von Nick Lüthi

Fabian Ruch macht das «Sportlerin»-Magazin: «Was, du und Frauensport? Was ist passiert?»

Am 16. Dezember erscheint erstmals die «Sportlerin». Gründer und Redaktionsleiter des Frauensport-Magazins ist der Berner Journalist Fabian Ruch, der im Sommer die «Berner Zeitung» nach 22 Jahren im Streit verlassen hat. Als Fussballreporter fiel Ruch nicht damit auf, Frauen in seiner Berichterstattung angemessen zu berücksichtigen. Im Gegenteil. Und jetzt also Frauensport.

Ist es das schlechte Gewissen? Eine Art Wiedergutmachung für all die Jahre, in denen er Frauen aus der Berichterstattung herausgehalten hatte? Dass Fabian Ruch nach einem Vierteljahrhundert Männersport nun ein Frauensport-Magazin herausgibt, zeugt auch von einer Einsicht in die Mechanismen des Sportjournalismus. Von einer späten zwar, aber noch rechtzeitig für die zweite Hälfte seines Berufslebens.

«Ich bin das beste Beispiel dafür, warum es so ist, wie es ist», sagt Fabian Ruch in seinem kernigen Berndeutsch. Wie oft habe er in den letzten Jahrzehnten an Redaktionssitzungen Frauenthemen kleingeredet, weil «Neymar irgendein Wehwehchen hatte» oder beim FC Basel ein Transfer anstand, was ihm und seinen Kollegen dann doch relevanter erschien. Doch jetzt geht es in die andere Richtung mit einem Magazin, das diesem Defizit – zumindest punktuell – entgegenwirkt. 114 Seiten Frauensport bietet die «Sportlerin». Die erste Ausgabe erscheint am 16. Dezember.

Eine vielseitige «Sportlerin»

Mujinga Kambundji, die schnellste Sprinterin der Schweiz, posiert auf dem Cover mit verschränkten Armen und schaut einen mit neutralem Gesichtsausdruck direkt an. Das ist kein besonders originelles Motiv für die Erstausgabe einer neuen Publikation, die auffallen muss. Aber das Bild ist ehrlich, es verspricht nicht zu viel und zeugt von einer professionellen Nüchternheit, die das ganze Heft prägt. Es geht nicht um einen neuen Sportjournalismus oder um das beste Sportmagazin, sondern um eine vermutete Marktlücke, welche die «Sportlerin» nun füllen soll.

Anders als die Top-Athletin auf dem Umschlag vermuten lassen könnte, wird nicht nur Leistung und Erfolg abgefeiert. Die erste Ausgabe der «Sportlerin» sieht sich vielmehr als Chronistin einer aktuellen Aufwärtsentwicklung des Frauensports. Drei zentrale Figuren dieses Trends erscheinen prominent im Heft: Bundesrätin Viola Amherd, die sich als Sportministerin für die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern stark macht. Steffi Buchli, die ab kommendem Jahr den «Blick»-Sport leiten wird. Und Florence Schelling, Sportchefin des Schlittschuhclubs Bern und damit erste Frau in einer Top-Charge eines Schweizer Spitzeneishockeyclubs. Dass diese drei Texte, gleichsam das Herzstück des Magazins, zwei Männer verfasst haben, zeigt das Dilemma der Magazin-Macher. Bei allem guten Willen, der dem Projekt nicht abzusprechen ist, prägt ein männlicher Blick auf den Frauensport das neue Magazin. Journalistinnen hätten andere Fragen gestellt und andere Schwerpunkte gelegt in der Analyse.

Auch beim Thema Fussball, das mit vier längeren Beiträgen vergleichsweise viel Platz einnimmt, sind es massgeblich Männer, die schreiben und analysieren. Natürlich liest sich das Streitgespräch flott zwischen Bänz Friedli, einem «Fürsprecher des Frauenfussballs» und Fabian Ruch, einem Frauenfussballbanausen. Überhaupt sind Textqualität, Informationsgehalt und Unterhaltungswert konstant hoch, aber der Makel der Männerlastigkeit bleibt. Umso wichtiger ist daher der Essay von Marianne Meier. Die Geschlechterforscherin schreibt über den Widerspruch von «Frausein» und «Sportlerinsein» anhand konkreter Beispiele aus der Geschichte des männlich dominierten (Leistungs)sports. Damit formuliert sie ein starkes Plädoyer für ein Magazin über Frauensport, nach dem Motto: So schnell werden die Themen (leider) nicht ausgehen. Anstatt mitten ins Heft hätte dieser programmatische Text an den Anfang gehört.

