von Nick Lüthi

«Es ist gut, wenn ein frischer Wind durch den ganzen Laden weht»

Eine kleine Erfolgsgeschichte in der anspruchsvollen Online-Medienwelt geht zu Ende. Die Inhaber von inside-it.ch haben ihr Branchenmagazin nach 15 Jahren verkauft. Ab 2020 erscheint die Publikation zusammen mit dem Gesundheitsportal Medinside unter dem Dach einer IT-Firma aus Winterthur. Der Mitgründer und langjährige Chefredaktor Christoph Hugenschmidt (61) zieht im Gespräch mit der MEDIENWOCHE Bilanz und nennt die Gründe für das lange (Über)leben von inside-it.ch: unabhängiger Journalismus und Unnachgiebigkeit den Werbekunden gegenüber.

MEDIENWOCHE:

15 Jahre nach der Gründung von inside-it.ch hast du den Verlag verkauft. Gab es wirtschaftlichen Druck für diesen Entscheid?

Christoph Hugenschmidt:

Nein. Wir sitzen auf einem sehr hohen Cash-Bestand, den wir immer gebunkert haben für den Fall, dass wir selber mal etwas übernehmen wollen. 2018 machten wir einen Gewinn von nicht ganz 100’000 Franken, also Reingewinn und nicht EBITDA oder EBIT, und auch 2019 werden wir wieder schwarze Zahlen schreiben.

MEDIENWOCHE:

Warum jetzt der Verkauf?

Christoph Hugenschmidt:

Weil ich vor einem Jahr angefangen habe nach einer langfristigen Lösung zu suchen. Wir möchten nicht ewig da arbeiten, auch Hans Jörg Maron, der andere Mitinhaber, nicht. Unsere Mitarbeiter zeigten kein Interesse, die Firma zu übernehmen, weil sie halt etwas kostet. Daher habe ich mich umgeschaut und jetzt kam es zum Abschluss der Verhandlungen.

MEDIENWOCHE:

Der Käufer, die Winterthurer IT-Firma Deep Impact, führt auch das Gesundheitsportal Medinside. Gab das den Ausschlag?

Christoph Hugenschmidt:

Das war der einzige Grund. Ich habe anfänglich nur mit Medinside gesprochen. Einer der Mitgründer ist der Journalist Ralph Pöhner, früher bei der «Handelszeitung» und finews.ch. Mit ihm kam ich ins Gespräch und wir waren überzeugt, dass eine Kooperation funktionieren könnte. Er ist dann bei Medinside wieder ausgestiegen. Irgendwann fragte ich Medinside, ob wir nicht zusammengehen wollen.

«Ich bin lieber Journalist als Manager, ich mache das nicht gern. Es gab immer wieder Krisen, die nicht nötig gewesen wären.»

MEDIENWOCHE:

Warum kauft eine Firma, die digitale Innovation fördert, ein unabhängiges Branchenmagazin?

Christoph Hugenschmidt:

Wir sind ein Verlag, der seit 15 Jahre zeigt, dass er profitabel arbeiten kann. Nicht alle Jahre, aber die meisten. Wir haben eine etablierte Leserschaft und eine Positionierung im Markt als Meinungsmacher. Wir haben eine funktionierende Redaktion. Mit dem Inside-Channels-Forum führen wir jährlichen einen Event durch, der einen schönen Deckungsbeitrag bringt. Aber wir haben auch einen Verkauf, der nicht optimal funktioniert. Das hat den Firmenwert nicht gesteigert. Das dürften die Argumente für den Kauf gewesen sein.

MEDIENWOCHE:

Zwischen Medizin und IT gibt es ein paar thematische Überschneidungen. Werden die Redaktionen von Medinside und inside-it.ch künftig zusammenarbeiten?

Christoph Hugenschmidt:

Das ist nicht geplant. Ein Journalist, der auf die Gesundheitsbranche spezialisiert ist, kann nichts für uns beitragen. Für das Zusammengehen war der Verlag entscheidend. Wir werden uns den Geschäftsleiter teilen und auch den Verkauf gemeinsam organisieren. Also sicher die Leitung und das Verkaufsmanagement. Das ist übrigens einer der wichtigsten Gründe, warum ich verkaufen wollte. Unser Management war immer schlecht, bei Deep Impact gibt es jetzt ein besseres.

MEDIENWOCHE:

Das heisst, du bist ein schlechter Manager?

Christoph Hugenschmidt:

Ich bin lieber Journalist als Manager, ich mache das nicht gern. Es gab immer wieder Krisen, die nicht nötig gewesen wären.

