von Miriam Suter

Sexismus in den Medien: «Bei euch ist das doch nicht so»

Simone Rau ist Reporterin beim Tamedia-Recherchedesk und hat mit ihrer Geschichte zu #MeToo im Journalismus die Branche aufgerüttelt. Ein Blick hinter die Kulissen.




Kurz vor Pfingsten hat die Reporterin Simone Rau den ersten Artikel ihrer Recherche zu Sexismus und Belästigungen im Journalismus veröffentlicht. Darin zeigt sie auf, dass Journalistinnen, verglichen mit anderen Berufen, besonders stark von Übergriffen betroffen sind – sowohl von ihren Chefs als auch von Interviewpartnern und Informanten. In einer exklusiven Umfrage kamen Rau und ihr Team vom Tamedia-Recherchedesk zu erschreckenden Zahlen und Fakten: Fast die Hälfte der Belästigten – teilgenommen haben über 750 Journalistinnen und Journalisten – hat Vorfälle erlebt, die über schlüpfrige Bemerkungen hinausgehen. Besonders gefährdet sind Berufseinsteigerinnen. Auffallend oft berichteten Journalistinnen von Belästigungen durch Vorgesetzte, nur die wenigsten Betroffenen melden die Vorfälle, entsprechend gering sind die Konsequenzen für die Beschuldigten. Viele Betroffene kämpfen jahrelang mit den Folgen.

Anfang Juni doppelte Rau nach und veröffentlichte einen Artikel, in dem vier Journalistinnen mit Gesicht und Namen darüber sprachen, wie sie beim Arbeiten bedrängt wurden. Die ganze Recherche läuft unter dem Schlagwort #MediaToo, angelehnt an die Bewegung #MeToo, die auf Missbräuche im beruflichen Kontext durch mächtige Männer aufmerksam machte und unter anderem dazu führte, dass der US-Filmmogul Harvey Weinstein verurteilt wurde.

Übergriffe und Missbrauch von Macht geschehen überall, auch im Journalismus. Auch ich habe dazu recherchiert. Letzten Sommer habe ich vom Reporterforum ein Recherchestipendium erhalten, um eine Geschichte abzuschliessen, die in den letzten Zügen lag. Konkret ging es um einen Chefredaktor, der seine Machtposition ausnutzt und sich übergriffig verhält gegenüber Angestellten.

Je weiter fortgeschritten die Recherche war, mit je mehr Leuten ich sprach, desto vorsichtiger wurden meine Quellen. Immer mehr zogen sie sich zurück, am Schluss gelang es mir bei keiner Aussage, sie on the record zu kriegen. Den Chefredaktor habe ich daher auch nicht mit meiner Recherche konfrontiert. Was ich feststellte: Eine sehr grosse Unsicherheit, Angst und Einschüchterung bei den Betroffenen. Und bei mir manifestierte sich die Frage, in was für einer Branche wir denn arbeiten, wenn wir über Missbräuche vor der eigenen Haustür nicht sprechen, geschweige denn schreiben. Darüber habe ich auch im Medienmagazin «Edito» geschrieben. Schliesslich habe ich mich dazu entschieden, die Recherche auf Eis zu legen.

Die Recherche von Simone Rau war für mich deshalb besonders interessant und sie schürt bei mir Hoffnung, dass es eben auch anders gehen kann. Für meine neue Folge hat Simone darüber gesprochen, woher der Input für die Geschichte bei ihr kam und wie es nun mit #MediaToo weitergeht.