Irritierende Signale der SRG-Spitze
In seiner ersten Stellungnahme nach der deutlichen Ablehnung von «No Billag» verkündete Generaldirektor Gilles Marchand eine ganze Reihe von Massnahmen, mit denen die SRG den privaten Medienunternehmen entgegenkommen will. Nur: So klar wie die Signale zum Teil verstanden werden, so eindeutig sind sie nicht.
Den Triumph haben sie still genossen. Gegen aussen zeigte sich die SRG-Spitze am Abstimmungssonntag bescheiden und demütig. «Demut trotz Triumph», titelte daraufhin der «Blick». Und tatsächlich: Generaldirektor Gilles Marchand sieht in der deutlichen Ablehnung der «No Billag»-Initiative nicht etwa eine Bestätigung des bisherigen SRG-Kurses mit dem Auftrag der Bevölkerung: macht weiter so. Stattdessen reagierte er auf die Kritik am Unternehmen und kündigte neben bereits bekannten Spar- und Umbaumassnahmen gleich ein ganzes Bündel an Massnahmen an, mit dem Ziel, die SRG stärker von privaten Medienangeboten abzugrenzen. Das Signal wurde allenthalben positiv gewürdigt. Im «Medienclub» zeigten sich SVP-Medienpolitikerin und «No Billag»-Befürworterin Natalie Rickli, sowie Verleger Peter Wanner von Marchands Auftritt angetan. Doch was taugen Marchands Vorschläge wirklich? Auf den zweiten Blick entpuppen ich manche als zweischneidige Angebote.
Verzichtet die SRG auf Online-Text und konzentriert sich im Netz fortan auf das historische Kerngeschäft mit Ton und Film?
Um etwas Ruhe auf das zentrale Konfliktfeld zwischen Verlegern und der SRG zu bringen, «verzichtet die SRG zukünftig darauf, Texte ohne Verbindung zu einem Audio oder Video auf den Info-Online-Websites von SRF, RTS und RSI zu publizieren.» Damit reagiert die SRG-Spitze auf die immer wieder vorgebrachte Kritik der Verleger, mit Text im Web ein «presseähnliches» Angebot zu bieten und damit im Gärtchen der privaten Medien zu grasen. Verzichtet die SRG auf Online-Text und konzentriert sich im Netz fortan auf das historische Kerngeschäft mit Ton und Film, wie das in Deutschland zum Beispiel das ZDF oder noch der WDR machen? Auf jeden Fall, so wird berichtet, habe leitendes Redaktionspersonal von SRF «entsetzt» reagiert auf die Ankündigung Marchands die Zügel bei den Online-Texten anzuziehen, ja es herrsche eine ziemliche «Panik» deswegen. Vom aktuellen News-Geschäft könne man sich gleich verabschieden. Push-Meldungen? Verboten. Sind schliesslich nur Text.
Möglicherweise bleibt aber alles beim Alten und die Textmenge auf den Websites der SRG weitgehend unverändert oder nur leicht reduziert. Denn was hat Marchand genau gesagt? Künftig solle jeder Text im Webangebot der SRG mit Audio und Video angereichert sein. Bereits heute müssen News-Artikel einen Bezug zu einer ausgestrahlten Sendung aufweisen, andernfalls gilt eine Umfangbeschränkung. In dem Sinn wäre Marachands Ankündigung einfach eine Verschärfung der geltenden Regel. Mit der Fülle an aktueller Radio- und TV-Berichterstattung dürfte es den Redaktionen der SRG nicht allzu schwer fallen, audiovisuelles Material bereitzuhalten, das sie in ihre Textbeiträge einbauen können. Ist das erfüllt, können die Artikel beliebig lang sein. Ein Sachverhalt, den die Medienstelle der SRG auf Anfrage so bestätigt. Ausserdem betrifft die von Marchand skizzierte Regeln nur die News-Sites von SRF, RTS und RSI. Im ganzen übrigen Online-Angebot dürfte demnach weiterhin Text nach redaktionellem Gutdünken veröffentlicht werden, wie das schon heute gemacht wird.
Oder aber Marchand verärgert die Verleger, die in der Massnahme eine wirkungslose Alibi-Übung sähen.
Egal wie die Ankündigung Marchands betreffend Text im Netz dereinst in die Praxis umgesetzt wird, hat sich der SRG-Generaldirektor damit in die Nesseln gesetzt. Entweder beim eigenen Personal, das sich mit einem Rückbau des Online-Angebots auf eine reine Mediathek um wichtige Instrumente für die zeitnahe Berichterstattung beraubt sähe. Oder aber Marchand verärgert die Verleger, die in der Massnahme eine wirkungslose Alibi-Übung sähen.
Auch andere am Abstimmungsabend angekündigte Schritte der SRG zur Entspannung des Verhältnisses mit den Verlegern haben das Zeug dazu, im Leeren zu verpuffen. So zieht der selbstauferlegte Verzicht auf Unterbrecherwerbung in abendlichen Spielfilmen zwar finanzielle Einbussen für die SRG nach sich, nützt aber dem Unternehmen im Wettbewerb um Zuschauerzahlen mit den Privaten. Ein werbefreies Programm kommt beim Publikum gut an, stärkt also die Markenbindung. Die Werbegelder, die bisher der SRG zuflossen, werden aber nicht der Privatsendern in der Schweiz zukommen, wie eine Bakom-Studie zum Thema zeigt. Insofern ist dieses Entgegenkommen vor allem Wasser auf die eigenen Mühlen.
