von Reto Hunziker

Warum ich dem Tages-Anzeiger ein Interview schenkte

Dass es den Medien im Allgemeinen und den Zeitungen im Speziellen nicht besonders gut geht, wissen wir längst. Als freier Journalist frage ich mich ohnehin immer wieder, warum ich das alles noch mitmache. Doch was ich nun erlebt habe, illustriert eindrücklich, wie kaputt die Branche wirklich ist.

Irgendwann hatte ich die Idee, mit dem Astrophysiker, Entertainer und Wissenschafts-Allrounder Harald Lesch ein Interview zu führen – aus reinem Interesse: Ich finde Lesch überzeugend, sympathisch und vernünftig. Einen aktuellen Aufhänger hatte ich nicht, mal abgesehen davon, dass Klimawandel, Ökonomisierung oder Verschwörungstheorien – wozu sich Lesch gerne und gut äussert – in meinen Augen immer aktuell sind.

Ich hatte vor, ihn mit möglichst vielem zu konfrontieren, was die Menschheit derzeit umtreibt: Erderwärmung, Rechtspopulismus, Postfaktizismus und so weiter. Ich schlug die Idee der NZZ für die Gesellschaftsseiten vor und stiess auf Interesse.

Nach einem kurzen Hin und Her mit Lesch per Mail erhielt ich einen Termin für ein Telefongespräch. Anfang September 2018 sass ich ein wenig aufgeregt am Hörer, fragte Lesch aus und lauschte seinen Antworten. 56 Minuten dauerte das Gespräch. Es reichte von Salvini über Impfgegner und Marserkundung bis zur Komplexitätsforschung.

Ich schrieb alles zusammen, musste dabei natürlich viel Spannendes weglassen, Lesch retournierte mit seinem Okay, wenigen Ergänzungen und dem Lob, ich hätte unser Gespräch wunderbar zusammengefasst (was mir gut tat, weil ich mich im Gespräch intellektuell gnadenlos unterlegen fühlte). Auch einen Aufhänger lieferte er: Ein neues Buch von ihm und Co-Autor Klaus Kamphausen mit dem Titel «Wenn nicht jetzt, wann dann?» erscheine am 17. September.

Toll, dachte ich, die Sache ist gegessen. Doch nichts da, falsch gedacht, es ging gerade erst los.

Von der NZZ kam auf einmal eine Absage. Man habe Ressort-intern nochmals diskutiert und sich gefragt, warum man gerade Lesch und seiner «apokalyptischen Weltsicht eine Plattform geben» oder «einen wie ihn über die Finanzwelt urteilen lassen» sollte. Der Text male schwarz und der Aufhänger fehle, damit werde man sowieso nicht durchkommen. Mit einem Porträt vielleicht noch eher, aber auch dazu bräuchte es Aktualität.

Autsch, was für ein Dämpfer. Auch wenn ich die Argumente verstehen konnte, war ich nicht einverstanden. Will die NZZ vielleicht generell keinen Klimawandel-Warner und Wirtschaftskritiker im Blatt? Nein, der Entscheid komme nicht von oben, sondern aus dem Ressort, hiess es. Ich solle es doch mal bei der NZZ am Sonntag versuchen. Und da ich keine Lust hatte, aus meinem, wie ich finde, guten Interview ein Porträt zu basteln über jemanden, der in Deutschland seit Jahren bekannt ist wie ein bunter Hund, machte ich das. Ich startete eine Kaskade von Anfragen an Redaktionen in der Absicht, das Interview irgendwo unterzubringen.

Die Reaktionen (von mir paraphrasiert):

  • «NZZ am Sonntag»: Interviews auf der Metaebene sind nicht (mehr) erwünscht.
  • «Das Magazin»: Das Interview könnte genauso gut woanders erscheinen. Es fehlt die thematische und konzeptionelle Exklusivität.
  • «Republik»: Absage ohne Begründung.
  • «Beobachter»: Nach Einschätzung eines Freundes («zu wenig fokussiert», «wird schwierig») gar nicht erst versucht.
  • «Sonntagszeitung»: «Sonntagsgespräche» führen ausschliesslich Redaktoren, wir haben kein Budget für Eingekauftes.
  • WOZ: Dem Interview fehlt der thematische Fokus und die Vertiefung. Ausserdem hatten wir schon Berichte und Interviews zu den angesprochenen Themen.
  • Sonntagsblick-Magazin: Wir machen unsere grossen Interviews eigentlich fast nur selbst.
  • «Aargauer Zeitung»: Durch die Zusammenarbeit mit Luzern und St. Gallen haben wir im «Leben/Wissen»-Bereich eher einen Überhang an Texten.
  • «Annabelle»: Wir sind nicht die richtige Abnehmerin.

