«Leicht verdientes Geld»
Eine Studentin und ihr Umfeld bewahren während eines Alarms im Zürcher Toni-Areal die Ruhe und teilen das einer «Blick»-Journalistin auch genau so mit. Doch diese fantasiert Ängste herbei. Für ein Foto, das Studenten zeigt, wie sie unter den Tischen sitzen, würde sie sogar 100 Franken bezahlen.
Heute morgen waren Teile von Zürich etwas in Aufruhr. Ein Alarm, den Medien zunächst Bombenalarm, dann Amokalarm und schliesslich Fehlalarm nannten, führte dazu, dass einige Studenten für einige Stunden in der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) im Toni-Areal ausharren mussten. Per E-Mail und per Lautsprecherdurchsage wurden sie dazu aufgefordert, die Räume nicht zu verlassen.
Um herauszufinden und zu berichten, was passiert, nahm Blick.ch um 10:15 Uhr via Facebook zur eingeschlossenen Studentin Alice Kontakt auf. Es entwickelte sich ein Chat, welcher MEDIENWOCHE in voller Länge vorliegt und den wir vergleichen möchten mit dem daraus resultierenden Artikel von Blick.ch. Die Studentin hat nur auf diesem einen Kanal mit der «Blick»-Journalistin kommuniziert, eine vorherige Bekanntschaft gab es nicht.
Lesen wir zunächst, was Alice antwortet auf die Frage, wie die Stimmung ist in der ungewissen Zwangslage:
Die «Blick»-Journalistin gibt das schriftliche Zitat in ihrem Artikel so wieder:
«Noch sind alle sehr locker. Wir versuchen uns abzulenken, bis wir mehr Informationen kriegen», so Alice kurz nach dem Alarm.
Alice nimmt es wirklich ziemlich easy, und ihr Umfeld offenbar auch:
«Doch etwas Angst schwebe schon im Raum», glaubt Blick.ch aus den Aussagen von Alice herauszulesen, und fragt gleich mal direkt:
Alice antwortet im Konjunktiv:
Bei Blick.ch klingt das dann so:
Während in der Werkstatt die Stimmung noch relativ ruhig sei, sei sie in anderen Räumen angstgeladen. «Dort harren die Studenten unter den Tischen aus und warten auf weitere Informationen.» Sie habe selbst Angst, Schüsse zu hören, so Alice in den ungewissen Minuten. «Dann würde ich definitiv auch unter den Tisch kriechen.»
Ausserdem gab es von Seiten der «Blick»-Journalistin ein gewisses Interesse an Fotos:
10:25 Uhr: könntest du mir ein foto von euch schicken?
10:28 Uhr: dürfen wir dein foto nicht doch verwenden? siehst toll darauf aus.
10:29 Uhr: dann schick mir doch bitte ein anderes. du bist so hübsch, das würde voll ziehen bei uns 🙂
10:32 Uhr: und vielleicht ein foto von euch studenten? auch ruhig von hinten, wie ihr in der werkstatt seid?
10:39 Uhr: am besten wäre ein foto, wo ihr unter den tischen hockt.
10:56 Uhr: muss dich nochmals wegen der bilder fragen: vielleicht will jemand aus einem anderen zimmer eins schicken?
10:58 Uhr: he, nicht über twitter sagen, wie viel wir für bilder zahlen!
11:04 Uhr: im gegenzug kannst du uns ja jetzt vielleicht ein foto besorgen.
Der Chat endet um 12:09 Uhr. Alice schreibt uns, es habe sich diesmal zwar um einen Fehlalarm gehandelt, es sei aber ja nicht so, als würde «Blick» in einem Ernstfall taktvoller vorgehen: «Amokläufe sind ja an und für sich dramatisch genug, da muss man nicht noch mehr draufhauen. Vielleicht ist es naiv von mir zu glauben, die Medien sollten von Fakten berichten, und nicht die Situation soweit verzerren, bis sie auf die Story passt, die sie gerne erzählen würden.»
Im Blogbeitrag «Amok-Alarm im Toni-Areal und die Vorgehensweisen der Medien» beschäftigt sich auch Michael Eugster mit dem Verhalten der Medien in diesem Fall.
Michi 05. Dezember 2014, 15:50
Traurig an der Geschichte ist, dass es gar nicht mehr überrascht, so etwas zu erfahren…
Und dann noch reklamieren, wenn das Angebot auf Twitter publik wird. Fehlt nur noch, dass auch Herr Grob von Ringier Post erhält, in der ihm „schlechter Stil“ vorgeworfen wird (ausschliessen würde ich es nicht)…
Philipp 06. Dezember 2014, 15:51
Die hässliche Seite des Journalismus, mal wieder.
Ernst Jacob 06. Dezember 2014, 18:30
Aber die, die die Kohle reinbringt. Geil muss es tönen, da kribbelt’s mehr…
Uralte Praxis, auch wenn immer versucht wird, es schön zu schnorren.