von Philipp Cueni

Radio SRF: Was mit einem Abzug aus Bern auf dem Spiel steht

Nostalgie und Standortmarketing der Städte dürfen keine ausschlaggebenden Faktoren beim Entscheid über das Radiostudio Bern SRF sein. Denn es geht um mehr.

Die SRG prüft, die Abteilung Information von Radios SRF vom Studio Bern zum Fernsehen nach Zürich zu verlegen. Sie begründet das mit zwei möglichen Vorteilen: Mit Einsparungen bei den Immobilien und mit Synergien zwischen den Redaktionen aus Bern und Zürich. Dort befinden sich bereits die Fernseh- und die Online-Redaktion. Radio SRF 1 und 3 sollen in den nächsten Jahren folgen, wenn das Studio Brunnenhof aufgehoben wird, was schon länger beschlossen ist.

Die Ankündigung der SRG verursachte Enttäuschung und Unverständnis, gar von «Aufruhr» ist die Rede, bei den meisten Mitarbeitenden im Radiostudio Bern an der Schwarztorstrasse und Proteste von lokalen Behörden und Parteien.

Bei der Abteilung Information geht es um ein Herzstück von Radio SRF, sie produziert unter anderem die Flaggschiffe «Echo der Zeit», «Rendez vous» und Nachrichten. Und sie ist massgebend für die über Jahrzehnte hohen Qualitätsrankings von Radio SRF verantwortlich.

Die Verlegung werde «geprüft», meldet die SRG. Die Gewerkschaft SSM reagierte mit «Irritation» über die Art der Information, das «schafft Verunsicherung». «Wir informieren mit Absicht offen», kontert die SRG, es gehe um Transparenz. Das macht aber nur Sinn, wenn die öffentliche Debatte ernsthaft in die Evaluation einbezogen wird. Mit dem von der SRG kommunizierten Ziel, bereits im Juni entscheiden zu wollen, sind an dieser Ernsthaftigkeit Zweifel angebracht.

Es braucht diese Debatte. Aber sie braucht Zeit.

Das Studio Bern an der Schwarztorstrasse hat eine lange Geschichte und eine Tradition, die der Abteilung Information von Radio SRF schon fast Kultstatus verschafft hat. Nur: Nostalgie allein kann als Gegenargument zu einer Zentralisierung in Zürich nicht genügen. Genauso falsch wäre es, Qualitäts- und Glaubwürdigkeitsrankings zwischen Bern und Leutschenbach, respektive Radio und TV, auszuspielen. Richtig ist eine tabulose Prüfung der Argumente.

Die SRG muss sparen, das ist bekannt. Sie will dort sparen, wo es das Programm am wenigsten tangiert. Das ist richtig und entspricht dem öffentlichen Auftrag und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Wieviel mit der Verschiebung der Abteilung Information nach Zürich tatsächlich gespart werden kann, muss erst noch berechnet werden. Entscheidend ist dabei, nach welchen Parametern und im Verhältnis zu welchen anderen Szenarien eine allfällige Einsparung beurteilt wird.

Nicht genügen darf eine Kostenberechnung alleine zum Faktor Immobilien. Schwergewichtig zu prüfen und zu belegen ist, welche Folgen für die publizistische Qualität eine Konzentration der Info in Leutschenbach nach sich ziehen würde. Dabei dürfen die Beurteilungskriterien nicht «billiger», «schneller» und «effizienter» heissen. Sondern es müssen andere Qualitäten geprüft werden.

