von Michael Ziesmann

Die Swisscom und die Sache mit der Werbung

Der Entscheid von Swisscom, künftig keine Zeitungsinserate und TV-Werbespots mehr zu schalten, sendet widersprüchliche Signale aus. Der Entscheid steht im Widerspruch zum eigenen Geschäft. Schliesslich will Swisscom mit seinem Werbevermarkter Admeira weiterhin Geld verdienen mit dem Verkauf von eben jener Print- und Fernsehwerbung, die nichts mehr wert sein soll.

Einigen Medienanbietern und Werbevermarktern dürfte in der Vorwoche der Schweiss auf die Stirn getreten sein. Einer der wichtigsten Werbeauftraggeber des Landes, Swisscom, lässt in einem Interview mit dem Branchenmagazin persoenlich.com verlauten: «Wir verzichten nächstes Jahr weitgehend auf TV und Print, wenn wir in unserer Kommunikation unmittelbare Verkaufsziele verfolgen. Stattdessen setzen wir stark auf Out of Home und die digitalen Disziplinen», sagt Achill Prakash, der seit knapp einem Jahr als Marketingchef bei Swisscom tätig ist. Auf Nachfrage der MEDIENWOCHE relativiert Swisscom-Medienchef Sepp Huber den Schritt: «Der Verzicht auf Werbung in TV und Print beschränkt sich auf Werbung mit konkreten Verkaufszielen. Dies ist ein Versuch. Wir werden uns die Ergebnisse sehr genau anschauen und gemeinsam mit unseren Partnern dazulernen, um den besten Mediamix bei unseren Verkaufsaktivitäten besonders im lokalen Bereich für die Zukunft zu finden.»

Zunächst ist es ziemlich ungewöhnlich, dass ein Werbeauftraggeber seine Mediastrategie für das folgende Jahr öffentlich diskutiert. Zudem besitzt Swisscom 50 Prozent am umstrittenen Werbevermarkter Admeira. Bei Admeira will Swisscom gemeinsam mit Ringier Werbeplätze in TV und Print an Werbeauftraggeber verkaufen. Für sich selbst meint Swisscom hingegen, dass genau diese Gattungen im Mediamix entbehrlich seien. Stattdessen will die staatsnahe Swisscom die digitalen Disziplinen stärken. Demnach fliessen bei Swisscom die Werbemillionen verstärkt in digitale Kanäle und wohl auch zu Facebook, Google & Co. anstatt in Schweizer Printmedien und Schweizer Fernsehsender. Das überrascht. Gelten doch Facebook, Google & Co. als erklärte Feindbilder des Werbevermarkters Admeira, an der dieselbe Swisscom zur Hälfte beteiligt ist. Das Hauptargument für die Gründung von Admeira war es ja genau, den Abfluss von Werbegeldern aus der Schweiz zu den globalen Giganten zu stoppen. In diesem Zusammenhang ist die Wortmeldung über den künftigen Mediamix ein beispielloses Eigentor in der Unternehmenskommunikation für Swisscom, als auch für Admeira.

«Es könnte durchaus ein Weckruf für weitere Werbeauftraggeber sein, ihren Mediamix grundsätzlich zu hinterfragen und allenfalls anzupassen.»
Roland Ehrler, Werbe-Auftraggeberverband SWA

Nur drei Tage nach dem Interview des Swisscom-Marketingchefs sprang der Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA dem Telecom-Unternehmen bei. Nicht unwichtig zu wissen in diesem Zusammenhang: SWA-Direktor Roland Ehrler arbeitete bis 2012 im Marketing für – genau – Swisscom und sagt nun, ganz im Sinn seines früheren Arbeitgebers: «Es könnte durchaus ein Weckruf für weitere Werbeauftraggeber sein, ihren Mediamix grundsätzlich zu hinterfragen und allenfalls anzupassen. Dabei ist es bei den klassischen Medien wie TV, Print und Outdoor nach wie vor schwierig, den genauen Anteil am Werbeerfolg zu messen. Hier haben es die digitalen Kanäle einfacher». Spätestens jetzt kann man durchaus auf den Gedanken kommen, dass es Swisscom darum gehen könnte, bei den gerade begonnenen Preisverhandlungen über Werbeplätze im Jahr 2019 Druck auf Medienanbieter auszuüben. Deshalb diese lautstark orchestrierte PR-Aktion in der Vorwoche, die nicht wirklich ins grössere Bild passt.