«Im Januar kommt ein komplett neues und radikales Redesign von inside-it.ch. Es wird neue Funktionen geben, die wahnsinnig cool sind.»

MEDIENWOCHE:

Was kann der neue Eigentümer Deep Impact zur Weiterentwicklung von inside-it.ch beitragen?

Christoph Hugenschmidt:

Die haben sehr viel Know-how, das uns bisher fehlte, etwa bei Social-Media-Marketing oder der bei der Software-Entwicklung. Wir haben bisher alles mit Partnern gemacht, das war sehr toll, aber auch schwerfällig. Wenn du das alles im eigenen Haus hast, bist du viel schneller.

MEDIENWOCHE:

Gibt es bereits konkrete Projekte?

Christoph Hugenschmidt:

Im Januar kommt ein komplett neues und radikales Redesign von inside-it.ch. Es wird neue Funktionen geben, die wahnsinnig cool sind. Als Leser wird man dann beliebige Themen abonnieren können, auf beliebigen Wegen. Du kannst sagen, ich will inside-it.ch nur, wenn zum Beispiel die Begriffe «VBS» und «Süssli» vorkommen oder «Huawei» und «Schweiz». Dahinter steckt aber nicht einfach eine Maschine, die auch einen Treffer für die Suche nach «VBS» anzeigt, wenn es um den Verein der Berufsschüler Kanton Schwyz geht. Dahinter steckt die Logik der Redaktion. Aus der freien Suche heraus kann man so abonnieren, was man will.

MEDIENWOCHE:

Deep Impact übernimmt das ganze Personal von inside-it.ch, auch du bleibst an Bord. Was wird deine künftige Rolle sein?

Christoph Hugenschmidt:

Ich werde als Berater tätig sein. Im Verkaufsvertrag steht, dass ich keine operative Rolle übernehmen werde. Das war eine Bedingung für mich. Ich möchte nicht mehr Chef sein. Meine Aufgaben liegen im Bereich der Produktentwicklung. Auch Journalismus und Events mache ich weiter.

MEDIENWOCHE:

Mit dem Verkauf gibt inside-it.ch seine Unabhängigkeit auf. Darauf basierte bisher eure Glaubwürdigkeit. Keine Angst vor einem Image-Schaden?

Christoph Hugenschmidt:

Seit dem Verkauf habe ich schon auch Kritik in diese Richtung gehört. Der müssen wir uns stellen und die Redaktion muss beweisen, dass sie weiterhin unabhängig arbeitet.

MEDIENWOCHE:

Eure Unabhängigkeit zeigte sich auch darin, dass ihr an einer strikten Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung festhaltet. Du hast es mal so formuliert: «Wenn uns jemand fragt, was er tun könne, damit wir über ihn berichten, sage ich einfach: Geht Konkurs, dann ist das für uns eine News.»

Christoph Hugenschmidt:

Das ist die einzige Garantie, dass man bei uns vorkommt. In den letzten 15 Jahren habe ich das sicher 500 Mal jemandem ins Gesicht gesagt. Das ist mein Lieblingsspruch. Die Leute sind dann immer mega schockiert, wenn sie das hören, aber dann kann man darüber diskutieren. Bei uns läuft es halt nicht so, wie sonst überall: Du gibst mir etwas, ich gebe dir etwas.

MEDIENWOCHE:

Ihr verzichtet auf «kreative» Werbeformate und kommt trotzdem über die Runden. Wie geht das?

Christoph Hugenschmidt:

Das ist ein täglicher Kampf. Es ist schon sehr stressig, vor allem für unsere Verkäufer. Das ist auch einer der Gründe, warum wir immer wieder Probleme hatten, die Verkaufsstelle gut zu besetzen.

MEDIENWOCHE:

Euer neues Partnerportal Medinside bietet Advertorials, also Werbung im redaktionellen Kleid. Kommt das jetzt auch bei inside-it.ch?

Christoph Hugenschmidt:

Das kommt. Wir überlegen uns das schon lange. Von den Kunden wird das sehr stark nachgefragt. Man muss es einfach sauber grafisch trennen: Hallo, hier kommt ein Advertorial, das ist nicht von uns. Da vertraue ich auch auf unsere Redaktion, dass sie auf die Hinterbeine steht und verhindert, dass die Advertorials zu sehr aussehen wie ihre Artikel.

«Unsere Strategie ist es seit sechs Jahren, um das redaktionelle Angebot herum verschiedene Services und Dienstleistungen anzubieten.»

MEDIENWOCHE:

Ausser über Online-Werbung finanziert sich inside-it.ch auch mit Sponsoring, grosse Firmen aus der IT-Branche zahlen viel Geld. Warum tun die das?

