von Nick Lüthi

Linkes Geschäft

Wer gegen Bezahlung einen Link auf eine andere Seite setzt und das nicht deklariert, betreibt Schleichwerbung. Und riskiert, von Google mit Nichtbeachtung abgestraft zu werden. Dennoch läuft das Geschäft mit bezahlten Backlinks – auch darum, weil sich Medienseiten für solche Deals einspannen lassen. Ein Blick in die Grauzone des Link-Handels.

Sie sind hartnäckig. Nach einer unbeantworteten Mail geben sie nicht auf. Auf allen Kanälen bieten sie ihre Dienste an. Hier eine lukrative Content-Partnerschaft, dort ein unschlagbares Werbemodell. Wer eine Online-Plattform betreibt, kennt die zwielichtigen Angebote mancher Marketingspezialisten. Eine Kontaktaufnahme zur Geschäftsanbahnung stellt noch keinen kommunikativen Übergriff dar. Doch die Grenzen zum Spam, zur unaufgefordert eingesandten Werbemail, sind fliessend. Grenzwertig sind auch die Angebote selbst. So wie jenes der Firma ICS-digital aus dem englischen Leeds.

Die ICS-Mitarbeiterin Tanja Ihle* versandte am 23. Januar 2019 diese Mail in deutscher Sprache:

«Hallo,

Ich arbeite zur Zeit mit mehreren angesehenen Kunden zusammen und denke, dass ich Ihnen einen tollen Artikel für Ihre Seite medienwoche.ch bieten kann. Der Artikel wäre auf Ihre Seite zugeschnitten und gerne können wir ein passendes Thema besprechen.

Veröffentlichen Sie externe Artikel auf Ihrer Seite?

Falls Sie Interesse an einer Zusammenarbeit haben, kann ich Ihnen gerne weitere Informationen zukommen lassen.»

«Angesehene Kunden», «externe Artikel» und «Zusammenarbeit», da leuchten die Alarmlampen. Was ICS-digital genau macht, erfährt man im branchenüblichen Marketingsprech auf deren Website: «ICS-digital bietet digitale Marketinglösungen, die einen wesentlichen Unterschied machen. Im Mittelpunkt des Service der Agentur steht das Content Marketing (Linkbuilding). Wir erstellen Linkprofile von hochwertigen Websites, um das Suchmaschinenranking für die jeweiligen Keywords zu verbessern.» Es geht also weniger um den Artikel, den die Frau aus Leeds einem andrehen will, als um die darin plazierten Links zur Verbesserung des Suchmaschinenrankings der Zielseite.

Aber warum nicht einmal zum Schein darauf einsteigen, um zu sehen, wie dieses Geschäfts genau läuft? Nachdem Frau Ihle von ICS-digital eine Woche nach der ersten Mail eine Erinnerung geschickt hatte, erhielt sie diese Antwort:

«Guten Tag Frau Ihle

entschuldigen Sie die späte Antwort. Besten Dank für die Kontaktaufnahme.

Wir veröffentlichen immer wieder Gastbeiträge auf unserer Seite – vorausgesetzt natürlich, Thema und Tonalität passen zu unserer Publikation. Daher müsste ich schon sehr genau wissen, was Sie denn zu bieten haben.

Damit ich mir ein besseres Bild machen kann, wäre ich darum dankbar, wenn Sie mir ein paar Beispiele zeigen könnten, wie die von Ihnen vermittelten Artikel auf anderen Seiten aussehen. Senden sie mir doch am einfachsten die entsprechenden Links.

Besten Dank & freundliche Grüsse,

Nick Lüthi»

Nach vier Tagen war der dringende Verdacht erhärtet. Frau Ihle meldete sich mit den geforderten Beispiel-Artikeln und dem Zusatz:

«Wir liefern keine PR-Texte und deshalb werden Sie bei uns niemals explizite Werbung für unsere Kunden finden. Aus diesem Grund möchten wir, dass die Artikel keine Kennzeichnung wie ‹Gastartikel› enthalten, einen Do-Follow-Link zu unserem Kunden beinhalten und mindestens 24 Monate online verfügbar sind.»