Denn gleichzeitig kritisieren Werbeauftraggeber die Werbung in digitalen Kanälen lautstark. So spricht der deutsche Werbekundenverband OWM sogar von einer «Tendenz zur Gesetzlosigkeit» im digitalen Werbemarkt, den «man ein bisschen mit dem Wilden Westen vergleichen» könne, sagt OWM-Vorstand und Nestlé Digital & Media Director Tina Beuchler. Aber auch der Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA kritisierte erst kürzlich anhaltende Probleme bei Werbung in digitalen Kanälen: «Wenn sie nur auf den Preis sehen, programmatisch einkaufen und sich nicht um den Traffic kümmern, müssen sie mit mehr Ad Fraud Risiko rechnen», sagte Roland Ehrler noch vor einem Monat. Der Weckruf dieser Äusserung blieb bislang aus. Seit Jahren können sich Werbeauftraggeber und Anbieter von Werbung in digitalen Kanälen nicht über Marktstandards einigen. Und sei es nur darüber, dass bezahlte Werbung auf Internetangeboten zu 100 Prozent immerhin theoretisch während einer Sekunde gesehen werden könnte.

«Gerade Swisscom als mehrheitlich in Staatsbesitz befindliches Unternehmen ist hier besonders angesprochen, hat sich dazu aber noch nie geäussert.
Andreas Häuptli, Verband Schweizer Medien

Nach der Swisscom-Ankündigung liess der entsetzte Aufschrei bei Schweizer Verlagen nicht lange auf sich warten. So betont der Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Medien, Andreas Häuptli, gegenüber der MEDIENWOCHE, er halte es für «aussergewöhnlich», dass sich der Marketingchef der Swisscom öffentlich äussert. «Vielleicht will er sich auch so von Admeira distanzieren, die intern sicher viel Druck machen, möglichst viel Swisscom-Budget abwickeln zu dürfen.» Häuptli weist weiter darauf hin, dass Swisscom in einer besonderen Verantwortung stehe und erinnert in diesem Zusammenhang an einen Aufruf der Gruner+Jahr-Chefin: «Julia Jäkel hat vor ziemlich genau einem Jahr die Wirtschaft in Sachen Corporate Responsibility aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen, die Publizistik zu unterstützen. Das kann mit Werbung in deren qualitativ hochwertigem Umfeld geschehen. Gerade Swisscom als mehrheitlich in Staatsbesitz befindliches Unternehmen ist hier besonders angesprochen, hat sich dazu aber noch nie geäussert.»

Nun kann es nicht Aufgabe von Swisscom sein, mit den eigenen Werbeausgaben Medienförderung zu betreiben. Werbeausgaben sollen dem Unternehmen einen maximalen Return-On-Investment garantieren und dabei helfen, Produkte zu verkaufen und Kunden zu halten oder neu zu gewinnen. Ausserdem verpflichtet die staatliche Mehrheitseigentümerschaft die Swisscom zu einem besonders verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Mitteln. Das heisst aber nicht, dass Print als Werbeumfeld mit dem Swisscom-Entscheid tot wäre. Andere einheimische Grossunternehmen mit entsprechend grossem Mediabudget, wie Migros und Coop, buchen weiterhin ganz gezielt auch Printmedien, um vor Ort präsent zu sein und qualitative Medienangebote bewusst zu fördern. Denn das billigste Werbeangebot nutzt nichts, wenn das billige Umfeld einen negativen Imagetransfer verursacht und die Werbewirkung reduziert. Weil Marktführer Swisscom in TV und Print weniger präsent sein möchte, dürfte dies die Werbewirkung der Werbemassnahmen der Marktbegleiter von Swisscom – Sunrise, Salt und UPC – markant erhöhen.