«Gutes Stück», «knackig zu lesen», «spannend», «ich bin sicher, du bringst es noch unter», hiess es netterweise noch zu meinem Interview – aber spätestens dann kam das Aber. Ich verstand die Welt nicht mehr: Nach über 15 Jahren in der Medienbranche, mal intensiver, mal weniger, hatte ich das Gefühl, einschätzen zu können, was ankommt und was nicht. Nun sollte aber dieses Interview, das nicht nur ich gelungen fand, nicht zu veröffentlichen sein.

Je länger die Suche dauerte, desto verunsicherter war ich: Ist das Interview tatsächlich nicht gut genug?

Ist mein Interesse am Ende gar nicht deckungsgleich mit jenem der Zeitungsmacher respektive der Leser? Sind solche Tour-d‘Horizon-Gespräche gar nicht mehr möglich, sind nur noch spezifische, monothematische Interviews erwünscht? Ich fragte mich auch, ob ich, wenn ich selbst im Ressort entscheiden müsste, das Interview einem freien Journalisten abkaufen würde. Und musste immer antworten: Ja, doch, eigentlich schon, ich hab schon viel Schlechteres gelesen.

Diese Ungereimtheit erklärte mir eine befreundete Journalistin so: Die Festangestellten stehen unter Druck, müssen oft unterdotiert Zeitungsseiten abfüllen. Da kann es schnell passieren, dass Texte halbherzig geschrieben sind, fast nur aus Blabla bestehen oder sich zumindest nicht grandios lesen. Gleichzeitig haben Redaktionen für Freie kaum mehr Budget und überlegen es sich darum sehr gut, ob sie Geld in die Hand nehmen sollen und können. Kurz: Für Freie gilt ein strengerer Massstab – was mir, sosehr es mich auch ärgerte, ebenfalls einleuchtete.

Meine Kontakte waren ausgeschöpft. Natürlich hätte ich noch weitersuchen und den Text zum Beispiel dem Strassenmagazin «Surprise» anbieten können. Dann hätte ich wohl etwas Geld bekommen, mein Interview wäre aber kaum gelesen worden. Genau das war mir aber wichtig, denn Lesch sprach Tacheles und es wäre gut, fand ich, wenn so viele Menschen wie möglich aufgerüttelt würden.

Also wählte ich Plan B, quasi die Ultima Irratio.

Vom «Tages-Anzeiger» waren positive Signale gekommen: Im Wochenend-Bund würde das «muntere Interview» ja noch gut passen, hiess es und man versuchte noch, Honorar aufzutreiben, was am Ende allerdings nicht gelang (weil: Deal mit der «Süddeutschen Zeitung», «kein Big Name», «nicht hyperaktuell»). Immerhin war das aber eine Art Zugeständnis und so bot ich schweren Herzens an, der «Tagi» könne meine Geschichte, zumal ich sie ja sonst nirgendwo unterbringen konnte, haben. Gratis.

Es war mittlerweile Ende November und ich wollte die Sache noch vor Ende Jahr bereinigen. Ich besiegelte also den unmoralischen Deal, den ich in in meiner Verzweiflung selbst vorgeschlagen hatte: «10‘000 Zeichen langes Interview ohne Bezahlung gegen Publikation im Tagi».

Das Interview erschien am 2. Februar dieses Jahres. Im «Tages-Anzeiger», im «Bund» und auf den jeweiligen Online-Plattformen. Es lief dort schnell unter «meistgelesen», wurde fleissig geteilt und kommentiert.

Ich fühlte mich dabei gut und schlecht zugleich. Da war eine Art Erleichterung, aber auch die Bitterkeit einer Niederlage.

Hatte ich wirklich richtig gehandelt? Wäre es nicht souveräner gewesen, den Text ad acta zu legen und von der NZZ das Ausfallhonorar einzusacken, das sie mir in Aussicht gestellt hatte für den Fall einer Nichtveröffentlichung? Schliesslich hatten sie anfänglich einer Publikation zugestimmt. Habe ich mit meinem Geschenk den Ausbeutungsmechanismus, der spielt, nicht noch befeuert? Und bin so noch mehr zu einem Teil des kaputten Systems geworden?