Ein generelles Problem solcher Selbstbeschränkungen ist es zudem, dass «diese weder reglementarisch noch zeitlich fixiert» sind, wie SRG-Sprecher Daniel Steiner erklärt. Das heisst: Es sind reine Goodwill-Gesten, die jederzeit zurückgenommen werden können.
Würde ein privates Unternehmen die Musiksender weiterführen wollen, liessen sie sich nur mit Werbung finanzieren.
Auch die von SRG-Direktor Marchand gezeigte Bereitschaft, die Musik-Spartensender Swiss Pop, Swiss Jazz und Swiss Classic allenfalls abzustossen, hat einen Pferdefuss. Heute sind die Programme werbefrei. Würde sie ein privates Unternehmen übernehmen und weiterführen wollen, liessen sich die Sender nur mit Werbung finanzieren. Das wiederum dürfte die treue Zuhörerschaft nachhaltig verärgern, die das Angebot auch wegen der Werbefreiheit schätzt. Auch diese Massnahme kann, abgesehen vom eher symbolischen Signal – wir sind bereit, uns auch von Sendern zu trennen –, nicht wirklich als Entgegenkommen gewertet werden.
Etwas schräg in der Landschaft steht auch das Angebot, zusammen mit Schweizer Privatradios einen nationalen Radio-Player aufbauen zu wollen. Solche Plattformen gibt es bereits. Etwa die viel genutzte und gut bewerteten Apps «Radio Schweiz», wo man das Gros der heimischen Sender auswählen und anhören kann. Eine SRG-Plattform würde hier sogar privater Initiative schaden, wenn ein gebührenfinanziertes Angebot erfolgreiche Produkte konkurrenzieren würde. Die SRG betont indes, hier gehe es um mehr als nur um die Plattform an sich, sondern auch um eine Branchenlösung für den reibungslosen Zugang auf moderne Audio-Plattformen wie Smart Speakers oder Connected Cars.
Die ebenfalls angekündigte Bereitstellung von SRG-Archivinhalten bietet den privaten Medien zwar einen Mehrwert, weil sie Kosten sparen und nicht Archivmaterial einkaufen müssen. Aber die Massnahme trägt nicht eben dazu bei, die SRG stärker von privaten Medienangeboten abzugrenzen, wenn beide ihre Inhalte aus dem gleichen Pool fischen.
Oder sind die Massnahmen einfach nicht zu Ende gedacht?
Die Kommunikation der SRG-Spitze hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Ja, man könnte sie als geschickten Schachzug sehen, um den Eindruck zu vermitteln, die SRG bewege sich auf die Verleger zu, ohne aber die Zügel aus der Hand zu geben. Vielleicht liegt genau darin die Genialität eines Gilles Marchand, dass er gleichzeitig demütig auftreten kann, dabei aber die eigenen Interessen zielsicher im Visier behält. Dagegen spricht, dass sich Marchand zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich keine (Macht)spielchen erlauben kann. Oder sind die Massnahmen einfach nicht zu Ende gedacht? Böse Stimmen sagen denn auch, die SRG-Spitze habe die Liquidation nach einer allfälligen Annahme von «No Billag» wohl besser geplant als den Weiterbetrieb.
Alex Schneider 20. März 2018, 08:29
Konzessionsentwurf für die SRG: Wo sind Ethik und Mehrwert für die Gesellschaft zu finden?
„Das publizistische Angebot der SRG hat hohen qualitativen und ethischen Anforderungen zu genügen. Es zeichnet sich aus durch Relevanz, Professionalität, Unabhängigkeit, Vielfalt und Zugänglichkeit (Art. 4 Abs.1).“ Ich frage mich nun, wo ist in diesen Kriterien – die im Anhang noch spezifiziert werden – die Ethik versteckt, und was genau ist ein Mehrwert des SRG Angebots für die Gesellschaft (Art.5 Abs.1)? Da wäre doch zu hinterfragen, ob die Übertragung von Formel 1- und Motorradrennen, dopinggesteuertem Profisport, endlosen Krimifolgen, Gewalt- und Zynikerfilmen irgendetwas mit hohen ethischen Anforderungen zu tun hat oder gar Mehrwert für die Gesellschaft erzeugt. Oder glaubt ihr, mit dem „Wort zum Sonntag“ sei euer ethischer Anspruch bereits erfüllt?
Schon der Titel von Art. 40 „Neue finanzielle Bedürfnisse der SRG“ zeigt, in welcher Richtung der Finanzbedarf der SRG in Zukunft gehen könnte: nach oben! Eine Reduktion der Gebühreneinnahmen wird schon gar nicht in Erwägung gezogen, obwohl sich die Gebühreneinnahmen von 1984 bis 2016 von 0,4 Mia CHF auf 1,24 Mia CHF erhöht haben.