von Nick Lüthi

«Kommt alles noch»: Startbilanz der neuen SRG-Plattform «Play Suisse»

Mit einer unfertigen Plattform stolperte die SRG in die Streaming-Welt. Warum das kein Drama ist und wie sich «Play Suisse» weiterentwickeln soll, erklärt Bakel Walden, Direktor Entwicklung und Angebot der SRG, im Gespräch mit der MEDIENWOCHE.

Kein Wunder sind die Erwartungen hoch, wenn der Branchenprimus als Massstab dient. Obwohl es die SRG selbst tunlichst vermeidet, ihre neue Streaming-Plattform als Schweizer Netflix zu bezeichnen, liegt der Vergleich auf der Hand. Entsprechend enttäuscht zeigt sich ein Teil des Publikums, dass zum Start von «Play Suisse» essenzielle Funktionen und Inhalte fehlen. Warum gibt es keine App fürs Tablet? Wieso fehlen Schnittstellen, um die Filme und Serien auch auf den grossen Bildschirm zu bringen? Wo bleibt «Der Bestatter»? Bakel Walden hat darauf eine einfache Antwort: «Kommt alles noch.»

Walden hat die Entstehung der neuen Plattform seit dem Start des Projekts im September 2019 als Direktor Entwicklung und Angebot der SRG eng begleitet. Kritik nimmt er ernst, aber er nimmt sie auch gelassen. Zum einen, weil er um die Mängel weiss, zum anderen, weil er in den Rückmeldungen ein grundsätzliches Interesse an «Play Suisse» sieht. Das zeigten auch die Anmeldungen auf der Plattform. «Wir zählen nach zehn Tagen schon so viele angemeldete Nutzerinnen und Nutzer, wie wir eigentlich erst Ende Jahr erwartet hätten», sagt Walden. Genaue Zahlen will das Unternehmen Mitte Dezember nennen.

Den Launch-Termin vom 7. November zu verschieben, sei trotz der bekannten Defizite kein Thema gewesen. «Wir waren der Ansicht, dass wir das Produkt so verantworten können», sagt Bakel Walden in einem Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Und ergänzt: «Aber wir wissen auch, dass es eine lange Liste gibt mit anstehenden Aufgaben.» Bis Ende Jahr soll ein Grossteil jener Mängel behoben sein, die nach dem Start Anlass zur Kritik gaben. Die Entwicklungszeit vom Projektstart bis zum Launch dauerte 14 Monate. «Das ist eine relativ kurze Zeit für eine solche Plattform», weiss Walden. Am anspruchsvollsten sei die Entwicklung der Smartphone-App gewesen. «Auf älteren Geräten läuft die App langsamer, dafür mussten wir dann eigene Versionen entwickeln und das braucht Zeit.»

Die Untertitel sind die Raison d’être der neuen Plattform, aber auch das Pièce de résistence.

Eine funktionierende Technik ist aber nicht viel wert ohne attraktive Inhalte. Wann also kommt der «Bestatter»? Das Fehlen der erfolgreichen Eigenproduktion auf der SRG-Streaming-Plattform fiel vielen negativ auf. «Es freut mich, dass die Leute die Serie vermissen», sagt Walden. Bei zwei von insgesamt vierzig Episoden habe die Untertitelung Fehler aufgewiesen. Aber bereits nächste Woche sollen die behoben sein und die Serie mit allen sieben Staffeln auf «Play Suisse» verfügbar.

Überhaupt die Untertitelung. Sie ist quasi die Raison d’être der neuen Plattform – und erweist sich gleichzeitig als Pièce de résistence. Sämtliche Filme und Serien auf «Play Suisse» sollen in den drei grossen Landessprachen verfügbar sein, rätoromanische Produktionen gar in allen vier. Aber die Untertitelung ist auch «der Flaschenhals, durch den alle Titel durchmüssen», gibt Walden zu bedenken. Um nicht noch langsamer zu werden, nimmt die SRG gewisse Abstriche bei der Qualität in Kauf. Wenn beispielsweise bereits Untertitel für Hörgeschädigte existieren, die neben dem Gesprochenen auch Umgebungsgeräusche und Musik in Textform umschreiben, dann werden diese übernommen. Für Menschen mit intaktem Gehör wirken die Zusatzinformationen zwar irritierend, aber als Kompromiss taugen diese Untertitel alleweil.

Steht die Loginpflicht nicht im Widerspruch zum Gebot, alle Inhalte, die auf «Play Suisse» stehen, weiterhin auch frei zugänglich zu halten?

Gestartet ist «Play Suisse» mit rund 600 Titeln, bis Ende Jahr sollen es über 1000 sein. Darunter gibt es auch Filme, die exklusiv auf der Streamingplattform stehen, etwa die Schweizer Produktionen «Der letzte Weynfeldt» und «Der Läufer». Zu sehen kriegt die nur, wer sich auf der Plattform mittels eines persönlichen Logins anmeldet. Steht die Loginpflicht nicht im Widerspruch zum Gebot, alle Inhalte, die auf «Play Suisse» stehen, weiterhin auch frei zugänglich zu halten? «Das stimmt so nicht ganz», präzisiert Walden. «Bedingung ist einzig, dass diese Filme irgendwann im freien Angebot verfügbar sind.» Die genannten Spielfilme, die jetzt auf «Play Suisse» stehen, seien zuvor sowohl im linearen TV-Programm, als auch auf den sprachregionalen Online-Plattformen zu sehen gewesen.