Auch war ich irgendwie sauer, wusste aber nicht recht auf wen. Denn obwohl ich zig Absagen bekommen hatte: Die Gründe waren legitim. Ich ärgerte mich also über die Branche allgemein und darüber, dass es möglich war, mit einem guten Text nicht mehr anzukommen. Ich war dankbar, dass der «Tages-Anzeiger» das Interview wollte, aber stinkig, dass er nichts dafür zahlte. Und ich war angewidert von mir selbst, weil ich das alles mit mir machen liess.

«Ich tue es ja nicht fürs Geld», sagte ich mir. Aber auch: «Meine Arbeit ist etwas wert.» Und mit den Tausenden von Likes, Shares und Klicks kann ich meine Miete auch nicht bezahlen.

Am Ende hatte mir die aufwändige Irrfahrt eine magere Ausbeute hinterlassen: kein Geld, dafür ein bisschen Stolz und Freude über mehr als 30‘000 Views, ein nagendes Gefühl, dass es wohl nicht besser wird sowie die Frage an mich selbst: Wie lange mache ich das noch mit?

Richtigstellung der Redaktion NZZ:
Im Bericht «Warum ich dem Tages-Anzeiger ein Interview schenkte» von Reto Hunziker konnte der Eindruck entstehen, die NZZ habe ihm ein Ausfallhonorar verwehrt. Das ist nicht der Fall. Tatsache ist, dass das Ressort Gesellschaft dem Autor schriftlich zusicherte, ein Ausfallhonorar zu zahlen, falls er den Text nicht anderswo veröffentlichen könnte. Das entspricht den Gepflogenheiten des Ressorts. Dass Reto Hunziker seinen Text schliesslich offenbar honorarfrei veröffentlichte, erfuhren wir erst durch seinen Artikel in der MEDIENWOCHE.

Hinweis der Redaktion MEDIENWOCHE:
Der Artikel wurde entsprechend dem Hinweis der NZZ-Redaktion korrigiert. An der betreffenden Stelle steht nun: «Hatte ich wirklich richtig gehandelt? Wäre es nicht souveräner gewesen, den Text ad acta zu legen und von der NZZ das Ausfallhonorar einzusacken, das sie mir in Aussicht gestellt hatte für den Fall einer Nichtveröffentlichung?»

Leserbeiträge

Lukas Vogelsang 28. Februar 2019, 10:30

Das Problem ist schon lange erkannt. Wir beim ensuite würden bezahlen – allerdings erst, wenn wir Geld für alle haben, sprich fair bezahlen können. Solange gibt es keine Aufträge von der Redaktion, sprich, sind die Schreiberlinge bei uns die Chefs und wir im büro jene, die für sie das Schiff unterhalten. Ein solcher Artikel wäre bei uns wohl genau in der nächsten Ausgabe veröffentlicht worden – ohne inhaltliche Fummeleien. Und wenn wir unter fairen Bedingungen produzieren könnten, hätte es auch ein entsprechendes Honorar gegeben.

Vor 17 Jahren war das schon sichtbar, jetzt ist es unerträglich geworden. Eine würdelose Branche ist das – ausser man tut was dagegen. Wir beim ensuite haben die würde behalten können und ich glaube, alle sind monatlich stolz auf das Ergebnis. Darum machen auch alle weiter mit. Und gelesen werden wir auch – einfach mit etwas weiter Klamauk. 🙂

Sarah 28. Februar 2019, 10:48

Jesses. Ich habe das Interview verschlungen und sogar geteilt. Diese Vorgeschichte hätte ich nie geahnt. Krass!

Gerhard Lob 28. Februar 2019, 16:52

Die Geschichte vom Kollegen Reto Hunziker ist wirklich unglaublich. Sie illustriert die Situation im Printmediensektor (und vieler freier Journalisten) leider bestens. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich der Autor angesichts dieser Situation hin- und hergerissen fühlte. Etwas Eitelkeit ist ja immer im Spiel.  Aber die Erkenntnis ist trotzdem bitter: Die Arbeit freier Journalisten ist immer weniger oder – wie in diesem Fall – sogar gar nichts mehr Wert. Und richtig festgestellt: Von Likes kann man keine Miete bezahlen. Übrigens hatte auch ich das Interview gelesen und sehr interessant gefunden. Dass der Autor dafür nicht entschädigt würde, wäre mir aber nie in den Sinn gekommen.

Jürg D. Lüthard 28. Februar 2019, 16:58

Es ist schlicht um schade für die Zeit die Begründungen der Ablehnungen überhaupt je zu lesen. Es ist zu lang, zu kurz, zu allgemein, zu wenig fokussiert, zu fachspezifisch oder was auch immer.