Womit klar ist, wie der Deal läuft: ICS-digital versucht, unverdächtigen Publikationen Links unterzujubeln, die auf die Websites von Kunden aus den Bereichen Online-Casino, Sportwetten, Video-Gaming, Technologie, Finanzen und Lifestyle führen. Mit solcher Verlinkung lässt sich die Positionierung der Kunden auf der Trefferliste bei der Online-Suche verbessern. Da Google nicht die Anzahl solcher Backlinks würdigt, sondern die Qualität der Seite, auf der sich ein Link befindet, sind redaktionelle Medien besonders interessant. Das Geschäft scheint zu funktionieren. Schliesslich gibt es mit wenig Aufwand etwas zu verdienen. Für einen Link zahlt ICS-digital 100 Euro. Nicht viel, aber immerhin.

Das wird man sich wohl auch beim deutschen Fachmagazin «Info Digital» gedacht haben. Als Beispiel für einen erfolgreichen Backlink-Deal lieferte ICS-digital einen Artikel auf infosat.de. In dem Text ging es um das Konkurrenzverhältnis von Samsung und Motorola mit Blick auf die 5G-Technologie. Ein Thema, das man auf dieser Plattform erwartet. Doch darin findet sich ein bezahlter Link zum Online-Geldspiele-Anbieter Betway. Um eine inhaltliche Nähe von Ausgangs- und Zielseite der Verlinkung zu simulieren, landet man bei Betway auf einem billig zusammengebastelten Text, der – was für ein Zufall! – auch einen Abschnitt zu Motorola enthält. Damit will man Google glauben machen, die beiden Angebote seien inhaltlich verwandt und darum miteinander verlinkt.

Entdeckt Google Seiten mit gekauften Backlinks, straft der Suchmaschinenbetreiber diese mit Nichtbeachtung. Im schlimmsten Fall verbannt er die Seiten aus der Trefferanzeige. Darum empfehlen alle seriösen Anbieter von Suchmaschinenoptimierung, die Finger von bezahlten Backlinks zu lassen.

Warum sich ein eigentlich seriös wirkendes Fachmagazin wie «Info Digital» mit seiner Website infosat.de dafür hergegeben hat, mit einem solchen bezahlten Link das Trennungsgebot zwischen redaktionellen Inhalten und kommerziellen Aktivitäten zu verletzen, wollte der Verlag nicht mitteilen. Man habe «die Angelegenheit an unsere Anwälte weitergeleitet», heisst es dazu lediglich auf Anfrage. Eine sonderbare Antwort. Was diese Anwälte abklären wollen, bleibt schleierhaft.

Verboten sind solche Link-Deals in der Schweiz nicht. Wer seine Reputation freiwillig aufs Spiel setzen will, darf das jederzeit tun. Wir wollten das aber nicht. Darum schrieben wir nach Leeds:

«Guten Tag Frau Ihle

entschuldigen Sie die Funkstille, ich musste mich noch mit dem Verlag absprechen, ob ein solches Geschäft drin liegt. Uns ist die Sache zu heikel, da wir mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Vorgehen möglicherweise gegen geltendes Recht verstossen würden. So sind zum Beispiel Online-Glücksspiele ausländischer Anbieter in der Schweiz seit Anfang Jahr gesetzlich verboten und die entsprechenden Seiten gesperrt. Werbung dafür zu machen, ist möglicherweise auch verboten (und ergibt v.a. keinen Sinn mehr). Auch würde die bezahlte Veröffentlichung eines Artikels ohne entsprechende Kennzeichnung gegen den Pressekodex verstossen. Wir wollen keine Risiken eingehen, zumal wir mit den 100 Euro Honorar die Kosten für allfällige unangenehme Folgen nie bezahlen könnten. In dem Sinn würden wir uns hiermit zurückziehen.

Besten Dank & freundliche Grüsse,

Nick Lüthi»

Wenig überraschend endete damit der Mailverkehr mit Frau Ihle in Leeds. Tatsächlich ist in der Schweiz die Werbung für nicht bewilligte Geldspiele gemäss dem Anfang Jahr in Kraft getretenen neuen Geldspielgesetz verboten. Als verbotene Werbung gilt auch nur ein Link.

Die ans Unternehmen nachgereichte Frage, warum ICS-digital ein Business betreibe, das geeignet sei, den Geschäftspartnern Schaden zu bereiten, liess das Unternehmen unbeantwortet. Vielleicht auch deshalb, weil die Antwort so naheliegend wie banal lautet: Weil die Grauzone offenbar gross genug ist und sich mit dem verticken von Backlinks Geld verdienen lässt.

Die britische Regulierungsbehörde CMA hat die zweifelhafte Geschäftspraxis in der Vergangenheit schon mal angeprangert, aber keine Sanktionen verhängt. Und so werden weiter die Mailboxen mit grenzwertigen Geschäftsangeboten geflutet.

*Name geändert