  • Tradition: Jedes Medienhaus, jede Redaktion hat eine DNA, die sich aus der eigenen Geschichte herausbildet: wie man arbeitet, wie man die Ansprüche definiert, welches Selbstverständnis man verfolgt. So hat das Radio eine lange Tradition von Fachredaktionen, das Fernsehen ist erst gerade dabei, solche einzuführen. Solche Redaktionskulturen zusammenzubringen, ist enorm schwierig – sogar dann, wenn sie auf gleichen publizistischen Grundsätzen basieren. Oft geht dabei mehr verloren, als gewonnen wird.
  • Kompetenz: Die DNA beim TV ist auch durch die Art geprägt, wie man Fernsehen macht, beim Radio durch das Hörfunk-Handwerk. Das sind unterschiedliche Kompetenzen und sie führen dazu, dass eine Geschichte auf eine andere Art, mit anderer Optik erzählt wird. Richtig ist, dass sich Radio und TV durch die Konvergenz und den gemeinsamen Online-Bereich angenähert haben, dass gerade der Online-Bereich beide Kompetenzen vereinen sollte. Aber Radio bleibt Radio und Fernsehen bleibt Fernsehen, solange es eine lineare Programmverbreitung gibt
  • Vielfalt: Beim Konvergenzprozess vor zehn Jahren ist bewusst entschieden worden, dass die Info-Redaktionen von SRF TV und SRF Radio getrennt bleiben – mit zwei Chefredaktionen. Damit soll der Gefahr einer einheitlichen SRF-Information begegnet, Vielfalt gefördert werden. Und politisch sollte die Angst vor einer allzu mächtigen Info-Chefredaktion SRF abgefedert werden. Dass die zwei getrennten Strukturen und zwei Chefredaktionen auch unter einem Dach beibehalten werden, muss bezweifelt werden.
  • Föderalismus: Im Abstimmungskampf um «No Billag» hat sich gezeigt, dass die föderalistische Struktur der SRG von der Bevölkerung hoch bewertet wird. Es geht dabei nicht allein um verschiedene Standorte. Aber diese prägen auch die Sicht auf die Themen. Eine Konzentration der Abteilung Information in Zürich kann deshalb politisch heikel sein. Sie kann auch ein falsches Bild vom «Zürcher Fernsehen und Radio» begünstigen.

An diesen Überlegungen sind ein allfälliger Spareffekt und mögliche Synergien zu beurteilen. Will man diese Analyse ergebnisoffen und dialogisch durchführen, braucht es vermutlich mehr Zeit als bis zum Juni.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 10. April 2018, 16:03

Es ist hervorzuheben, dass das Regijournal in Bern bleibt. Alles andere kann nach Zürich verlagert werden. Zürich ist näher am «Leben», weniger linkslastig. Würde bedeuten, dass z.B.das Echo eventuell sachlicher würde – weniger Volkspädagogen-Radio, mehr Bezug zur Realität.
Auch schadet es Bern nicht, wenn einige Beamtenstellen (pardon, aber SRF-leute sind GAV-geschützte Beamte) abgezogen werden. Gibt Raum für Neues.

Bruno Froehlich 10. April 2018, 23:42

. . .  haben Sie sich verschrieben ?  Erstens eine Mär die Linkslastigkeit bei SRF. Bern ist links/gruen gefaerbt, exakt gleich wie die Stadt Zuerich. Dann noch das, bin zwar seit 25 Jahren Auslandschwseizer, habe trotzden mitbekommen, die Schweiz hat den Status Beamter abgeschafft. Ihr Hinweis auf GAV ein Witz, es gibt einige Branchen mit GAV.

Lahor Jakrlin 11. April 2018, 16:47

Trotz der roten Färbung Zürichs: Es ist eine Wirtschaftsstadt. In Bern leben 70 % der Menschen direkt/indirekt vom Staat (deshalb auch am Filagtropf), in Zürich sind es 15 % (deshal auch prosperierend und Filag-zahlend).

Und ja, „offiziell“ gibt es „Beamte“ nicht mehr: Aber wer immer in Bundesbetrieben arbeitet, geniesst Privilegien, die Normalsterbliche nicht haben. Hinzu kommt die arrogante Attitude der „neuen“ Beamten. Nehmen Sie es deshalb der Welt nicht übel, wenn Beamte halt Beamte bleiben – unter welchem Titel auch immer.

Bruno Froehlich 11. April 2018, 18:25

kostlich ihre Fantasie. Die SRG ist kein Bundfesbetrieb !  Die SRG bzw. SSR ist ein Verein mit Sitz in Bern und Trägerin des grössten Unternehmens für elektronische Medien in der Schweiz. Ihr Angebot ist vorwiegend auf die Schweiz bezogen. Fuer den Betrieb braucht die SRG eine Konzession vom Bund. Was Filag mit SRG Standorten zu tun hat, das weiss nur ihre Logik.

Gemäss Artikel 9 FILAG dient für die Berechnung des Finanzausgleichs der Durchschnitt der mittleren Wohnbevölkerung (ermittelt nach den Vorgaben von Art. 7 FILAG und Art. 5 FILAV) der drei dem Vollzugsjahr vorangegangenen Jahre.

Mittlere Wohnbevölkerung Vollzug:

Mittlere Wohnbevölkerung Vollzug (2009 – 2017) Link öffnet in einem neuen Fenster. (Excel, 55 KB)

Was kratzt das die SRG, dceren Mitarbeiter, notabene beschaeftigt SRF Frauen und Maenner aus allen Kantonen. Diese arbeiuten in den grossen Studios wie in den regionalen Standorten.