Christoph Hugenschmidt:

Einerseits, um uns zu unterstützten, klar. Bei «Abacus» ist das eindeutig so. Andererseits, um ihre Marke zu zeigen. Das ist eine relativ günstige Art, immer sichtbar zu sein auf der Seite.

MEDIENWOCHE:

Ein weiteres kommerzielles Standbein ist das Stellenportal ictjobs.ch, das ihr zusammen mit der dpi publishing Service AG betreibt (Herausgeberin der MEDIENWOCHE und Betreiberin von medienjobs.ch). Wie wichtig ist es, solche Dienstleistungen anzubieten?

Christoph Hugenschmidt:

Das ist Teil des Konzepts. Und es ist die Zukunft. Unsere Strategie ist es seit sechs Jahren, um das redaktionelle Angebot herum verschiedene Services und Dienstleistungen anzubieten. Wir haben heute schon die Veranstaltung Inside Channels Forum und wir ziehen eine Inside Channels Academy auf. Das hat ein gigantisches Potenzial. Das sind branchenspezifische Weiterbildungen. Das kann man aber nur anbieten, wenn man einerseits wirklich etwas versteht von der Branche und der Technologie und andererseits alle Connections hat. Wir können das.

«Die Cloud-Strategie von Swisscom haben wir hundertmal in die Pfanne gehauen, weil sie einfach nichts taugt. Da spielt es keine Rolle, ob ich mit dem Verantwortlichen per Du bin.»

MEDIENWOCHE:

In euren Redaktionsstatuten steht geschrieben, dass ihr euch «durch persönliche Freundschaften innerhalb der Branche (die zwangsläufig durch die Berufstätigkeit entstehen) nicht beeinflussen» lässt. Geht das?

Christoph Hugenschmidt:

Im schlimmsten Fall machst du halt deinen Buddy fertig. Aber am besten suchst du dir Buddys aus, die nicht korrupt sind und eine gute Firma haben oder ich schreibe unter den Artikel: «Ich bin befreundet mit der Person.» Das habe ich schon ein paar Mal gemacht.

MEDIENWOCHE:

Du bis gut vernetzt, kennst in der schweizerischen IT-Branche die Entscheidungsträger, da entstehen über die Jahre Freundschaften. Wie hältst du es mit dem «Du»?

Christoph Hugenschmidt:

Ich bin mit allen per Du. Es wird mir angetragen. Ich bin auch mit Urs Lehner per Du, dem Leiter Swisscom Enterprise Customers. Aber die Cloud-Strategie von Swisscom haben wir hundertmal in die Pfanne gehauen, weil sie einfach nichts taugt. Da spielt es keine Rolle, ob ich mit Lehner per Du bin.

MEDIENWOCHE:

Ihr begleitet die Entwicklung der schweizerischen IT-Branche eng, vermeldet nahezu seismografisch die Entwicklungen und Bewegungen. Habt ihr einen Vollständigkeitsanspruch?

Christoph Hugenschmidt:

Wir haben einen Fokus auf Security-Themen. Das ist ein Thema, das noch grösser wird. Dann schreiben wir viel über den öffentlichen Sektor, weil dort einfach viele Storys drin sind. Zur Finanzindustrie machen wir auch viel. Unser Fokus liegt generell dort, wo viel passiert und wo wir eine Ahnung davon haben. Es gibt aber auch Gebiete, wo zwar auch viel passiert, aber wo wir wenig machen. Zum Beispiel Industrie 4.0. Dort haben wir wenig Kontakte. Oder Informatik und Architektur. Hochinteressant. Findet bei uns aber nur am Rande statt.

MEDIENWOCHE:

Welche Berichterstattung erwartet die Branche von euch?

Christoph Hugenschmidt:

Fokus auf die Schweiz, unabhängig und gut geschrieben. Unsere Leserumfrage war da sehr deutlich.

MEDIENWOCHE:

Wie erlebt ihr die Kommunikationsarbeit der IT-Branche?

Christoph Hugenschmidt:

Wir kriegen täglich Aufrufe. Unser Chefredaktor dreht manchmal fast durch. Bringt doch das, schreibt über das. Oder komm an unseren Event, wir sind doch Werbekunden, wir arbeiten doch zusammen. Das hören wir täglich. Auf der anderen Seite erleben wir auch, dass die Unternehmen die Kommunikation verzögern und dann eine Medienmitteilung verschicken, um unseren Primeur zu verhindern.

MEDIENWOCHE:

Wie sieht es mit juristischen Auseinandersetzung aus?

