The Good, The Bad & The Ugly VIII
Tamedia-Buch,
SRG-Sparprogramm,
Abstimmungskommentare
The Good – Umfassende Corona-Recherche
Wenn bereits der Titel eine Fehlinformation enthält, gibt es oft wenig Grund anzunehmen, dass es besser weitergeht. Einen «Lockdown» gab es in der Schweiz nie als Massnahme gegen die Covid-19-Pandemie. Die «ausserordentliche Lage», wie sie der Bundesrat nannte, war wenn schon ein teilweiser Shutdown.
Im Fall der aktuellen Buchpublikation «Lockdown – Wie Corona die Schweiz zum Stillstand brachte – Schicksale, Heldinnen und ein Bundesrat im Krisenmodus» darf man grosszügig über den bewussten (?) Missgriff zu PR-Zwecken hinwegsehen. Was die 14 Autorinnen und Autoren vom Tamedia-Recherchedesk nur wenige Monate nach den einschneidenden Wochen im vergangenen Frühjahr vorlegen, hat das Zeug zum Standardwerk. Das liegt nicht nur an der Breite und Tiefe der Recherche, sondern vor allem an der erzählerischen Qualität. Während die tagesaktuelle Berichterstattung zur Pandemie von Zahlen, Fachterminologie und für den Laien oft schwer einzuordnender Meinungskontroverse geprägt ist, schreiben die Tamedia-Journalistinnen und -Journalisten eine packende Geschichte, ohne bei der Präzision der Fakten Abstriche zu machen.
Im Zentrum steht das Krisenmanagement des Bundesrats und die Folgen davon für Gesellschaft und Wirtschaft in der Schweiz, akribisch aufgearbeitet in 200 Stunden Gesprächen mit den entscheidenden Akteuren und mit losgeeisten Protokollen der verantwortlichen Gremien. Bei aller begründeten Kritik an einzelnen Schritten und Massnahmen, kommen die Autorinnen und Autoren zum Schluss, die schweizerischen Behörden hätten «vieles richtig gemacht, indem sie unter Hochdruck meist umsichtig handelten». Etwa indem sie keinen Lockdown verhängten, wie der Titel des Buchs suggeriert.
The Bad – Von Menschen und Mauern
Als Schweizer Radio SRF vor zwei Jahren bekannt gab, das Studio Bern aufgeben und die Redaktionen nach Zürich verlegen zu wollen, begründete die Chefredaktorin den radikalen Schritt mit einer eingängigen Floskel: Sie spare lieber bei den Mauern als bei den Menschen. Also weniger Immobilien, dafür auch weniger Abstriche beim Personal. Tatsächlich fielen dem damaligen SRG-weiten Sparprogramm im Umfang von 100 Millionen Franken «nur» 170 anstatt der angekündigten 250 Stellen zum Opfer.
Jetzt folgt das nächste SRG-Sparpaket in der Höhe von 50 Millionen. Und erneut sollen 250 Stellen gestrichen werden. Von Menschen und Mauern spricht niemand mehr. Dabei zeigt ein Blick in die Westschweiz, dass die SRG sehr viel Geld für Mauern ausgeben will, während sie gleichzeitig massenhaft Menschen zu entlassen ankündigt. Der geplante Campus für das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS in Lausanne sollte ursprünglich 70 Millionen Franken kosten. Inzwischen rechnet die SRG mit Erstellungskosten von 120 Millionen für das neue Produktionszentrum. Der Zufall will es, dass die Kostensteigerung genau dem Betrag des aktuellen Sparpakets entspricht.
The Ugly – Männer erklären Politik
Es war ein Super-Abstimmungssonntag. Fünf Vorlagen kamen an die Urne. Entsprechend gefordert waren die Redaktionen dieses Landes. Doch das journalistische Grossaufgebot zeigte einen eklatanten Mangel, den man 2020 so eigentlich nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Abgesehen von ein paar Ausnahmen, die sich an einer Hand abzählen lassen, kommentierten ausschliesslich Männer die Abstimmungsergebnisse. Einzig beim «Blick» und «24 Heures» griffen insgesamt drei Redaktorinnen kommentierend in die Tasten. Bei Tamedia, NZZ und CH Media taten das je fünf Redaktoren. Schweizer Radio und Fernsehen SRF ist insofern ein Sonderfall, als dass es den klassischen Meinungskommentar nicht gibt. Aber das verwandte Format der News-Analyse blieb am Abstimmungssonntag auch bei SRF in Männerhand.
Selbst bei «Le Temps», erst kürzlich für seine Frauenförderung ausgezeichnet, erklärten nur Männer die Ergebnisse. Die erdrückende Männerdominanz überrascht insofern, weil sehr wohl auch Frauen zur Abstimmungsberichterstattung beigetragen haben. Doch am Ende erklären die Männer, was Sache ist und stellen sich mit ihrer Meinung ins Rampenlicht.
alain gfeller 09. Oktober 2020, 09:34
Danke für „The Ugly“. Es fällt den Herren sonst nicht auf.
Nach der SRF-Tagesschau schaute ich die Welschen Nachrichten. Dort ordneten Frauen ein.