Kolumne: Vielfalt lohnt sich auch wirtschaftlich
Jede dritte Schweizerin, jeder dritte Schweizer hat einen Migrationshintergrund. Dieses Verhältnis sollte sich auch in den Redaktionsstuben widerspiegeln. Tut es aber nicht. Aus Gründen.
Mittlerweile haben fast 37 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausländische Wurzeln, wie das Bundesamt für Statistik am vergangenen Dienstag mitteilte. Demnach wurde im letzten Jahr ein Höchststand von 2,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner mit Migrationsgeschichte erreicht. Nur wenige Tage vorher hatte Anna Jikhareva in der WOZ geschrieben: «Ein Blick ins Impressum der Tageszeitungen, in die Studios der Fernsehsender und in die Newsrooms erweckt den Eindruck, die Schweiz sei gar kein Einwanderungsland.»
Valide Zahlen gibt es nicht; viele Medienhäuser wissen gar nicht, wie hoch der Anteil ihrer Beschäftigten mit Migrationsgeschichte ist. Schätzungen gehen von etwa 3 Prozent Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund aus. Abgesehen davon, wie diese Diskrepanz überhaupt möglich ist, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn es akut an Vielfalt in den Redaktionen fehlt.
Diversität in den Redaktionen erhöht die Chance, ausgewogen zu berichten. Und Ausgewogenheit ist nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern kann sich auch finanziell lohnen.
Nicht nur wird die Gesellschaft verzerrt repräsentiert. Gerade in Zeiten von Burka-Verbotsinitiative und «Masseneinwanderung» sind vielfältige Perspektiven auf diese Themen unabdingbar. Natürlich weiss eine gute Journalistin, die das Handwerk beherrscht, über alles zu berichten. Nur: Ein Akademiker sieht die Welt anders als ein Nicht-Akademiker, eine Frau hat andere Erfahrungen gemacht als ein Mann, ein älterer Journalist setzt andere Akzente als ein junger Journalist. Diversität in den Redaktionen erhöht die Chance, ausgewogen zu berichten. Und Ausgewogenheit ist nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern kann sich auch finanziell lohnen.
Oft ist zu hören, dass sich Medienschaffende durchsetzen, wenn sie einfach gut sind im Beruf, ganz egal, welche Herkunft sie haben. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit: Gute Journalisten und Journalistinnen können sich nur dann durchsetzen, wenn die Rahmenbedingungen dies überhaupt ermöglichen. Das heisst: Entscheider in den Medienhäusern sollten ganz gezielt die Durchlässigkeit erhöhen und ihre Redaktionen mit unterschiedlichen Biografien besetzen.
«Je mehr Verschiedene da sind, desto schöner ist Verschiedenheit.» Bernd Ulrich, «Die Zeit»
Bernd Ulrich, der stellvertretende Chefredaktor der «Zeit», wo überdurchschnittlich viele Journalistinnen und Journalisten mit Migrationsgeschichte arbeiten, sagte einmal: «Je mehr Verschiedene da sind, desto schöner ist Verschiedenheit.» Er hat recht. Und in einem Land, in dem fast 37 Prozent Menschen mit Migrationsgeschichte leben, dürften diejenigen Medien ihre Kundschaft verlieren, deren Themen und Perspektiven nicht berücksichtigt werden.
Jan Zuppinger 31. Oktober 2017, 07:07
Interessant dazu, der Text neulich in der WoZ von Anna Jikhareva
«Wohlwollend begegnen sie dir nur, solange keine Gefahr besteht, du könntest ihren Platz einnehmen»- https://www.woz.ch/1742/interkultur/wohlwollend-begegnen-sie-dir-nur-solange-keine-gefahr-besteht-du-koenntest-ihren
alfred zbinden 05. November 2017, 11:52
wieviele jahre zurück ist der migration berücksichtig? ab 1700 oder ab 1800, wäre interessant und erwähnenswert. meine Vorfahren sind ca. 1400 eingewandert vom osten. habe ich einen migrationhintergrund!
1300 eingewandert