von Nick Lüthi

Ringier und Mobiliar: Elefantenhochzeit mit Ansage

Der eine braucht digitales Know-How – der andere Geld: Die Beteiligung der zweitgrössten Versicherung beim zweitgrössten Medienkonzern ist kein Zufall.

In den letzten zwei Jahren machte der «Beobachter» zwei Fälle publik, in denen die «Mobiliar» schlecht wegkommt. Beide Mal geht es um überzogene Überwachungsaktivitäten der Versicherungsgesellschaft. Der eine Text trägt den Titel «Das sind Stasi-Methoden», der andere «Die falsche Frau überwacht».

Beides sind keine Ruhmesblätter für die «Mobiliar», die sich in ihrer witzigen Werbung («Liebe Mobiliar…») gerne als kundennah gibt. Dass der «Beobachter» auch in Zukunft die Aktivitäten der Versicherung kritisch im Auge behält, liegt im Selbstverständnis der Redaktion. Die Kritik an der «Mobiliar» wird aber in Zukunft den eigenen Verlag treffen. Denn das zweitgrösste Versicherungsunternehmen der Schweiz beteiligt sich mit 25 Prozent am Verlagshaus Ringier, das auch den «Beobachter» herausgibt.

Bei dem Deal ging es aber nicht um Medien, wie beide Seiten versichern. Dass die neue Eigentümerstruktur die Unabhängigkeit der Ringier-Titel nicht beeinträchtige, sei «so selbstverständlich, dass es in unseren Verhandlungen nicht mal ein Thema war», sagte Ringier-CEO Marc Walder dem Branchenportal persönlich.com. Ob das stimmt, wird sich an der künftigen Berichterstattung der Ringier-Medien über die «Mobiliar» überprüfen lassen.

Dass die Unternehmen zueinander fanden, ist kein Zufall. Vor vier Jahren übernahm die «Mobiliar» bereits fünfzig Prozent der Scout24-Gruppe. Die Ringier-Tochter betreibt Onlinemarktplätze für Autos, Immobilien und Finanzprodukte. Das war quasi die Verlobung. Zur Elefantenhochzeit über die Branchengrenzen kam es nun, weil Ringier Geld braucht und die «Mobiliar» digitales Know-How für das Versicherungsgeschäft sucht.

Das Geschäft mit digitalen Plattformen ist stets dem Risiko ausgesetzt, dass irgendwo ein findiger Konkurrent auftaucht, der Ringier den Rang abläuft.

Für die 25-Prozent-Beteiligung soll die «Mobiliar» gemäss der «Sonntagszeitung» zwischen 350 und 450 Millionen Franken zahlen; Geld, das Ringier für weitere Akquisitionen im Digitalbereich braucht. Denn die Transformation vom klassischen Medienhaus zum Digitalkonzern kostet viel. Mehr als zwei Milliarden Franken hat sich Ringier seine Verwandlung bisher kosten lassen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, da das Geschäft mit digitalen Plattformen stets dem Risiko ausgesetzt ist, dass irgendwo ein findiger Konkurrent auftaucht, der Ringier den Rang abläuft.

Mit solcher Disruption muss immer rechnen, wer sich in der Plattformökonomie bewegt. Stabilität, wie sie einst das Geschäft mit Zeitungen und Zeitschriften bot, gibt es heute nicht mehr. Das Einzige, was hilft, ist, den Nutzwert der Plattformen zu erhöhen, damit die Kundschaft nicht zur Konkurrenz abwandert. Als Versicherungsgesellschaft bringt die «Mobiliar» einen Zusatznutzen, der ideal zu den Onlinemarktplätzen von Ringier passt. Wer ein Fahrzeug oder ein Haus kauft, will oder muss seinen neuen Besitz versichern lassen. Das lässt sich nun «aus einer Hand» anbieten – und davon profitieren beide Unternehmen.

Auch wenn sich der Schwerpunkt von Ringier deutlich vom Verlagsgeschäft entfernt hat, heisst das nicht, dass die Medien vernachlässigt oder gar abgewickelt würden. Mit «Blick TV» steht ein Grossprojekt in den Startlöchern, für das Ringier viel Geld in die Hand nimmt. Ein genauer Betrag ist nicht bekannt, aber es darf von einem zweistelligen Millionen Betrag ausgegangen werden. Noch in diesem Frühjahr soll das Onlinefernsehen auf Sendungen gehen. Von morgens um sechs bis abends um elf gibt es jeweils zur vollen Stunde ein viertelstündiges Newsprogramm. Geschaut werden soll «Blick TV» auf dem Smartphone. Für das Projekt, dem Ringier-Chef Walder drei Jahre Zeit gibt, um schwarze Zahlen zu schreiben, hat Ringier 48 neue Stellen geschaffen. An der Spitze steht der ehemalige SRF-«Arena»-Moderator Jonas Projer.

Wer weiss, ob die «Mobiliar» darauf hinwirken wird, dass künftig nicht nur die SRG, sondern auch der eigene Sender die Spiele der Hallensportarten zeigen kann.

Dass die «Mobiliar» als neuer Teilhaber von Ringier auf «Blick TV» mit Werbung präsent sein wird, liegt nahe. Insofern stimmt es doch nicht ganz, dass sich die Versicherung nicht für das Mediengeschäft interessiert; mit Fernsehsponsoring kennt sich die «Mobiliar» gut aus. Seit 2016 unterstützt die Versicherung die Live-Übertragung von Spitzenspielen der vier Hallensportarten Basketball, Handball, Unihockey und Volleyball auf den Kanälen der SRG. Der entsprechende Vertrag läuft noch bis 2023.

Eigentlich müsste auch «Blick TV» Sportübertragungen zeigen, um die 16 Stunden pro Tag mit Programm zu füllen. Wer weiss, ob die «Mobiliar» darauf hinwirken wird, dass künftig nicht nur die SRG, sondern auch der eigene Sender die Spiele der Hallensportarten zeigen kann.

Dieser Artikel wurde zuerst in der Wochenzeitung – WOZ vom 13. Februar 2020 veröffentlich.

Leserbeiträge

Monsieur Digital 18. Februar 2020, 18:44

Jemand muss das Admeira Debakel finanzieren.
Gut gebrüllt Züri Leu.