Ansonsten wirkt der Ablauf sorgfältig durchkomponiert. Leichtere und unterhaltsamere Formate, etwa die sechs Kolumnen am Heftanfang oder das Fragebogen-Interview mit Mujinga Kambundji, stehen in einem sinnvollen Verhältnis mit den längeren Lesestücken. Positiv fällt die Bebilderung auf, wo die Redaktion auch mal ein Experiment wagt. So montierte der Fotograf Annalisa Gerber dreimal ins gleiche Bild. Der visuelle Kniff charakterisiert die Leiterin Sponsoring von Swiss Ski treffend als umtriebige Netzwerkerin.

Ob die «Sportlerin» ein Publikum findet, weiss noch niemand. Der Abopreis ist sicher kein Hindernis für den Erfolg. Mit 30 Franken für vier Ausgaben pro Jahr gibt es viel exklusiven Lesestoff für wenig Geld.


Wie so oft, wenn etwas Neues entsteht, spielten auch hier alte Freundschaften eine wichtige Rolle. Dass am Ende ein Frauensport-Magazin entstehen würde, war von Anfang an eine Option, wurde aber zuerst noch gründlich evaluiert. Am Ursprung des Projekts stand der Berner Grafiker und Werber Leander Strupler, der seit 2019 das Magazin «Boxen» herausgibt. Zusammen mit dem Sponsoring-Spezialisten Roman Grünig, der hauptberuflich für den Fussballclub Young Boys arbeitet, suchte Strupler nach Themen für eine weitere Publikation. Erst da stiess Fabian Ruch dazu, der mit Grünig gut befreundet ist. «Wir kamen sehr schnell auf ein Frauensport-Magazin, weil es dazu schlicht noch nichts gibt», sagt Ruch im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Letztlich gab also eine Marktanalyse den Ausschlag und nicht eine tiefe innere Überzeugung, dem Frauensport mehr mediale Sichtbarkeit verschaffen zu wollen. Am Ergebnis ändert das freilich nichts.

Drei Männer machen also ein Frauensport-Magazin. Eine Steilvorlage für Kritik. Frauensport aus Männersicht. Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. «Ich dachte auch, dass man uns das vorwirft», gesteht Ruch. Tatsächlich habe es auch kritische Reaktionen gegeben. «Doch wenn man uns jetzt dafür kritisiert, ein Frauensport-Magazin zu machen, frage ich zurück: Warum gibt es keine Frauen, die das schon längst angepackt haben?» Der überwiegende Teil der Rückmeldungen sei aber positiv gewesen, ob von Sportjournalistinnen, Verbänden, oder Lobbyorganisationen. Und nicht zuletzt von Inserenten. Eine Erstausgabe taugt zwar nicht als Massstab für den langfristigen Erfolg. Aber 14 verkaufte Seiten von 114 können sich sehen lassen. «Wir haben zudem schon Zusagen für das kommende Jahr», sagt Ruch.

Die Berichterstattung über Frauensport befindet sich seit ein paar Jahren in einem langsamen, aber stetigen Aufwärtstrend.

Mit der «Sportlerin» springen Ruch, Strupler und Grünig auch auf einen rollenden Zug auf. Die Berichterstattung über Frauensport befindet sich seit ein paar Jahren in einem langsamen, aber stetigen Aufwärtstrend. Abgesehen von Tennis und Ski, wo Frauen schon immer eine vergleichsweise grosse mediale Präsenz hatten, war es vor allem der Fussball, der einen Aufschwung erlebte. Inzwischen zeigt das Schweizer Fernsehen regelmässig Partien der höchsten Frauenliga. Ebenso berichten andere grosse Publikumsmedien, etwa die Sonntagszeitungen, mehr als auch schon über Frauensport.

