop-Initiative ein – gegen die Parteilinie, welche Natalie Rickli zuvor in einem grossen Artikel verteidigt hatte.
«Extrablatt»: «politische Information» für alle Haushalte
Im November 2012 publizierte die SVP erstmals ein «Extrablatt der Schweizerischen Volkspartei», um, wie Präsident Toni Brunner im Editorial darlegte, der «zunehmenden Konzentration im Bereich der Printmedien» entgegenzuwirken, in denen die SVP «öfter verzerrt und auch einseitig dargestellt» würde – die alte Klage der SVP, die aufgrund der eigenen Medienmacht zunehmend unglaubwürdig erscheint. Seither ist das «Extrablatt» weiter dreimal vor wichtigen Volksabstimmungen erschienen: Im Februar 2013 mit Fokus auf der Abstimmung zum Familienpolitik-Artikel (inklusive «Gastkommentar» von Markus Somm!), im Mai 2013 zur Abstimmung über die Volkswahl des Bundesrates und im Januar 2014 zur Masseneinwanderungsinitiative. Wurde die erste Ausgabe noch in der seither geschlossenen BaZ-Druckerei gedruckt, so hat unterdessen das Zürcher Tamedia-Druckzentrum diesen Grossauftrag übernommen.
Im Impressum der 16- bis 22-seitigen Publikation heisst es: «Bei dieser Zeitung handelt es sich weder um Werbung noch um Reklame, sondern um eine politische Information. Darum darf sie auch in jene Briefkästen verteilt werden, auf denen sich ein Stopp-Kleber befindet.» Wobei man die «Information» in diesem Fall getrost im Sinn von politischer Werbung verstehen darf, enthält das Extrablatt doch wie die anderen Parteipublikationen kurze, prägnante Artikel und Statements von prominenten SVP-Politikern und Sympathisanten, dazu Grafiken im gewohnten rot-schwarz-reisserischen Stil der Abstimmungsplakate.
Das «Extrablatt» erscheint in allen drei Landessprachen mit einer Gesamtauflage von rund vier Millionen – es soll also praktisch jeder Schweizer Haushalt ein Exemplar erhalten. Eine derart hohe Auflage kann oder will sich offenbar keine andere Schweizer Partei leisten. Laut der stellvertretenden SVP-Generalsekretärin Silvia Bär kostet eine Ausgabe denn auch knapp eine Million Franken. Auf Anfrage erklärt Bär, das «Extrablatt» würde aus der regulären Parteikasse sowie durch zusätzliche Spendengelder von Privaten und Unternehmern finanziert. Dazu zählt wohl auch der Milliardär Blocher – wenngleich Bär diesen Namen nicht bestätigt.
Fazit
Es besteht ein klarer Unterschied zwischen der reinen Politpropaganda der offiziellen SVP-Parteizeitungen und der SVP-nahen redaktionellen Linie von Basler Zeitung und Weltwoche, die Gegenmeinungen nie komplett ausschliessen. Eine gewisse Vermischung von Parteipropaganda und «parteiunabhängigen» «Blocher-Medien» lässt sich aber nicht bestreiten – etwa wenn Markus Somm im «Extrablatt» einen Kommentar platziert, wenn Christoph Mörgelis Weltwoche-Kolumne auch im Zürcher Boten veröffentlicht wird, oder wenn Nationalrat Keller sowohl für die Weltwoche als auch für den SVP-Klartext schreibt. Erst recht gilt dies für die offiziell unabhängige Schweizerzeit (mehr dazu in einem weiteren Teil unserer Serie), in der ein Grossteil der Artikel von SVP-Politikern stammt und deren früherer Redakteur Reinhard Wegelin heute den Zürcher Boten betreut.
Übersicht der Serie zu den «Blocher-Medien»:
1. Teil: Schlachtplan Zufall
2. Teil: Unter dem Guru von Herrliberg
3. Teil: Der Provokateur
4. Teil: Es braucht wieder Fakten
5. Teil: Politiker der Redaktion
6. Teil: Für Partei und Vaterland
7. Teil: Sicherheit in Statistiken
8. Teil: Sie sind klein und sie sind überall
Martin Steiger 19. November 2014, 14:20
Reinhard Wegelin und Christoph Bähler sind übrigens schlicht und einfach die Parteisekretäre der SVP des Kantons Zürich:
http://www.svp-zuerich.ch/kontakt/sekretariat/