von Nick Lüthi

Radiostudio Bern nach Zürich: Warum es für die SRG kein zurück mehr gibt

Entscheidet sich die SRG für eine Verlegung namhafter Radioredaktionen von Bern nach Zürich, dann wäre das ein deutliches Signal an die Politik, die sich vereint gegen den Studioumzug stellt: Wir lassen uns die Unternehmensstrategie nicht von den Parteien diktieren. Doch das Unabhängigkeitssignal könnte sich schneller zum Bumerang entwickeln, als der SRG lieb ist.

Im Rückblick sieht das Ganze nach einem cleveren Plan aus: Der bald anstehende Entscheid im Verwaltungsrat der SRG um die Zukunft des Radiostudios Bern mündet final in die Frage, ob sich die SRG von der Politik ihre Unternehmensstrategie diktieren lassen will. Eine breite Front von links bis rechts, von Grünen bis SVP fordert in Bern mit Vehemenz und in immer neuen Stellungnahmen und Protestbekundungen einen Verbleib der Informationssendungen im lokalen Radiostudio.

Die Spitzen von SRG und SRF dagegen drängen auf einen Abzug und eine Konzentration der Ressourcen im Fernsehstudio in Zürich. Begründet haben sie die Notwendigkeit dieser einschneidenden Massnahme mit unterschiedlichen Argumenten, mal aus Spargründen, dann zur Vereinfachung technischer Abläufe und schliesslich auch zur redaktionellen Integration.

Ein Alternativszenario zum Umzug, etwa den SRG-Standort Bern zu stärken, legte die Unternehmensleitung indes nicht vor.

Für die SRG und SRF gab es immer nur eine Option: weg aus Bern. Ein Verbleib führte zu «harten Sparmassnahmen» mit einem Stellenabbau in den Redaktionen und damit zu einem absehbaren Qualitätsverlust. Ein Alternativszenario zum Umzug, etwa den SRG-Standort Bern zu stärken, legte die Unternehmensleitung gar nicht erst vor. Auch darum fallen die Reaktionen aus dem Studio Bern und der Berner Politik so heftig aus. Man sieht sich übergangen und sieht das Bekenntnis der SRG zu föderalen Strukturen nur noch als ein Lippenbekenntnis.

Doch wie es heute aussieht, wird sich das Powerplay der SRG auszahlen. Auf den Umzug zu verzichten, hiesse letztlich dem lauten Widerstand aus der Politik nachzugeben. Die Parteien würden einen Verbleib der Radioinformation in Bern als ihren Sieg feiern – als Sieg über die SRG. Davor fürchtet sich die SRG-Spitze am meisten, wie eine interne Situationsanalyse zeigt, die der MEDIENWOCHE vorliegt. «Verzicht auf Umzug unter politischem Druck führt zu nachhaltiger Lähmung der SRG», steht da geschrieben. Nach dem Motto: Gibt man ihnen jetzt den Finger, wollen sie das nächste mal die ganze Hand. Mit einem Umzug nach Zürich kann die SRG dagegen Distanz zur Politik markieren – auch bei der Berichterstattung. Das Studio am Leutschenbach liegt immerhin 100 Kilometer weiter vom Bundeshaus entfernt als das Radiostudio Bern. Für ein Unternehmen, das immer wieder der Kungelei mit der Politik verdächtigt wird, wäre das ein starker Unabhängigkeitsbeweis.

Allerdings droht ein solcher Erfolg zum Pyrrhussieg zu verkommen. Denn es ist davon auszugehen, dass die enttäuschte Politik nach einem Studioumzug den Druck auf die SRG erst recht hochhalten wird. So hält etwa die SVP weiterhin eine Gebührenhalbierungsinitiative in der Hinterhand und in den Beratungen zum neuen Mediengesetz könnte die Politik nach der Berner Erfahrung geneigt sein, die SRG stärker an die Kandare zu nehmen.

Für SRG-Generaldirektor Gilles Marchand steht mit dem Studioentscheid viel auf dem Spiel.

Wenn in zwei Wochen der Verwaltungsrat der SRG zusammentritt, um die Zukunft des Radiostudios Bern zu besiegeln, dann steht vor allem für Generaldirektor Gilles Marchand viel auf dem Spiel. Es geht um die Schicksalsfrage. Sollte das Gremium den Umzug beschliessen, dann wäre das der wichtigste Erfolg in der noch jungen Amtszeit des neuen Generaldirektors. Er würde damit seine Stellung an der Spitze des Unternehmens festigen. Sollte der Verwaltungsrat dem Umzug wider Erwarten doch noch eine Abfuhr erteilen, dann bleibt Marchand eigentlich nur der Rücktritt, wenn er nicht angezählt die nächsten Reformschritte anpacken will. In diese Situation hat sich Marchand selbst hineinmanövriert. Die Alternativlosigkeit des Umzugs kann sich im Nachhinein als taktisch schlaues Manöver erweisen. Aber der Einsatz dafür ist hoch und die Reibungsverluste gross.

Leserbeiträge

Mark Balsiger 07. September 2018, 12:26

 
Seit nunmehr fünf Monaten tut das SRG-Management alles, um die Zentralisierung durchzudrücken. Es gilt das TINA-Prinzip – there is no alternative. Hier setzt meine Kritik ein: Wer strategisch plant, erarbeitet immer Alternativen. Nun, es gibt eine Alternative, die längst auf dem Tisch liegt. Die Berner Radiocrew hat einen Lösungsvorschlag eingereicht, auf der Website proradiostudio.be ist er einsehbar, von offizieller Seite wird er aber allerdings standhaft ignoriert. (So viel zum Thema Wertschätzung gegenüber den eigenen Mitarbeitenden, die sich während der No-Billag-Schlacht enorm engagierten.)

 
Die Vollkonvergenz im Leutschenbach, also die komplette Verschmelzung von TV, Radio und Online, hätte zur Folge, dass es bald nur noch eine Chefredaktion gäbe. Lis Borner kann bald in (Früh-)Pension gehen. Was dann folgt, wäre die Verwässerung der starken und eigenständigen Profile – das Radio verliert. Das kann der Verwaltungsrat bei Lichte betrachtet nicht riskieren, denn die nächste Schlacht um die SRG kommt bestimmt. Er gewinnt an Statur, wenn er das Zentralisierungsprojekt ablehnt.
 

Roland Jeanneret 09. September 2018, 13:43

Für Gilles Marchand gibt es eine glaubwürdige „Rettung“: Er kann sagen, ich habe alles probiert, um zu sparen, aber es geht politisch einfach nicht….sorry. Damit hält er die Sparforderungen in Grenzen und verliert selber nicht das Gesicht. Im Gegenteil: das wäre äusserst raffiniert und clever!

Marchand kann sich in der Deutsch- und Westschweiz mittelfristig unmöglich mit fünf (!) Kantonsregierungen und dem ganzen politischen Establishment in Bern anlegen – das wäre                 (medien)politisches Harakiri!

Also kopfhoch: Der Umzug nach Zürich kommt in dieser Form nicht!

Peter Schibli 14. September 2018, 10:12

Die SRG ist nicht irgendein Unternehmen. Der Verein gehört den Schweizerinnen und Schweizern, zu denen auch die BernerInnen, FreiburgerInnen, WalliserInnen, Solothurnerinnen, JurassierInnen, WaadtländerInnen, NeuenburgerInnen und GenferInnen gehören. Auf diese Stimmen zu hören wäre die noble Pflicht des Verwaltungsrats. Ein Nachgeben ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke, schreibt Christian Mensch in der AZ. Dem ist nichts beizufügen.