Ich werde aber den Verdacht nicht los, das allerwichtigste ist, dass die Abfindungen pro Jahr den Betrag für die Sozialabgaben (AHV etc.) nicht erreichen.

Oliver Brunner 28. Februar 2019, 17:03

Vielleicht sind umfassende Erklärstücke vom Elementarteilchen bis Luftverschmutzung und Rechtsradikalen durch alte, akademische, weisse Männer einfach nicht mehr gefragt (mansplaining!!!). Und jede*, die* einmal für eine Zeitung gearbeitet hat, sollte eigentlich wissen, das man grosse Interviews nicht einfach mal so ins Blatt bringt, weil sie gerade jetzt und nicht letztes Jahr angeboten werden. Also grundsätzlich: Grosses mimimi

Rosmarie 28. Februar 2019, 17:11

Deine Geschichte macht mich traurig. Du hättest es mehr als verdient, gerecht entlöhnt zu werden. Ich drücke dir die Daumen, dass bessere Zeiten für dich kommen. Einen lieben Gruss aus der Schweiz. Rosmarie Menzi

Heinz Urben 28. Februar 2019, 18:26

Was der Autor hier beschreibt ist das neue Berufsleben von uns freien Journalisten. Die journalistischen Lückenbüsser dürfen Artikel mit hohen Qualitätsansprüchen liefern – aber gerne zum Minimalhonorar! Es ist sehr schwer geworden, gute journalistische Arbeit so zu verkaufen, dass nebst dem Geld auch noch etwas Wertschätzung übrigbleibt. Wir sitzen im selben Boot wie die Fotografen. Auch sie bekunden Mühe, für ihre professionelle Arbeit mehr als ein Handy-Knipser-Honorar zu erhalten.
Die Geiz-ist-geil-Mentalität in den Redaktionen trägt nicht dazu bei, die lahmen, hundertfach kopierten Agenturmeldungen zu verdrängen.

Daher mein Mitgefühl mit dem Autor. Wohlwissend, dass er damit seine Miete auch nicht bezahlen kann.

 

Hein Urben

Freier Fachjournalist BR

MW 01. März 2019, 09:50

Pardon, das Interview ist langatmig und unfocussiert, man merkt zudem, dass der Journalist ein ehrfürchtiger Fan Lechs ist. Nie gut!

Ich kann jede Redaktion verstehen, die so ein – wohlwollend formuliert – „zeitloses Stück“ ablehnt.

Zudem muss das möglich sein, ohne in einem vor Selbstmitleid und Selbstlob triefenden Nachklapp als „die Bösen“ dargestellt zu werden.

Der Journalist sollte sich vielmehr fragen, warum er nur Absagen kassierte. Und ja, er hätte der NZZ ein Ausfallhonorar stellen müssen. Oder vorher klarer formulieren sollen, worum es in dem Interview geht (Lesch sagt zu allem was).

Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

Wünsche dem Kollegen dennoch alles Gute.

Thomas Musch 01. März 2019, 12:21

Das – vermeidbare – Drama nimmt mit diesem Satz: Ich schlug die Idee der NZZ für die Gesellschaftsseiten vor und stiess auf Interesse.

seinen Lauf. Wer als Freier Journalist auf dieser Basis losläuft, ohne verbindlichen Auftrag und ohne klare Themenabsprache, geht ein hohes Risiko ein.

Unabhängig davon ist es nichts anderes als schäbig, einen Journalisten für seine Arbeit nicht zu bezahlen. So wirkt man an der Marginalisierung der eigenen Zunft tatkräftig mit.

robert polomsky 01. März 2019, 16:47

Mich würde ja mal interessieren, wie Lesch reagiert hat; sofern er Kenntnis von diesem Umständen gehabt hatte? Aber nun erstmal (noch nicht getan) Ihr eigentliches Interview lesen, klingt vielversprechend – ich bin gespannt! 🙂

Daniel Weibel 01. März 2019, 21:11

Chapeau, Reto Hunziker!

René Zeyer 02. März 2019, 11:01

Ich gestehe, ich habe das Interview erst jetzt nachgelesen. Man kann sicher darüber diskutieren, ob Reto Hunziker zu stark einfach Stichwortgeber war. Worüber man aber nicht diskutieren kann: Fast 300 Kommentare, 24 k Likes, das ist absolute Oberliga. Punkt.

