von Paul Fischer

Zeitungsdruck: Ideenlose Grossverlage

Wenn sogar Schwergewichte wie die NZZ ihre Zeitungsdruckerei schliessen, dann scheint der Niedergang von Print unaufhaltsam. Doch so einfach ist es nicht. Es gibt auch Unternehmen, die nach innovativen Lösungen suchen und ihre Druckereien digital umbauen, um ihre Anlagen für neue Printprodukte auszulegen. So etwa in Visp bei der Mengis Druck AG.

Wer wissen will, wie sich die Druckbranche verändert, muss sich unbedingt zwei aktuelle Brennpunkte des Geschehens näher anschauen. Der eine ist Schlieren, genauer gesagt die für Mitte 2015 vorgesehene Schliessung des Zeitungsdruckzentrums der NZZ, welche nach einem Konsultationsverfahren definitiv bestätigt wurde. Parallel dazu verkündete die Mengis Druck aus Visp, ab Sommer 2015 ihre Tageszeitung «Walliser Bote» mit einer Auflage von immerhin über 30 000 Exemplaren nicht mehr auf einer Offset-Zeitungsrotation, sondern auf einem digitalen Rollensystem herzustellen.

Unabhängigkeit geht vor
Beide Beispiele zeigen auf, dass betriebswirtschaftliche Zahlen alleine bei solch grundlegenden Richtungsentscheiden nicht das absolut entscheidende Kriterium sind. Auch wenn es und die jeweiligen Verantwortlichen mit intelligenten Worthülsen glauben machen wollen. Wäre es wirklich rein nach den Zahlen gegangen, dann hätte man sich auch in Visp vom eigenen Zeitungsdruck trennen müssen. Gemäss im Markt herumgeisternden Informationen haben grosse Zeitungsdruckereien den Wallisern Angebote vorgelegt, denen man eigentlich nicht widerstehen konnte. Doch der Familie Mengis war die eigene Unabhängigkeit im Druckbereich, und die Möglichkeit mit Digitaldruck und entsprechender Weiterverarbeitung neue Geschäftsmodelle aufzuziehen, etwas wert.

Der NZZ-Führungsspitze war diese Unabhängigkeit hingegen nicht (mehr) viel wert. Die detaillierte Antwort im Rahmen des Konsultationsverfahrens zeigt dies deutlich auf. In dem Bericht werden zwei Zeitungsdruckzentren, Tamedia-Bubenberg und NZZ-Schlieren, beschrieben, welche angesichts der Auflagenrückgänge suboptimal ausgelastet sind. Die Situation soll sich in den nächsten Jahren noch dramatisch zuspitzen: 2016 dürfte im Bubenberg nicht viel mehr Zeitungspapier verdruckt werden als 2014. Dies dann aber zusammen mit den Titeln der NZZ-Gruppe!

Angesichts solcher Aussichten ist es nachvollziehbar, warum eines der beiden grossen Zürcher Zeitungsdruckzentren geschlossen wird. Einen Beigeschmack hat es aber schon. Zwar sind die Stückkosten der Tamedia-Zeitungsdruckerei deutlich tiefer als die von Schlieren, doch der Bericht zeigt eine schlichte Wahrheit auf: Die Tamedia AG kämpfte für den Erhalt ihres Zeitungsdruckzentrums, während bei der NZZ von Anfang an auf die Exit-Lösung hin gearbeitet wurde (unter fast völliger Ausklammerung der direkt Betroffenen), weil, wie es schön beschrieben wird: «Das Kerngeschäft der NZZ ist nicht das Zeitungsdrucken, sondern das Zeitungsmachen.»

Anpassung an einen schrumpfenden Markt
Visp und Schlieren zeigen aber noch was anderes auf: Die grossen Zeitungsverlage der Schweiz sind, was die Weiterentwicklung und mögliche Mehrwerte ihrer Printprodukte betrifft, ziemlich ideenlos. Hier geht es praktisch nur noch um die Anpassung an einen schrumpfenden Markt. Bei der Mengis Druck AG hingegen hat man nun den Weg der Innovation gewählt. Die Anlage, bestehend aus einer HP T400 Color-Inkjetrollenmaschine, Manroland Web Systems Fold Line und einem Alphaliner von Müller Martini, ist nicht nur eine 1:1-Ersatzinves­ti­tion für eine bestehende Zeitungsoffsetmaschine, sondern ermöglicht völlig andersartige Printprodukte und damit das Erschliessen neuer Märkte.

Die Investition in Visp ist, ohne pathetisch zu werden, ein Wendepunkt, eine Revolution. Die Zeitungshäuser der Welt werden mit Argusaugen ins Wallis schauen. Zu Recht. «Der Druck ist langfristig tot» oder «Lang lebe der Druck»? In diesem Spannungsfeld wird sich die printmedienverarbeitende Branche weiterentwickeln.

Dieser Artikel wurde zuerst als Editorial in der Fachzeitschrift «viscom – print & communication» Nr. 3/4 2015 veröffentlicht

Leserbeiträge

Ueli Custer 23. Februar 2015, 14:30

Der Beitrag blendet schlicht aus, dass beim Zeitungsdruck auf Grund des engen Zeitkorsetts die geografische Lage eine entscheidende Rolle spielt. Und da hat die NZZ eine moderne Druckerei in nächster Nähe und Mengis eben nicht. Die im 24-Stundenvergleich sowieso eher schlechte Auslastung von Zeitungsrotationen ist ja notorisch bekannt. Da macht es wirklich kaum Sinn, dreistellige Millionenbeträge zu verlochen. Dieses Geld investiert man wirklich besser in die Zukunft einer potenten Redaktion. Und abgesehen davon: Ob die Inkjet-Rollenmaschine für eine viermal grössere Druckauflage als beim Walliser Boten eine taugliche Lösung wäre, müsste dann auch noch zuerst abgeklärt werden. Der Druck ist und bleibt ein Mittel zum Zweck zur Verbreitung von redaktionellen Inhalten und ist kein Selbstzweck einer Tageszeitung.