von Nick Lüthi

Private wollen Streamingplattform mit SRG

Eine gemeinsame Plattform für das schweizerische Fernsehschaffen: SRG und private TV-Unternehmen sprechen seit zwei Jahren über ein solches Projekt. Die Gespräche verliefen bisher ergebnislos. Die Privaten wünschen eine neutrale Infrastruktur und Mitsprachemöglichkeit. Die SRG geht derweil alleine voran, signalisiert aber gleichzeitig Offenheit für Partnerschaften.

Es sieht ganz nach einem Alleingang aus. Wenn im kommenden Herbst die SRG ihre neue Streaming-Plattform ins Netz stellt, werden dort nur eigene Produktionen zu sehen sein: Serien, Spielfilme, Dokumentationen, Nachrichtensendungen aus den vier Sprachregionen der Schweiz. Damit kommt ein stattliches Angebot zusammen.

Es könnte aber noch grösser, ja noch besser sein. Dann nämlich, wenn nicht nur die SRG, sondern auch Schweizer Privatsender ihr Material auf der gleichen Plattform zeigen könnten. In den letzten zwei Jahren sprachen dazu die SRG und der Privatsender-Verband Telesuisse miteinander. Auf ein gemeinsames Vorgehen konnten sich die Vertreter von öffentlichem und privatem Fernsehen bisher aber nicht einigen. Das bestätigt André Moesch, Präsident des Verbands der Privatsender, auf Anfrage der MEDIENWOCHE. «Wir bleiben aber interessiert an einer echten gemeinsamen Lösung», teilt Moesch weiter mit.

«Wir sind offen für Partnerschaften und Kooperationen mit Dritten.»
SRG-Sprecher Edi Estermann

Als die Gespräche vor rund zwei Jahren begonnen hatten, ging es allgemein um mögliche Formen der Zusammenarbeit im Bereich der digitalen Distribution. «Als dann aber die SRG im letzten Jahr ihr Projekt für eine Streamin-Plattform präsentierte, waren die anderen Ansätze vom Tisch», erinnert sich der Telesuisse-Präsident. Derweil signalisiert die SRG weiterhin Kooperationsbereitschaft: «Wir sind offen für Partnerschaften und Kooperationen mit Dritten», teilt SRG-Sprecher Edi Estermann auf Anfrage mit. Priorität habe jetzt aber der Aufbau der eigenen Plattform.

Unabhängig von den Gesprächen, die der Verband Telesuisse mit der SRG führte, ging in Sachen Streaming-Plattform auch CH Media auf die SRG zu. Das grösste private Fernsehunternehmen seit dem Kauf der 3+-Gruppe fragte an, ob es am Projekt für die Plattform mitarbeiten könne. Das bestätigt Roger Elsener, der die TV-Sparte von CH Media leitet. «Leider ist die SRG bislang zurückhaltend und hat es auf unsere Anfrage hin abgelehnt, CH Media in die Projektorganisation mit einzubinden», teilt Elsener mit. Die SRG bestätigt diesen Vorgang. Der ohnehin schon komplexe Aufbau einer neuen Plattform wäre wohl noch deutlich komplizierter geworden mit einem externen Partner. «Wir sind aber im stetigen Austausch und es gibt einige Ideen, wie und was nach der Lancierung eingebunden oder verlinkt werden könnte», erklärt SRG-Sprecher Estermann. Genaueres ist nicht zu erfahren.

Soll die Plattform als eigenständige, neue Marke aufgebaut werden unter einem so fantasievollen Namen wie zum Beispiel «Charma» oder «ZING»?

Einen wichtigen Fingerzeig, wohin sich die SRG mit der neuen Plattform bewegen will, gibt das Branding. Soll die Nähe zum Mutterhaus signalisiert werden mit einer eindeutigen Marke, wie zum Beispiel «SRG+» (ausgesprochen: «SRG plus») oder Play SRG? Oder soll eine eigenständige, neue Marke aufgebaut werden unter einem so fantasievollen Namen wie zum Beispiel «Charma» oder «ZING»? Für die Privaten müsste es klar ein Branding ohne SRG im Namen sein, damit sie sich eine Kooperation vorstellen könnten.

Dass man sich kurzfristig auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnte, ist unter den aktuellen Vorzeichen unwahrscheinlich. In den bisherigen Gesprächen habe die SRG klar signalisiert, dass sie sich nur eine Plattform vorstellen könne, auf der die privaten Anbieter quasi Untermieter wären, erklärt André Moesch. «Das kommt für uns aus kommerziellen und politischen Gründen nicht in Frage.» Darum gebe es derzeit auch keine weiteren Gespräche. «Unser Vorschlag ist es, eine neutrale Plattform zu schaffen, auf der sowohl Angebote der SRG als auch der Privaten Platz finden würden.»

Die milliardenschweren Kolosse werden das grosse Rennen unter sich ausmachen.

Dass sowohl die Privatsender als auch die SRG ihr grundsätzliches Interesse an einer gemeinsamen Videoplattform bekunden, lässt immerhin hoffen, dass sie sich irgendwann in der Zukunft doch noch finden werden. Aus Sicht des Publikums böte eine solche Zusammenarbeit einen unbestrittenen Mehrwert: Je grösser das Angebot, desto attraktiver – was natürlich auch für die Anbieter gilt. Denn wenn das Publikum mehr Zeit auf der eigenen Plattform verbringt, bleibt weniger für andere. Und davon gibt es inzwischen ganz viele.

2020 gilt allenthalben als das Jahr des «Streaming Wars». Neben den etablierten Videoplattformen wie Netflix oder Amazon drängen gerade weitere Grosskonzerne aus der Unterhaltungs- und Technologie-Branche auf den Markt für Online-Video auf Abruf. Zuletzt kamen Apple und Disney mit ihren Streaming-Diensten. Das sind milliardenschwere Kolosse, die das grosse Rennen unter sich ausmachen werden. Aber es bleibt Platz für nationale Angebote und Nischenanbieter.

Dass Kooperation ein möglicher Weg ist, um sich der internationalen Konkurrenz im Streaming-Markt zu stellen, zeigt die britische BBC. Zusammen mit ITV, im nationalen TV-Markt ein Mitbewerber, hat sie die kostenpflichtige Plattform «Britbox» letzten November gestartet. Für sechs britische Pfund pro Monat wolle man dem Publikum «Inhalte anbieten, das es am meisten liebt», zitiert das Fachmagazin «Medienkorrespondenz» den scheidenden BBC-Generaldirektor Tony Hall. Das neue Streaming-Angebot werde «alles haben, von alten Favoriten bis zu neuen Programmen und brandneuen Auftragsproduktionen», so Hall gemäss «Medienkorrespondenz».

In Frankreich spannen derweil die öffentlich-rechtlichen «France Télévisions» mit den kommerziellen Sendern TF1 und M6 zusammen. Sie wollen noch in diesem Jahr mit «Salto» ein vergleichbares Anbot lancieren wie die Briten. SRG und Privatsender wären also in guter Gesellschaft, wenn auch sie eine Kooperation zustande brächten.

Eine Schweizer Plattform hätte zudem den Vorteil, dass Nutzerinnen und Nutzer an einem Ort und ohne weitere Kosten ein Film- und Fernsehangebot geniessen könnten, das ein breites Spektrum an Interessen und Vorlieben bedient. «Wir glauben, dass die Konsumenten eine Schweizer Streaming-Plattform von SRG und privaten TV-Anbietern attraktiv fänden», kommentiert denn auch Roger Elsener von CH Media.