Dass inzwischen auch und gerade Bezahlblätter mit Attention freie Journalisten abfertigen, also mit dem Argument: Kriegst zwar kein Geld, aber dafür Aufmerksamkeit, ist wahrlich Ausdruck der jämmerlichen Zeiten im Journalismus. Zudem ist es so: Es gibt noch die Zentralredaktionen von CH Media und Tamedia. Da stehen sich die Redaktoren gegenseitig auf den Füssen rum und hoffen, dass die nächste Sparrunde nicht mich erwischt. Dann gibt es noch die NZZ für die happy few, aber die hat auch eher zu viel als zu wenig Festangestellte. Und den «Blick» kann man ja eigentlich nicht mehr ernst nehmen.

Und nun, jeder jammert natürlich für sich, stelle man sich diese Situation im neben Politik wichtigsten Bereich vor: in der Wirtschaftsberichterstattung. Da liest man inzwischen flächendeckend von St. Gallen bis Bern, von Basel bis Luzern die gleiche SDA-Tickermeldung. Und dann allenfalls noch einen Kommentar eines Redaktors, der zwar zum Thema inkompetent ist, aber klarstellen will, dass er nicht überflüssig ist. Und ja nichts falsch machen will. Kontroverse, andere Ansichten, Widerspruch? Kein Geld, keine Kompetenz, kein Platz, keine Lust. So schaut’s aus.

Brigitte Kaps 02. März 2019, 14:12

Danke für diesen authentischen Beitrag, der  ein erschreckendes Licht auf freischaffende journalistische Tätigkeit wirft. Ich arbeite auf der PR Seite und höre von vielen  befreundeten freischaffende. Journalisten immer mehr diese Art Stories. Ich weiss wieviel Arbeit und Zeitaufwand in investigativem Journalismus, im Schreiben von einem guten Artikel oder einem guten Interview steckt. Um so mutiger von Reto Hunziker dies hier mal in aller Ehrlichkeit zu schildern, wenn man als Journalist trotz Qualität derart „Klinken putzen muss“, weil das Endprodukt keinerlei „Gehör“ oder Aufmerksamkeit erhält.  Da kann man nur hoffen, dass sich dies nicht Standard wird, denn dann wird jegliche Affinität und Begeisterung  zum Job zerstört. Schliesslich können nicht alle zu Influencern mutieren, um ihre Miete zahlen zu können.

 

 

gereon 02. März 2019, 19:44

Lieber Kollege, ich muss leider sagen, dass mir das Interview auch nicht gefallen hat. Das klingt eher nach einer netten Unterhaltung – aber es gibt keine Spannung, keine kontroversen Fragen, ist ziemlich allgemein und das ganze Interview wirkt auf mich schlecht vorbereitet.  Eigentlich wäre ich schon bei der Eingangsfrage gleich ausgestiegen. Mir scheint auch, dass es keine klare Absprache gegeben hat, zwischen Ihnen und der NZZ, worum es gehen soll. Und dann das Interview einfach zu verschenken – sorry, dafür fehlt mir das Verständnis. Als freier Journalist muss ich schon mit Amateuren konkurrieren, die nicht gut, aber „billiger“ sind. Da ärgert mich eine solche Aktion eines Kollegen, die anscheinend vor allem aus Eitelkeit entstanden ist. Aber Respekt für die Offenlegung der Geschichte. beste Grüße, Gereon

Michael Lütscher 04. März 2019, 17:45

Das Publikum liebt den Stoff. Also sollte der Verlag dem Autor im Nachhinein ein Honorar bezahlen, als Belohnung für seine Arbeit und das Risiko, das er eingegangen ist. Aber auch das wäre nur eine Notlösung für eine unmögliche, aber reale Situation. Dass der Tagi kein Honorar bezahlt ist zum Fremdschämen – oder vielmehr zum Schämen, ich arbeite teilzeitlich bei der Schweizer Familie, die ja auch zur hochprofitablen Tamedia gehört. Selbstverständlich hätte Reto Hunziker von der NZZ ein Ausfallhonorar verlangen sollen, vorausgesetzt natürlich, er hatte ein Honorar vereinbart.

Klaus 04. März 2019, 22:45

Die Geschichte ist natürlich ärgerlich für jemand, der versucht von Journalismus versucht zu leben (und Interviews gehören dazu). Vieles wurde hier gesagt, wie bspw. dass es schon komisch ist einfach nur auf Hoffnung auf ein Honorar ohne Auftrag loszusprinten. – Das sollte eigentlich das 1×1 sein. (Ist es zumindest in anderen Bereichen: ich bin kein Journalist.)

