Ein unmissverständliches Signal
Als Folge eines Sparprogramms stellt der Verband Schweizer Medien seine Zahlungen an den Presserat vorübergehend ein. Die Verleger sind erst seit 2008 Mitglied der Trägerstiftung. Ihr Eintritt war damals umstritten. Seither hat der Presserat nicht unbedingt an Profil gewonnen. Daher wäre ein Austritt des Verbands kein Verlust.
Sie wollten unbedingt dabei sein. Jetzt wollen sie zwar nicht ganz raus, aber nicht mehr zahlen. Der Verband Schweizer Medien sistiert für mindestens drei Jahre seine Zahlungen an den Presserat. Damit fehlen dem Gremium pro Jahr 36’000 Franken, immerhin ein Sechstel der Trägerschaftsbeiträge, die massgeblich von den drei Berufsverbänden getragen werden.
Die Sparmassnahme sei unumgänglich, weil dem Verlegerverband selbst ein beträchtlicher Teil der Mittel entzogen worden sei mit dem Austritt von Ringier. Verantwortlich sei aber letztlich die SRG, die als Spaltpilz gewirkt und die Verlage gegeneinander aufgebracht habe. Vorläufig helfen die abtrünnigen Ringier und Axel Springer aus und zahlen für 2016 je 15’000 Franken.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Verlegerverband nun ausgerechnet jenes Gremium schwächt, wo er einst unbedingt Mitglied werden wollte. Die Aufnahme 2008 war nicht unumstritten. Vor allem der Journalistenverband «Impressum», dessen Vorgängerorganisation den Presserat 1977 gegründet und anfänglich allein getragen hatte, begrüsste einen Verlegerbeitritt aus sozialpartnerschaftlichen Überlegungen. Man hoffte, so die Verleger zu Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag GAV bewegen zu können – eine Hoffnung, die sich bekanntlich bis heute nicht erfüllt hat. Auch der damalige Presseratspräsident, der Medienrechtler Peter Studer, setzte sich vehement für eine Verlegerbeteiligung ein. Es wäre «absurd», wenn die Arbeitgeberorganisation dem Ethikgremium fernbliebe, so Studer damals.
Widerstand kam vor allem von der Mediengewerkschaft Comedia (heute Syndicom). Kritische Stimmen warnten vor einem zu hohen Preis, den die bisherigen Träger zahlen würden. Die Verleger könnten sich gratis ein medienethisches Deckmäntelchen umlegen, ohne sich zu irgendwelchen Garantien verpflichten zu müssen. Ausserdem fürchtet man die Einflussnahme der Verleger auf die Entwicklung des Presserats.
Tatsächlich muss man heute fragen: Was hat der Verband Schweizer Medien dem Presserat gebracht – ausser natürlich das Geld, das nun fehlt? Seine Mitgliedschaft beschädigte das Image nicht in der Weise, wie sich das die Gegner eines Verlegereintritts in düsteren Prognose ausgemalt hatten. Aber die Verleger haben den Presserat auch nicht gestärkt. Das zeigt sich etwa bei der Berichterstattung über die Beschwerden.
Die grösste Medienresonanz fanden die Aktivitäten des Presserats von 2000 bis 2004, zu einer Zeit, als die Verleger noch nicht Mitglied waren. Das lässt sich auch damit erklären, dass damals noch etliche Zeitungen eine Medienseite mit täglicher oder wöchentlicher Erscheinungsweise führten. Dort wurde regelmässig über die Entscheide des Presserats berichtet. Mit der Einstellung der Medienseiten – letztlich auch ein verlegerischer Entscheid – reduzierte sich die Berichterstattung entsprechend. Der Presserat war nur noch dann ein Thema, wenn er sich zu spektakulären Fällen äusserte oder besonders krasse Verstösse rügte. Wäre es den Verlegern wirklich ein Anliegen gewesen, die Arbeit des Presserats zu stärken, hätten sie in ihren Titeln dafür gesorgt, dass der Berichterstattung entsprechend Raum gewährt wird.
Strukturell betrachtet kann man es weiterhin für richtig und wichtig halten, dass auch die Verlegerorganisation das Selbstkontrollorgan der Branche mitträgt und hoffen, dass sie möglichst bald ihren finanziellen Verpflichtungen wieder nachkommt. Doch der Entscheid, den Presserat in Schräglage zu bringen, lässt einen daran zweifeln, dass dem Verband wirklich viel an einer unabhängigen Beschwerdestelle gelegen ist; erst recht, wenn man bedenkt, dass Tamedia, das tonangebende Unternehmen im Verband, zeitgleich mit dem Sparbeschluss einen Halbjahresgewinn von 56 Millionen Franken ausweisen konnte; die gestrichenen 36’000 Franken für den Presserat betragen ein halbes Promille davon.
Anstatt auf eine Wiederaufnahme der Zahlungen des Verbands Schweizer Medien zu hoffen, könnte sich der Presserat von diesem unsicheren Partner verabschieden und stattdessen wieder direkt mit jenen Verlagen verhandeln, denen an der Existenz eines unabhängigen Ethik-Gremiums gelegen ist. So wäre zudem erkennbar, welches Medienhaus wieviel Wert auf eine funktionierende Selbstkontrolle legt.
Ringier und Axel Springer sind jetzt mit gutem Beispiel vorausgegangen. Das ist umso bemerkenswerter, als dass die Berichterstattung des Ringier-Boulevards dem Presserat immer wieder Anlass zu Rügen gibt. Natürlich konnte Ringier mit dieser Geste auch Tamedia eins auswischen. Das ist denn auch das Ärgerlichste an der ganzen Geschichte: Auf dem Buckel eines eh schon ressourcenschwachen Presserats wird die Fehde zwischen den Grossverlage ausgetragen.