Die Login-Pflicht auf «Play Suisse» sorgt immer wieder für Irritation. Kritiker sehen darin einen Widerspruch zum Service-public-Auftrag der SRG. Neben dem persönlichen Mehrwert in Form von Empfehlung aufgrund des Nutzungsverhaltens betont die SRG auch die medienpolitische Dimension. «Mit der Loginpflicht zeigen wir uns solidarisch mit den Verlagen», erklärt Bakel Walden und verweist auf die sogenannte Login-Allianz, in der sich die grossen Schweizer Medienhäuser und die SRG zusammengeschlossen haben. Gemeinsam wollen sie die Nutzerinnen und Nutzer dazu bringen, das Login als neue Normalität beim Medienzugang zu akzeptieren. Die Verlage tun das aus kommerziellem Interesse, die SRG hingegen betont, dass ihre Daten in keiner Weise geschäftlich genutzt und auch nicht mit den Verlagen geteilt würden.

«Wir stehen erst ganz am Anfang. Für uns war immer klar, dass es ein Marathonlauf werden wird.»
Bakel Walden, Direktor Entwicklung und Angebot der SRG

Die Kooperation mit den Verlagen soll über die Login-Allianz hinausgehen. Am Swiss Media Forum forderte CH Media-Verleger Peter Wanner, «Play Suisse» müsse für alle Teilnehmer zugänglich sein müsse. Dies sei aber seinen Medien von der SRG verweigert worden. Mit der Forderung nach Kooperation renne Wanner offene Türen ein, erklärt SRG-Mann Bakel Walden: «Wir stehen längst in einem intensiven Austausch mit CH Media». Es gehe dabei aber weniger darum, Inhalte von Privaten auf die Plattform zu bringen, als um eine Kooperation im technologischen Bereich, so dass Partner beispielsweise Software übernehmen können, welche die SRG entwickelt hat.

Und was sind nun die nächsten Schritte mit «Play Suisse»? Bakel Walden: «Wir stehen erst ganz am Anfang. Für uns war immer klar, dass es ein Marathonlauf werden wird.» Bis Ende Jahr kommen neben den technischen Ergänzungen und Verbesserungen neue Eigenproduktionen auf die Plattform. Etwa die SRF-Krimiparodie «Advent, Advent» oder die Politserie «Cellule de crise» von RTS. «Damit sollte zu Weihnachten genügend Content auf der Plattform verfügbar sein.»

Leserbeiträge

Arthur Meyer, Wien 19. November 2020, 18:46

Die offizielle Schweiz gibt für die Kommunikation mit den so genannten Auslandschweizern – auf Kosten der Inlandschweizer  – Unsummen aus, die sich auf verschiedenste, nicht über alle Zweifel erhabene Medien und Plattformen verteilen, von der Hochglanz-Jubelgazette „Schweizer Revue“ über eine Art Auslandschweizer-Facebook bis hin zu Swissinfo und den einseitigen  Websites des Auslandschweizer(vereins)-Sekretariats. Die neue Streaming-Plattform „Play Suisse“ hätte sich hervorragend als Bindeglied zu Schweizern und an der Schweiz Interessierten im Ausland geeignet. Im Gegenzug hätte sich so manche der bisherigen „Kostenstellen“ einsparen lassen. Allein der Internet-Zugang zu „Play Suisse“ ist – angeblich aus Urheberrechtsgründen – allen ausserhalb der Schweizer Grenzen Lebenden verwehrt…

MonsieurDigital 20. November 2020, 13:22

Moin, moin Kollegen und Kolleginnen, Danke Nick für Deine Plattform und die Inhalte.

Ich habe mich also bei Play Suisse angemeldet und nach der ersten Durchsicht und Funktionalitätstest nicht mehr wieder angemeldet. Mein Benchmark ist hier nicht Netflix sondern der öffentlich rechtliche Rundfunk wie z.B. ARD/ZDF/ArteTV etc.
Mein erster Eindruck von den Inhalten war: „Alles ausgelutschtes Material“. Die Serien fehlen, die Angebotsbreite sowie Tiefer ist Bescheiden und überschaubar. Deshalb muss der Herr Walden noch etwas Gas geben.

Ich schaue dann im Frühling wieder einmal rein und wünsche der SRG Geschäftsleitung viel Erfolg. Denn mit Geld kann man zwar eine Plattform bauen doch die Inhalte kosten dann nochmals extra. Dies wird also der Knackpunkt sein. Und das Gejammer der Verleger habe ich satt. Die werden nun schon seit Ewigkeiten von den Steuerzahlern subventioniert und Schmarotzen bei der SRG-SSR rein. Die sollten sich im Moment besser um die richtigen (fachlich) und wichtigen (Relevanz) und motivierenden (Aufbauend) Inhalte in Ihren Medien kümmern.

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Zitat: Albert Einstein

Ich grüsse Euch aus dem digitalen „ÄTHER“

Monsieur Digital