Nur eine Frage stellt sich mir nach dem ich den Artikel gelesen habe und die ganzen Kommentare: es wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Hr. Hunziker Geld zusteht für das Aufschreiben. – Was aber keiner erwähnt hat: der Inhalt wurde nur aufgeschrieben – produziert wurde er von Hr. Lesch. Hat dieser Geld dafür verlangt? Vermutlich nicht. Wieso wird so selbstverständlich davon ausgegangen, dass jemand, der nur aufschreibt Geld für den Inhalt, der von jemand anders produziert wird, bekommt? (Nicht mal: 1/3 für den, der nur aufschreibt und 2/3 für den der den Inhalt liefert.)
Ich weiß natürlich: das ist so üblich. Nur die Zeiten ändern sich: heute gibt es viele, die einfach aus Spass Interviews (bspw. in Podcasts) führen, die einfach selbst ihre Ideen aufschreiben, usw.
Damit sinkt natürlich der Wert des Mittlers enorm. Wir nehmen schon als selbstverständlich an, dass man für das Interview als Inhalt nichts zahlen muss, jetzt ist es halt auch immer mehr so, dass auch für das Aufschreiben als solches nichts mehr gezahlt wird, da es auch das zunehmend im Überfluß gibt.
Nein, das ist natürlich kein Trost. – einfach eine Beobachtung, dass eine Funktion, die vor 100 Jahren noch sehr wichtig war in einer sich ändernden Welt mangels Mehrwert langsam an Berechtigung verliert.

gereon 04. März 2019, 23:58

Nunja, ein gutes Interview ist in der Regel eine Menge Arbeit. Ich mache öfter Interviews mit Künstlern und es sind mindestens zwei Stunden intensives Recherchieren angesagt, um ein gutes Gespräch zu bekommen. Was an Fakten vorher findbar ist, sollte man nicht fragen müssen. Dann muss das Material sortiert, verdichtet und in eine spannend zu lesende Form gebracht werden.

Es stimmt schon, dass inzwischen auch Leute ohne Erfahrung und Ausbildung Interviews führen, das Internet bietet billig Raum, sich auszubreiten. Oft genug sind das Ergebnis aber endlos lange, Wort für Wort aufgeschriebene Unterhaltungen, die langweilig zu lesen sind, von Bewunderung und Biederkeit geprägt sind und weder unterhaltsam, noch informativ sind. Beispiele, etwa von Youtubern, die vor einem Star oder einer Politik-Größe sprach- und einfallslos werden, gibt es.

Dass ich viele Aufträge für Interviews habe, liegt daran, dass ich mich besser als andere vorbereite, dass ich versuche, immer interessante Themen anzuschneiden und dass ich wirkliche Gespräche führe und nicht eine Liste von Fragen abspule. Und ich bemühe mich, mein Gegenüber zu verstehen. Außerdem bin stets an ihrer Kunst interessiert, nicht an Klatschgeschichten. Das wird auch von Künstlern geschätzt und führt dazu, dass ich weitere Gespräche bekomme.

Deshalb soll meine Arbeit bezahlt werden.

Dass die Interviewpartner nicht bezahlt werden, heißt nicht, dass sie nichts davon hätten: Sie bekommen Publicity, ihre Konzerte/Shows werden besser besucht, sie bekommen Aufmerksamkeit. Bei anderen Berufsgruppen sind es ähnliche Vorteile.

beste Grüße,

Gereon

CH64 05. März 2019, 20:28

Unabhängig von der tatsächlichen Arbeit, der Markt ist einfach schwierig. Es gibt durch die Probleme im Print-Bereich einfach weniger Geld zu verteilen. Gleichzeitig wollen weiterhin viele Journalist sein und werden. Das führt zu einem Überangebot und zu schlechten Preisen.

Journalisten sind da wie Bauern. Die haben sich in der EU die Milchquoten weglobbyiert, fleißig mehr Produziert und weinen jetzt über die Preise. Natürlich nicht alle, aber viele sind Selbständige ohne Verständnis für einen Markt.

Ich hoffe, dass sie wirklich gut sind und ihre Nische erfolgreich besetzen können. Quantität ist im Journalismus mehr als genug. Die Qualität muss sich halten.

beste Grüße,

CH64

David M. Stern 04. März 2019, 23:16

Dem Fragenspektrum nach zu urteilen, scheinen Sie Herrn Lesch für einen Universalgelehrten in der Tradition eines Leonardo da Vinci zu halten.

Das war Ihr erster Fehler. Denn Lesch ist Astrophysiker mit einem gut geölten Mundwerk. Nicht mehr und nicht weniger.

Ihr zweiter Fehler war, dass Sie Lesch zu Themen befragten, über die er sich schon anderenorts reichlich ausgelassen hat. Das interessiert kaum noch jemanden. Außer Leute wie Sie, die in Ihrem Weltbild von einer vermeintlichen Autorität bestätigt werden wollen.

