Die Fragen vor den Antworten
In den nächsten Jahren stehen so viele medienpolitische Weichenstellungen an wie selten zuvor in so kurzer Zeit: Noch in diesem Jahr diskutiert das Parlament über Aufgabe und Ausmass des Service public in den Medien – und damit auch über die künftige Gestalt der SRG. Der Ausgang dieser Diskussion wird einen direkten Einfluss haben auf die Konzession der SRG, die Ende 2017 ausläuft und danach erneuert werden muss. Mit der Abstimmung über die No-Billag-Initiative folgt schliesslich das gewichtigste Geschäft mit dem Potenzial zur Tabula Rasa. Fünf Grundsatzfragen vor der grossen Debatte.
- Sind Medien ein marktförmiges Gut? Wer den Medienmarkt für einen Markt wie jeden anderen hält und auf die selbstregulierenden Kräfte von Angebot und Nachfrage vertraut, beantwortet die Frage klar mit ja und plädiert für die Abschaffung jeglicher Form von (Medien)Subvention. Wer hingegen den Doppelcharakter der Medien als Wirtschafts- und Kulturgut anerkennt, sieht die reine Marktförmigkeit relativiert und sollte nach Finanzierungsmöglichkeiten auch abseits des Markts suchen.
- Schafft allein der Markt freie und unabhängige Medien? Die freie Presse bezieht ihre Legitimation seit jeher aus der Unabhängigkeit gegenüber dem Staat; Markt und Wettbewerb prägen unser Mediensystem. Doch es gibt eine Kehrseite: Die Abhängigkeit vom Werbemarkt – am stärksten bei sogenannten Gratismedien – beeinflusst direkt oder indirekt die Berichterstattung im Sinne der Werbekunden. Anders verhält es sich auf dem Nutzermarkt. Allein durch freiwillige Nutzerbeiträge finanzierte Medien können als die unabhängigsten überhaupt gelten – nur existieren dafür bestenfalls Nischenmärkte,
- Wer kann also Medien finanzieren und gleichzeitig deren Freiheit und Unabhängigkeit garantieren? Interessant ist: Im gesamten politischen Spektrum gibt es anerkannte und praktizierte Formen marktferner Medienfinanzierung. Sei es nun Christoph Blocher, der als Miteigentümer der «Basler Zeitung» die Herausgabe einer SVP-nahen Publikation ermöglicht und dabei primär eine politische Dividende einstreicht. Mit «Teleblocher» agiert der Politiker zudem erfolgreich im No-Budget-Bereich. Oder das Gegenmodell: Die schwerreiche Mäzenin Beatrice Oeri ermöglicht den Betrieb der Tageswoche. Oeri handelt aus Idealismus und nicht aus Gewinnstreben. Dass die Motivation der Geldgeber auf den Inhalt der von ihnen finanzierten Medien abfärbt, sieht man sowohl links als auch rechts. Ein von der Allgemeinheit finanzierter Rundfunk dagegen garantiert die publizistische Unabhängigkeit ungleich besser als Medien, deren Existenz vom Wohlwollen einer Einzelperson abhängen.
- Wie unabhängig kann ein gebührenfinanzierter Sender überhaupt sein? Das Gebührenmodell der SRG ist durch eine – wenn auch äusserst knapp ausgegangene – Volksabstimmung demokratisch legitimiert. Damit und mit der Verankerung in der Gesellschaft über die historisch gewachsene und föderal organisierten Trägerschaft bietet die SRG Gewähr für eine staatsferne Organisation. Das wiederum schafft die Voraussetzung für eine unabhängige Berichterstattung. Dieses Modell unterscheidet sich zudem stark von den verpolitisierten Anstalten in Deutschland oder Österreich, wo das redaktionelle Führungspersonal den Ränkespielen der Parteien ausgesetzt ist.
- Was wäre mit einer substanziellen Schwächung oder gar der Auflösung der SRG gewonnen? Zuerst: Mehr Markt und mehr Freiheit. Aber damit auch mehr Medienvielfalt, grössere Unabhängigkeit der Medien und bessere Qualität der Berichterstattung? Wohl kaum, gerade mit Blick auf den gegenwärtigen Zustand des globalen Medien- und Werbemarkts, der je länger je mehr nach dem Prinzip funktioniert «the winner takes it all». Ein öffentlich finanziertes, aber durchaus inhaltlich fokussiertes und strukturell verschlanktes Medienangebot, das sich solchen Mechanismen bewusst entzieht (also auch auf Werbung verzichtet), kann als Gegengewicht dazu wirken.
Dieser Text ist im Auftrag des Magazins «Schweizer Monat» entstanden und eine Fassung davon wurde dort zuerst veröffentlicht.