von Adrian Lobe

Australien vs. Google: Hosen runter und zur Kasse, bitte!

Seit Jahren streiten Verlage mit Google über die Vergütung von Textauszügen, welche die Suchmaschine abgreift und anzeigt. Die australische Regierung prescht nun mit einem Gesetz vor und will Google und anderen Plattformen sogar eine gesetzliche Meldepflicht auferlegen bei Änderungen an den Algorithmen.

Weltweit stecken viele Verlage in einer schweren Krise – und in einer paradoxen Situation. Die Online-Zugriffe erreichen Rekordwerte, besonders zu Corona, während gleichzeitig die Werbung existenzbedrohlich wegbricht. Das Printgeschäft befindet sich gewissermassen im palliativen Modus und muss weitgehend anzeigenfrei auskommen.

Das Gros der Werbeeinnahmen fliesst zu Internetkonzernen ab. Allein Google erzielte gemäss Geschäftsbericht 2019 der Mutterholding Alphabet im vergangenen Jahr einen Anzeigenerlös von 134 Milliarden Dollar. Dies auch dank journalistischer Inhalte – sogenannte Snippets –, die Google in seiner Trefferliste sowie seinem Nachrichtendienst Google News verlinkt.

Wirklich glücklich macht die Verleger bisher keine der getroffenen Vereinbarungen mit Google.

Seit Jahren tobt zwischen Verlagen und Google ein Streit über die Verwertung der Snippets, meist Titel und Lead eines Artikels, welche die Suchmaschine in ihren Trefferanzeige und auf der News-Seite ausspielt. Die Situation präsentiert sich von Land zu Land unterschiedlich. Wirklich glücklich macht die Verleger bisher keine der getroffenen Vereinbarungen mit Google.

Australien will nun die Tech-Giganten gesetzlich dazu zwingen, Verlage für Textvorschauen zu vergüten. So weit, so bekannt. Doch der Gesetzentwurf (News Media Bargaining Code), den die Wettbewerbsbehörde ACCC Ende Juli vorgelegt hat, hat es in sich. Demnach sollen sich Google und Facebook mit den Verlagen auf ein gemeinsames Vergütungsmodell verständigen. Scheitern die Verhandlungen, soll ein Mediator eine Einigung herbeiführen. Wird gegen das Gesetz verstossen, drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes, den die Konzerne in Australien erzielen. Damit soll das «Machtungleichgewicht» zwischen Internetplattformen und Verlagen ausgeglichen werden.

Die australische Medienlandschaft ist von der Krise besonders schwer getroffen, mehr als 150 Redaktionen mussten seit Januar 2019 schliessen. Zwar hat Google im vergangenen Juni angekündigt, für Inhalte zu bezahlen im Rahmen eines Lizenzierungsprogramms, an dem sich neben zwei australischen Verlagen auch «Der Spiegel», «Die Zeit» und die FAZ beteiligen. Doch das reicht den Wettbewerbshütern in «Down Under» nicht.

Gemäss dem australischen Gesetzesvorschlag müssten Google und Facebook Nutzerdaten, die bei ihnen anfallen, an die Verlage weitergeben.

Der Entwurf geht weit über den Regelungsgehalt des Leistungsschutzrechts hinaus, wie es in Europa diskutiert wird. Nicht nur werden in dem australischen Gesetz Google und Facebook explizit genannt. Das Gesetz sieht noch eine weitere, in der allgemeinen Berichterstattung bislang kaum beachtete Neuerung vor, die Signalwirkung für weitere Rechtsgebiete haben könnte: Es verpflichtet Plattformen, Verlage mindestens 28 Tage vor Änderungen des Algorithmus zu informieren. Laut dem Entwurf betrifft dies alle Modifikationen, die den Traffic betreffen, das Ranking von News hinter einer Bezahlschranke sowie die allgemeine Darstellung beziehungsweise Präsentation von Nachrichten und das Anzeigenumfeld. Und: Google und Facebook müssten Nutzerdaten, die bei ihnen anfallen, an die Verlage weitergeben.

Die Vorschrift, die etwas versteckt in dem 13-seitigen Dokument zu finden ist, birgt viel Zündstoff. Denn sie ist nicht viel mehr als ein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell der Tech-Konzerne. Die Algorithmen sind so etwas wie der heilige Gral des Informationskapitalismus. Google und Facebook sehen sie als Geschäftsgeheimnis, geschützt. Die Algorithmen entscheiden, welche Nachrichten und Anzeigen ausgespielt werden, welche Inhalte gepusht werden. Nachdem Facebook 2018 an seinem Newsfeed-Algorithmus drehte, mussten zahlreiche Online-Medien wegen des einbrechenden Traffics schliessen, so auch «LittleThings» oder in der Schweiz das Social-Media-Magazin Likemag. Das Online-Magazin hatte bei der Verbreitung seiner Inhalte hauptsächlich auf Facebook gesetzt. Entsprechend nervös sind die Verlage nach jeder Modifikation des Algorithmus. Es ist etwa so, als würde ohne erkennbaren Grund regelmässig die Kioskauslage umgekrempelt.

Ihre Algorithmen offenzulegen hiesse für Google und Facebook, dass sie mit offenen Karten spielen müssten.

Wenn Facebook und Google etwaige Modifikationen nun im Vorfeld ankündigen müssten, wie es das australische Gesetz vorsieht, wüssten die Medien zwar noch immer nicht, ob ihre Besucherströme versiegen – sie könnten aber immerhin nachvollziehen, wann das geschieht und ihre Strategie entsprechend anpassen. Für Google und Facebook würde diese Regulierung bedeuten, dass sie mit offenen Karten spielen müssten. Entsprechend verärgert reagierten die Plattformen auf das Vorhaben.