 

Martin Brecht 05. März 2019, 05:19

Dieses Interview besteht doch Größtenteils nur aus links-grün-propagandistischem Geseier ohne jegliche Argumentation. Geistlose Demagogie.
Weshalb sollten ethnisch homogene Nationen und Grenzen schlecht sein? Sie haben sich seit Jahrtausenden bewährt; riesige Vielvölkerreiche eher weniger. Wieso sollte man es zulassen, dass der Klimawandel als politisches Vehikel benutzt wird, um unsere westlichen Länder finanziell auszubluten und den Rest der Welt zu begünstigen? Der Westen überaltert, unsere Bevölkerungen schrumpfen, entsprechend werden unser Ressourcenverbrauch und Reichtum in naher Zukunft rasch zusammenbrechen. Weshalb sollen wir nun das angesparte Kapital, von dem unsere wenigen Kindeskinder werden zehren müssen, an unzivilisierte Gesellschaften mit ungezügeltem Bevölkerungswachstum verschleudern? Afrika und Islamistan werden jede von unserer Industrie eingesparte Tonne CO2 umgehend durch erhöhte Kinderproduktion wettmachen. Je mehr Entwicklungs- und „Klimahilfe“ wir ihnen zahlen, umso schlimmer heizen wir das Bevölkerungswachstum und damit das wichtigste Konfliktpotential an – Massenmigration ist schließlich eine bewusst(!) eingesetzte Waffe, insbesondere des islamischen Imperialismus.
Der von Lesch gescholtene Herr Salvini hat es binnen kürzester Zeit geschafft, die Invasisionsdynamik aus Afrika signifikant zu bremsen, sodass übrigens auch kaum noch Menschen im Mittelmeer ertrinken.

Lesch erklärt hier dagegen mit keinem Wort, wie seine „One World“-Utopie funktionieren soll.Hoher Sachverstand in bestimmten naturwissenschaftlichen Disziplinen garantiert noch lange keinen absoluten Durchblick in gesellschaftspolitischen Fragen. Der Ostblock hatte ebenso schon geniale Wissenschaftler, die politisch-ideologisch aber ganz auf marxistisch-schwachsinniger Welle schwammen. Deren politische Einlassungen im Neues-Deutschland-Stil wollte auch schon keiner lesen, geschweige denn dafür bezahlen.

EinFragender 05. März 2019, 09:23

… aber das will innerhalb der Blase niemand lesen und schreiben. Es entspricht nicht dem eigenen Weltbild, auch wenn es argumentativ gut untermauert werden könnte und zu guten Diskussionen führen könnte.

 

Denn einen anderen Blick auf etwas zu werfen und neue Wege zu denken, ist verpönt in weiten Teilen des Journalismus und der Politik.

Wer etwas anderes schreibt als der übliche biedere und langweilige Journalismus zulässt wird sehr schnell diffamiert und ausgegrenzt.

Eine offene Diskussion ist nicht erwünscht, wer sich daran nicht hält wird mit den üblichen Attributen versehen und das war’s dann.

 

Manche Weblogs und die neuen freie Medien haben bei jeden Artikel eine Reichweite die weit über 30000 Likes hinaus geht und viele sind Reichweitenmäßig bei vielen Artikeln auf Augenhöhe mit dem Spiegel und der SZ.

Und das obwohl diese neuen freien Medien von vielen Seiten bekämpft und diffamiert werden.

 

Wie kommt das? Ganz einfach, es ist oft sehr gut was die schreiben. Es ist konträr, es macht Spass das zu lesen und man liest es gerne auch wenn man anderer Meinung ist! Weil es einfach guter Journalismus ist. Ein Journalismus der zu einer konträren Diskussion einlädt, ein Journalismus für mündige Menschen die selber denken können.

R. Schupp 05. März 2019, 08:04

„Genau das war mir aber wichtig, denn Lesch sprach Tacheles und es wäre gut, fand ich, wenn so viele Menschen wie möglich aufgerüttelt würden.“
Das erinnert mich an die Verwendung von Zitaten, um Andere („Persönlichkeiten“) die eigene Botschaft transportieren zu lassen, ihr (mehr) Gewicht verleihen zu wollen.

Es war lange Zeit ein Erfolgsmodell, statt kritischem(!) Journalismus Gesinnungsjournalismus zu liefern. Aber Zeiten ändern sich.
Gott sei Dank wird so etwas immer schlechter bezahlt.