Christoph Hugenschmidt:

Da hatten wir eigentlich nur einen grossen Fall 2005. Ein indischer Grosskonzern hat uns wegen unlauteren Wettbewerbs eingeklagt. Wir haben gewonnen und sie haben sehr viel Geld gezahlt, nicht als Strafe, aber wegen der hohen Gerichtskosten, die sie übernehmen mussten. Die Firma existiert nicht mehr in der Schweiz, sie ist darob gestorben.

MEDIENWOCHE:

Du hast mal gesagt, du könntest «nie mit einem weltanschaulich geprägten Job Geld verdienen.» Politisches Engagement hast du immer nebenher gepflegt als linker Aktivist, etwa bei der Menschenrechtsgruppe Augenauf, für die du bis 2011 als Sprecher aufgetreten warst. Ist dir das im Beruf nie in die Quere gekommen?

Christoph Hugenschmidt:

Die Leute in der Technologie-Branche sind extrem unaufmerksam. Ich konnte als Sprecher von Augenauf im «10vor10» auftreten, wo Hunderttausende zuschauen und am nächsten Tag sagt mir jemand: Ich habe dich am Fernsehen gesehen. Worum ging es schon wieder, WWF? Es gibt vielleicht Leute, die das merkten und mich mieden. Aber das merkte ich ja dann nicht.

MEDIENWOCHE:

Politisch äusserst du dich auch auf Twitter, aber unter Pseudonym. Warum bist du als Journalist nicht auf Twitter?

Christoph Hugenschmidt:

Da kommt man schnell in Teufels Küche. Das trenne ich lieber und bin happy, wenn ich es irgendwann nicht mehr trennen muss.

«Wir sprechen Junge nicht an und die Alten werden pensioniert. Das hat auch mit den Medien zu tun, die wir bespielen.»

MEDIENWOCHE:

Inside-it.ch ist auch als Unternehmen nicht besonders aktiv auf Social Media. Ein bewusster Entscheid?

Christoph Hugenschmidt:

Nein, das ist eine Schwäche. Mit Social-Media-Marketing will ich schon seit drei Jahren loslegen, aber ich schaffe es nicht. Unter dem neuen Eigentümer wird das sicher besser. Das kann auch helfen, die Leserschaft zu vergrössern.

MEDIENWOCHE:

Bis 2016 gingen die Leserzahlen von inside-it.ch kontinuierlich aufwärts. Seither stagniert die Entwicklung. Habt ihr euer Potenzial ausgeschöpft?

Christoph Hugenschmidt:

Da liegt schon noch mehr drin. Wir sprechen Junge nicht an und die Alten werden pensioniert. Das hat auch mit den Medien zu tun, die wir bespielen. Mit Video, Podcast und Social Media wollen wir stärker werden. Darum ist es gut, wenn ein frischer Wind durch den ganzen Laden weht.

MEDIENWOCHE:

Bei inside-it.ch haben aber immer wieder Kolleginnen und Kollegen gearbeitet, die danach in gute Positionen in grössere Redaktionen wechselten. Was hast du ihnen mit auf den Weg gegeben?

Christoph Hugenschmidt:

Die Wahrheit kommt zuerst. Finde heraus, was ist. Beginne erst mit Schreiben, wenn du selbst weisst, was ist. Und schreibe nicht über dich selbst.

MEDIENWOCHE:

Du wirst gemäss Kaufvertrag noch zwei Jahre im Unternehmen bleiben. Dann bist du 63. Was kommt danach?

Christoph Hugenschmidt:

Ich weiss es nicht. Jetzt muss ich zuerst einmal das nächste halbe Jahr stemmen und die Umsätze reinholen, die wir auch unter den neuen Besitzern brauchen.

MEDIENWOCHE:

Du blickst auf bald dreissig Jahre IT-Journalismus und -Verlagsarbeit zurück. Was hast du erreicht?

Christoph Hugenschmidt:

Mit inside-it.ch haben wird die Qualität der sogenannten IT-Fachpresse in der Schweiz hochgeprügelt. Wir haben sie vor uns hergetrieben und ich behaupte ganz unbescheiden, dass sie wegen uns besser geworden ist. Das Wichtigste ist aber, dass ich einen Verlag mitgegründet habe, von dem alle Leute vor dem Start sagten, maximal ein halbes Jahr macht ihr das, länger nicht.

MEDIENWOCHE:

Was würdest du anders machen?

Christoph Hugenschmidt:

Ich würde einen Management-Kurs besuchen, bevor ich eine Firma gründe.

Leserbeiträge

Peter Zwyssig 19. November 2019, 16:13

Ha, was für ein erfrischender Kerli! Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Hugenschmidt