Facebook drohte damit, auf seinem Netzwerk sowie auf Instagram keine Nachrichten mehr zu teilen. Der Konzern hat bereits in Frankreich die Anreicherung von Artikeln mit Fotos und Untertiteln eingestellt, nachdem dort das Land als erstes die EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt hatte. Dass Facebook aber lokale Nachrichten komplett verbannt, wäre ein Novum – und Politikum.

Dass Google seine Benutzeroberfläche als Lobbyplattform instrumentalisiert, hat es in dieser Form bislang noch nicht gegeben.

Auch Google macht gegen das Gesetz mobil in Australien. Der Tech-Konzern blendete in der australischen Version seiner Suchmaschine eine Pop-up-Anzeige ein, die auf einen «offenen Brief an die Australier» verlinkte. Darin warnte Google seine Nutzer davor, dass die Suchfunktion sowie die Suchdaten von dem Gesetzesvorhaben bedroht seien. Google könne unter der angedachten Regelung nicht mehr garantieren, dass Nutzer das finden, was für sie am relevantesten und hilfreich ist. «Das Gesetz würde uns zwingen, einer Geschäftsgruppe – dem Nachrichtengeschäft – einen unfairen Vorteil gegenüber jedem, der eine Webseite, einen Youtube-Kanal oder ein kleines Geschäft hat, zu geben», heisst es in dem offenen Brief.

Dass Google seine Benutzeroberfläche als Lobbyinstrument einsetzt, hat es in dieser Form bislang noch nicht gegeben. Die Verbraucherschutzbehörde ACCC warf Google daraufhin vor, Falschinformationen zu verbreiten. Der Konflikt zwischen Verlagen und Plattformen droht in Australien endgültig zu eskalieren.

Die beiden Internet-Giganten spielen im Konflikt in Australien ihre gesamte Macht aus. Frei nach dem Motto: Wenn ihr uns in die Schranken weist, ziehen wir euch den Stecker! Dass das keine leere Drohung ist, belegt das Beispiel Spanien: Dort hat Google seine News-Plattform eingestellt, nachdem die Regierung den Suchmaschinenriesen mit einer Linksteuer für die Nutzung von Snippets zur Kasse bitten wollte. Der Traffic von Nachrichtenseiten stürzte daraufhin um bis zu 15 Prozent ein.

Die Frage ist, ob sich die Plattformkonzerne damit ins eigene Fleisch schneiden, weil sie ein weniger attraktives Produkt anbieten ohne die Nachrichteninhalte. Oder ob sie mit dieser aggressiven Strategie Erfolg haben, weil sie den Druck auf die Regierung erhöhen. Laut einem Bericht der «Australian Financial Review» gibt es in Australien über 100 Youtuber mit mehr als einer Million Abonnenten. Kappt man die Links, fliessen weniger Werbeeinahmen. Konkurrenzsuchmaschinen wie Bing oder DuckDuckGo stehen bereits in den Startlöchern.

Die Drohung, Nachrichten von den Plattformen zu verbannen, ist daher nicht weniger als der Versuch, die digitale Öffentlichkeit zu demolieren.

Allein, Australien braucht Google und Facebook mehr als die Plattformen einen mit 25 Millionen Einwohnern überschaubaren Markt brauchen. Gemäss dem aktuellen Digital News Report des Reuters Institute bezieht jeder vierte Australier Nachrichten über Social Media. 39 Prozent der Facebook-Nutzer nutzen das Netzwerk für Nachrichten.

Wenn Facebook seine Drohung wahrmachen sollte, Nachrichten nicht mehr anzuzeigen und damit Informationen vorzuenthalten, würde das der Demokratie eine wichtige Sauerstoffquelle entziehen. Die Nutzer würden dann eben keine Artikel mehr lesen, in denen über den Streit zwischen der Regierung und den Plattformen berichtet wird. Und wo es immer weniger informierte Bürger gibt, gibt es auch immer weniger politischen Druck, der Facebook oder Google gefährlich werden kann. Die Drohung, Nachrichten zu verbannen, ist daher nicht weniger als der Versuch, die digitale Öffentlichkeit zu demolieren.

Dennoch könnte das australische Gesetz in Sachen algorithmischer Transparenz Pflöcke einschlagen. Denn die geheimen Algorithmen, die Themen hochjazzen oder herunterpegeln, sind ja der wesentliche Grund für die Marktmacht der Tech-Giganten. Eine gesetzliche Meldepflicht für Änderungen an diesen bisher intransparenten Regeln würde daher nicht nur mehr Verlässlichkeit in den Markt bringen, sondern auch die Macht dieser Werkzeuge begrenzen. Die Konzerne argumentieren ja immer: Wir schicken euch Webseitenbesucher, ohne dafür Geld zu verlangen! Also seid bitteschön dankbar dafür!

Zwar wird mit einer Meldepflicht noch immer keine volle Transparenz hergestellt. Doch zumindest ist es ein Zeichen an die Tech-Konzerne, dass sie nicht nach Gutdünken an ihren algorithmischen Stellschrauben herumdrehen können. Das Gesetz könnte eine Blaupause auch für Europa und die USA sein. Fragt sich nur, ob die australische Regierung standhaft bleibt – und die Europäer von «Down Under» lernen wollen.

Leserbeiträge

Swissglide 15. September 2020, 17:03

Kein Mitleid mit den Australischen Verlegern, denn die heissen Murdoch und Murdoch. Je mehr Google denen das Geschäft abgräbt, desdo besser