Wie kann und wie will sich das neue Magazin gegenüber dieser Konkurrenz positionieren? Als Vorbild nennt Fabian Ruch das deutsche Fussballmagazin «11 Freunde»: hochwertiger Auftritt, lange Texte, attraktives Layout. Ein Anspruch, den die «Sportlerin» durchaus einlösen kann, wie die erste Ausgabe zeigt. Lange Artikel zuhauf, Porträts, Interviews, Essays, das ganzen Repertoire (siehe Blattkritik oben). Als Ruch vor dem Gespräch mit der MEDIENWOCHE die Druckfahnen der ersten Ausgabe durchblättert, kommentiert er jeden zweiten Artikel fast entschuldigend mit dem Hinweis, der sei halt auch etwas lang geraten. Wobei er sich eigentlich für nichts zu entschuldigen braucht. Denn was erwartet man von einem Sporthintergrundmagazin? Lange Texte.

Dass sich Fabian Ruch voll reinknien und mehr Zeit in das Projekt investieren konnte als ursprünglich gedacht, liegt nicht zuletzt an seinem Abgang bei Tamedia im vergangenen Sommer. Sein ursprünglicher Plan wäre es gewesen, das Heft parallel zu seiner 95-Prozent-Anstellung als Sportredaktor auf die Beine zu stellen. Doch am 1. Juli war Schluss nach 22 Jahren bei der «Berner Zeitung» und Tamedia.

Am 1. Juli reichte Ruch seine Kündigung ein. Vorangegangen war ein Zerwürfnis zwischen Redaktor und Ressortleiter.

Für Aussenstehende erfolgte der Abgang einigermassen überraschend. Die Berner Young Boys, deren Entwicklung Ruch als Dossier-Verantwortlicher seit 18 Jahren eng begleitet hatte, waren auf direktem Weg zum dritten Fussballschweizermeistertitel in Folge. Man durfte davon ausgehen, dass Ruch auch dieses erfreuliche Ereignis in einem sonst ereignisarmen Corona-Sommer ausgiebig zu würdigen wüsste. So weit sollte es nicht mehr kommen. Am 1. Juli reichte Ruch seine Kündigung ein. Vorangegangen war ein Zerwürfnis zwischen Redaktor und Ressortleiter. «Es braucht immer zwei», kommentiert Ruch seine Rolle im Konflikt und nimmt mindestens die halbe Verantwortung für den Eklat auf sich.

Ein paar Monate später sieht er seine Kündigung als folgerichtigen Schritt. «Die letzte Zeit bei Tamedia war ich in einem goldenen Käfig», sagt Fabian Ruch. Über YB und die Fussballnationalmannschaft schrieb er leidenschaftlich gerne. Er hatte viele Kontakte aufgebaut in all den Jahren und konnte entsprechend gut informiert berichten. «Freunde haben mir immer gesagt, geh doch mal. Es hätte auch Möglichkeiten gegeben. Aber ich fühlte mich wohl.»

Bis Corona kam und es ihm «den Nuggi rausgehauen hat» wegen der Pensenplanung. Kurzarbeit und gleichzeitig ein Mammutprogramm nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs der National League im Fussball und das mit immer komplexeren Redaktionsstrukturen und einem Chef, der sich das alles gefallen lässt. Das wollte Ruch nicht mehr mitmachen.

Das Magazin wird nie so viel einbringen, dass Ruch ganz auf diese Karte setzen könnte.

Das Magazin-Projekt spielte keine Rolle bei seinem Entscheid. Das lief einfach nebenher und wird auch bei einem kommerziellen Erfolg nie so viel einbringen, dass Ruch ganz auf diese Karte setzen könnte. Er wird deshalb ab kommendem Jahr für eine grosse Tageszeitung über Fussball schreiben und sich daneben selbständig machen für Aufträge im Bereich Text und Kommunikation.

Für sein weiteres Berufsleben scheint das Magazin-Projekt bereits Spuren hinterlassen zu haben. Ob der Erfahrungen, die er in den letzten Monaten im Austausch mit zahlreichen Journalistinnen, Sportlerinnen, Funktionärinnen gemacht hat, gerät Ruch regelrecht ins Schwärmen: «Es ist mehr Empathie da, es ist wärmer, es ist angenehmer. Es ist nicht das Testosterongehabe.» Und dann sagt er diesen Satz, den er sich nicht getraute ins Editorial der ersten Ausgabe der «Sportlerin» zu schreiben, weil er ihn für zu kitschig hielt: «Die Welt wäre eine bessere, wenn Frauen mehr zu sagen hätten.»