 

Bruno Froehlich 11. April 2018, 18:47

Filag richtet sich nach der Wohnbevoelkerung und nicht woher deren Einkommen kommt, auch die Hoehe ist unerheblich. Alles andere was Sie dazu schreiben ist vollkommener Quatsch. Orientieren Sie sich besser ueber das Filag System.

Werner 12. April 2018, 05:50

fertiger quatsch den sie mit ihrem komentar äussern

Urs Allemann-Caflisch 10. April 2018, 20:21

Philipp Cueni unterstreicht zu Recht die lange Tradition der Radioveranstaltung in Bern. Ein nationales Radiostudio mit der Abteilung Information in Bern befruchtet auch die Kultur und Politik der Stadt und umgekehrt. Es wohnen dann interessante Menschen in Bern. Vor allem bleiben auch zukunftsgerichtete Arbeitsplätze der Programmgestaltung und der  online-Aufbereitung, aber auch Multimedia-Beschäftigungen und Ausbildungsplätze für Jugendliche blieben hier und würden nicht mehr nur in Zürich angeboten. Sogar Walliser könnten noch nach Bern pendeln, was sie nach Zürich nicht mehr so ohne weiteres können. In der Westschweiz ist Lausanne der Sitz des Radios und in Genf ist der Hauptsitz des Fernsehens. Warum nicht das ganze Radio SRF in Bern und in Zürich das Fernsehen? Das Regionaljournal und die Regionalkorrespondenten in Bern für Radio SRF in Zürich wiegen die Abteilung Information niemals auf. Das Radio wurde in den letzten zwanzig Jahren scheibchenweise nach Zürich verlegt. Es würde nicht lange gehen und dann müsste im Namen der Einsparungen und der Effizienz auch die verbliebenen Abteilungen nach Zürich gehen.

Das „Echo der Zeit“ ist ein sehr sachbezogne und dem Alltagsleben und den Menschen nahe gestaltetes, vielfältiges Programmgefäss. Nicht umsonst wird es als Flaggschiff von Radio SRF angesehen. Und wer die SRF-Korrespondenten in Afrika, dem Nahen Osten oder an anderen Brennpunkten der Welt als Beamte bezeichnen will, hört diese engagierten Sendungen wohl selten und ist nicht informiert. Beamte gibt es seit langem nicht einmal beim Bund mehr – Raum für Neues verlangen? Wenn man nicht einmal das Bestehende kennt!

Bruno Froehlich 10. April 2018, 23:21

“ Dass die zwei getrennten Strukturen und zwei Chefredaktionen auch unter einem Dach beibehalten werden, muss bezweifelt werden. “

Ein Satz den ich nicht verstehe, das bei allem respekt vor Studio Bern und dessen Tradition, das galt auch ein fuer Radio Beromuenster“, entscheiden ist doch nicht wo das Dach steht, in Bern oder Zuerich, alleiniges Kriterium die Frage, kann das Team bern zusammengehalten werden, damit verbunden die frage, muessen die Mitarbeier nach Zuerich umziehen, ist die Mehrzahl dazu bereit ?

Falsche faende ich, wenn die Zweiteilung der TV und Radio Redaktion aufgehoben wuerde. Die Forderung nach Sparen macht Spuren und zwingt auch zu opfern, auch solcher „heiliger“ Tradition. Komisch finde ich als Zuercher, dass Aufgabe „Brunnenhof“ ueberhaupt nicht diskutiert wird. Bin 83 und ganz nah dem Studio aufgewachsen, spaeter in den ferien mit Grossvater oft daran vorbeispaziert . . .

Hans Bärenbold 11. April 2018, 16:41

Wurde nicht vor Kurzem die gesamte SRF-Kultur nach Basel verlegt, mit foederalistischen Argumenten unter anderem. Wäre es nicht auch da wirtschaftlicher gewesen, alles ins Sumpfgebiet Leutschenbach zu zügeln?

Bruno Froehlich 11. April 2018, 18:39

Lesen Sie dazu die Einschaetzungen von Lis Borner, im Beitrag von Nick Lüthi,
Die Chefredaktorin sieht im Studioumzug fast nur Vorteile.
Im Interview ist auch Basel ein Thema- Ein gesdamtpaket kluger Antworten.