EinFragender 05. März 2019, 08:57

Ehrlich gesagt: Das Thema ist ausgelutscht und Interessiert außerhalb einer bestimmten Blase niemanden mehr. Es gibt schon zu viele Weltuntergangsszenarien, es ist nichts neues, es ist biederer Mainstream.

 

Ja, es ist mir klar das Interviews mit Wissenschaftlern die andere, durchaus fundierte Sichtweisen haben und neue Gedanken formulieren unangenehm sind. Man will nur das eigene Weltbild bestätigt sehen und ungern bietet man jemanden eine Plattform der politisch anders tickt. Diese Engstirnigkeit führt dazu dass die Artikel unverkäuflich sind und auch dazu das in der ganzen Branche die zahlenden Leser immer weniger werden.

Warum für etwas zahlen was man dauern vorgekaut bekommt?

 

Wenn die Journalisten aufhören würden und sich nicht imner mit einer Sache gemein machen würden, sondern das machen was Journalisten tun sollten, dann würde man auch wieder Geld verdienen: Eben Impulse und Gedabjenanstöße geben und Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.

 

Das findet auch Leser und auch Leser die gerne zahlen dafür. Nur den biederen Einheitsbrei den man überall liest und der durch Journalisten wie Relotius geprägt ist, mögen immer weniger.

 

PS: … viele Weblogs und neue/freie Medien haben zwischenzeitlich eine Reichweite die so groß oder größer ist als die von etablierten Medien. Und viele Leser (wie ich) lesen lieber ausländische Presse. Warum wohl?

R. Schupp 05. März 2019, 11:01

Für eine wachsende Anzahl von Lesern *sind* Tagi oder Medienwoche bereits „Auslandspresse“ (CH). 😉
Aber es kommt mMn weniger auf „Ausland“ an, denn auf eben jenen non-konformen bis kritischen Journalismus, den z.B. eine NZZ oder BAZ noch(?) bieten.

Was ich z.B. einen schönen Vergleich finde, ist die in DE öfters gelesene Aussage „NZZ – das neue Westfernsehen.“

P.S. Wir „wir wollen aber kritischen Journalismus!“-Denker sollten dabei immer auch bedenken, dass kritischer Journalismus nicht zwingend das ist, was wir lesen möchten, sondern auch für uns unangenehme Wahrheiten transportieren kann. Vielleicht wäre „meinungsvielfältiger Journalismus“ die bessere Aussage.

Frank Norman 05. März 2019, 13:29

Bei aller Liebe, dieses Allerweltsgesülze wurde doch zu recht nirgends angenommen. Seichte Fragen, Antworten die zu allem und jedem passen, Informationswert null. Lesch als geistige Größe zu identifizieren ist im übrigen relativ 😉 .

Nur  weil da ein Promi Worthülsen ablässt wird daraus noch lange nichts was einer Veröffentlichung würdig wäre. Abgesehen davon hat der Autor den Schuss nicht gehört.  Die ganzen Zwangsabgaben sind durch. Selbst die Narrative haben sich „gewandelt „. K-Katastrophe -> G-Erwärmung -> K-Wandel.  Sie sehen wohin der Hase läuft?

Irgendwann wird auch mal durchsickern das mehrere hundert Meter Pegeländerung doch ein Argument sind. Eben weil vorgeschichtlich, ganz ohne Menschen, Autos und Heizperioden. Im Vergleich zu den paar Zentimetern der Moderne. Vom global warming auf anderen Planeten mal ganz abgesehen.

Wenn Sie einen Tipp brauchen. Untersuchen Sie mal das „Klimagas“ aus dem CO2 entsteht, wo es herkommt und wo es hin geht. Das wird wohl eher Zeitgeist. Das muss aber langsam erfolgen, immer schön im Widerstreit mit den Gläubigen. Dann klappt es auch mit den Artikeln .

Alexandra Molinaro 07. März 2019, 07:27

Freie Journalistinnen und Journalisten leisten gute Arbeit. Das hat auch Reto Hunziker bewiesen: sein Interview wurde tausendfach geteilt und fast 300 Mal kommentiert. Es muss selbstverständlich sein, dass solide Arbeit, die bei der Zielgruppe erst noch ankommt, fair entschädigt wird. Die Bewegung Courage Civil setzt sich unter anderem für unabhängige Medien ein. Reto Hunziker kennen wir nicht persönlich, wir haben ihm aber heute 400 Franken überwiesen. Die CEO von NZZ und Tamedia haben wir aufgefordert nachzuziehen, siehe http://www.courage-civil.ch/aktuell/