«Es ist davon auszugehen, dass der Verzicht auf TV-Werbung Auswirkungen aufs Branding, also die Markenbekanntheit haben wird, wofür TV die beste Werbewirkung bietet.»
Alexander Duphorn, Goldbach Media

Vom Verzicht der Swisscom auf einen Grossteil von Fernsehwerbung wäre nicht nur der hauseigene Werbevermarkter Admeira betroffen, sondern auch die soeben von Tamedia übernommene Goldbach Media. Goldbach vermarktet Werbeplätze bei einer Vielzahl von privaten Fernsehsendern, wo bisher auch Swisscom-Spots zu sehen waren. Goldbach-CEO Alex Duphorn sieht die Lage nicht dramatisch: «Swisscom möchte ihren Anteil an jener TV-Werbung reduzieren, die unmittelbare Verkaufsziele verfolgt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass dies auch Auswirkungen aufs Branding, also die Markenbekanntheit haben wird, wofür TV die beste Werbewirkung bietet.»

Zu den Äusserungen des Direktors des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes SWA, gefragt, wonach es bei TV-Werbung schwierig sei, den genauen Anteil am Werbeerfolg zu messen, fügt Duphorn hinzu: «Im Zusammenhang mit der Swisscom-Mediastrategie behauptet Roland Ehrler, dass es bei TV-Werbung schwieriger sei, den genauen Anteil am Werbeerfolg zu messe, als diejenige von Onlinewerbung. Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Zum einen verfügen andere Medien über schlechtere Währungen zur Messung der Wirkung von Werbung. Nur TV bietet eine personenbezogene Nettoreichweite an und garantiert in den Kampagnen GRPs (Bruttoreichweite Anm.).» Tatsächlich ist der direkte Zusammenhang zwischen TV-Werbung und Abverkauf in einer Vielzahl von Studien belegt.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 11. September 2018, 18:05

Alarmierender für Agenturen der Grosswerbewirtschaft als dieser könnte ein Artikel gar nicht sein. Kehrseite der Medaille: Die Preise für KMU-Werbung könnten mittelfristig fallen und bezahlbar werden. Das wäre dann ein positives Signal und böte neuen Raum für Kreativität.

Das Schlimmste aber ist die Tatsache, dass Swisscom offensichtlich dazu beitragen möchte, dass Google und Facebook noch mehr absahnen. Übrigends bieten auch Google und Facebook keinen konkreten Werbewirkungsnachweis – sie tun nur so. Ich bin überzeugt, dass die Sichtung eines Inserates nach wie vor x-fach besser ist als digitale „Impressions“.

Michael Ziesmann 13. September 2018, 22:11

„Alarmierender für Agenturen der Grosswerbewirtschaft könnte ein Artikel gar nicht sein.“ Das ist gut möglich 🙂 

Thomas Ziegler 16. September 2018, 18:32

Wichtiger wäre für Grosskonzerne im Massenmarkt erst mal das ganze CRM und dann den Kommunikationsmix zu hinterfragen, bevor man Ads im 1:1 auf neue Medien überträgt.

Interessiert euch mal ehrlich für die Meinung eurer Bestandeskunden mit einer aktivierenden Befragung und nutzt  dann die identifizierten Fans als Botschafter mit sinnvollen Anreizen. Menschen sprechen gerne positiv über etwas, wenn sie sich ernstgenommen fühlen. Noch hat jemand WoM betrieben, nur weil das in einer Kampagne so geplant wurde.

Verbessert den Kundenservice, anstelle nichtssagender Sprachreglung und Eskalationsfälle, deren Zeitaufwand und Streitsumme in keinem Verhältnis stehen. Ein Recovery-Kunde ist, entgegen der weitverbeiteten Annahme, nicht zwingend treuer, wenn ihm nach dem ganzen Ärger einfach ein kurzfristiger extrinsischer Anreiz gibt.

Stärkt die Interne Kommunikation und auch die Wertschätzung der Angestellten an der Front, nicht unkoordinierten Top-Down Massnahmen, über die Mitarbeiter entweder nicht geschult sind – oder sich nicht damit identifizieren. Ganz zu schweigen davon, dass sie sowieso selten auf den Erfolg gemessen werden können/wollen.

Social Media eignet sich nicht nur für billige, programmatische Ausspielung von Creatives, sondern ist primär ein soziales Medium, in dem sich die Öffentlichkeit vernetzen kann und eine Stimme erhält. Werbebotschaften werden nicht geteilt, ansprechenden Content von sozial-verträglichen Unternehmen hingegen schon.

Auch für klassische Werbemedien würde die Digitalisierung neue Möglichkeiten bereit halten, wenn man dan mal bereit ist – ehrlich und ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen – sein Angebot zu hinterfragen. Doch das ist ein anderes Kapitel.