von Nick Lüthi

Wo sind die «Anderen» geblieben?

Den grössten Zuspruch erhalten die Kleinsten: Sparten- und Nischensender erzielen zusammen den höchsten Anteil am Schweizer TV-Markt. Die offizielle Messung hält diese instruktive Kennzahl nicht mehr für erwähnenswert. Die Begründung für den Verzicht überrascht und irritiert.

Ein Balken ist verschwunden. Nicht irgendeiner, sondern der längste und damit nicht ganz unwichtige, um ein vollständiges Bild vom Schweizer Fernsehmarkt zu zeigen. Bis vor zwei Jahren wiesen Publica Data/Mediapulse in ihren Semesterzahlen zum schweizerischen TV-Konsums aus, welchen Marktanteil die Aberdutzenden von Sparten- und Nischensender zusammen erzielen. Jetzt nicht mehr. Siehe Bilder rechts.

Als der Wert vor zwei Jahren das letzte Mal dargestellt wurde, erhielten die Kleinsten in allen drei Sprachregionen und über alle Altersgruppen gemessen den grössten Zuschauerzuspruch. In der Deutschschweiz waren es bis zu 27 Prozent Marktanteil, in der Romandie sogar 47 Prozent in der Altersgruppe 15 bis 29 Jahre und in der Svizzera Italiana erreichten die «Anderen» auch fast 32 Prozent Marktanteil. Marktführer SRF 1 schaffte es in der Altersgruppe 3+ auf eine Quote von 19,3 Prozent, gefolgt von SRF zwei mit 12,3 Prozent.

Die relative Dominanz der Kleinen ist kein neues Phänomen. Seit Kabelnetz und Satelliten den Zugriff auf ein internationales TV-Angebot ermöglichen, gibt es diese Gruppe der «anderen» Sender, die jeder für sich zwar nur einen verschwindend kleinen Anteil erreichen, aber zusammen den Löwenanteil ausmachen. Die heute populären IP-TV-Plattformen leisten dieser Tendenz weiter Vorschub mit mehreren hundert Programmen im Angebot.

Warum also verzichten die amtlich betrauten Fernsehforscher darauf, eine instruktive Kennzahl zum schweizerischen TV-Markt nicht mehr länger darzustellen und stattdessen eine Grafik vorzulegen, wo die Marktanteile für die dargestellten Sender gar nicht erst das Total von 100 Prozent ergeben? «Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund», gesteht Mediapulse-Sprecher Christopher Wehrli unumwunden. Man werde aber darüber diskutieren, wieder zur früheren – vollständigen – Darstellung zurückzukehren. Was es da zu diskutieren gibt, bleibt etwas schleierhaft, zumal Wehrli selbst zugibt, dass es sinnvoller sei, die «Anderen» explizit auszuweisen als es allein dem Leser zu überlassen, selbst die Differenz auszurechnen.

Leserbeiträge

Christopher Wehrli 18. Juli 2016, 14:44

Mediapulse ist es wichtig zu betonen, dass der aktuellen Praxis keine beabsichtigte Intransparenz zu Grunde liegt. Zum einen weist Mediapulse im Rahmen der Semesterpublikationen nur die Marktanteile der Sender aus, welche Kunden von Mediapulse bzw. konzessionierte Regional-Fernsehsender sind und – in beiden Fällen – einen Marktanteil von mind. 0.1% aufweisen. Entsprechende Hinweise finden sich auf der Homepage von Mediapulse. Zum anderen lässt sich – wie bereits im Artikel erwähnt – der Anteil „Andere“ aus dem vorhandenen Angaben berechnen.
Der Mediapulse-Fernsehpanel weist 393 referenzierte Fernsehkanäle aus (Stand Ende 2015) erfasst aber alle in der Schweiz empfangbaren Sender (via Satellit können es einige Tausend sein), auch wenn diese nicht separat ausgewiesen werden. Nach Abzug der obengenannten Kriterien, fallen all diese Kanäle unter die Kategorie „Andere“.
Christopher Wehrli
Leiter Kommunikation
Mediapulse AG