von Nick Lüthi

Native Advertising nach E-ID-Abstimmung: Entzaubertes Wundermittel

Die klare Deklaration von Native Advertising als «bezahlter Beitrag» ist ein positiver Nebeneffekt der Abstimmungskampagne um die E-ID. Hinter die Standards, die Ringier unter Druck eingeführt hat, kann niemand mehr zurück.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Native Advertising auch im Rahmen politischer Kampagnen eingesetzt würde. Voraussetzung dafür war allerdings, dass die Verlage der umstrittenen Werbeform auf ihren Zeitungsseiten und Websites Platz gewährten.

2017 schrieb das Branchenmagazin «Edito», politisches Native Advertising stecke hierzulande noch in den Kinderschuhen. Der dazu befragte Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl gab aber zu bedenken: «Ich fürchte, das wird auch bei uns kommen.» Er sollte recht behalten.

Nach ersten Gehversuchen von «Watson» und den Tamedia-Zeitungen folgte im Vorfeld der Abstimmung vom 7. März 2021 über das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste, kurz: E-ID, die erste grossflächige Kampagne.

Auf mehreren reichweitenstarken Online-Plattformen wie «Blick.ch» und «bluewin.ch» warb «Digital Switzerland» für ein Ja zur E-ID-Vorlage. Das tat die Lobbyorganisation mit Werbetexten, die auf den ersten Blick nach redaktionellen Artikeln der betreffenden Medien aussahen:

Anstelle einer Autorenzeile stand «In Kooperation mit digitalswitzerland» über den Texten; ein unbrauchbarer bis irreführender Hinweis.

Wer hier zu welchen Bedingungen mit wem zusammenarbeitet, wird aus der Formulierung nicht klar. Ausserdem war das eine Kehrtwende um 180 Grad: Anfang 2020 hiess es noch, «Blick» bringe keine solche Werbung, weil man politisch unabhängig sei.

Kein Wunder, hagelte es Kritik aus Politik und Publizistik an dieser Form der getarnten politischen Kommunikation – erst recht wegen einer pikanten Konstellation: Marc Walder, CEO von Ringier, ist gleichzeitig der Gründer von «Digital Switzerland», repräsentiert also Auftraggeber und Auftragnehmer dieser Inseratekampagne in Personalunion.

Obwohl er versicherte, mit der Kampagne nichts zu tun zu haben, blieb Walder nur die Flucht nach vorn.

Persönlich wies er Ende Januar die Verantwortlichen in Redaktion und Verlag an, künftig Native Advertising klar erkennbar als bezahlte Beiträge zu benennen. Das zeigte Wirkung. Danach stand über den artikelähnlichen Politanzeigen für die E-ID: «Das ist ein bezahlter Beitrag, präsentiert von digitalswitzerland».

Auch Native-Advertising für Online-Casinos und andere Dienstleistungen kennzeichnet «Blick.ch» nach der Intervention des Chefs deutlicher und besser verständlich als zuvor. Zwar vermeiden sie weiterhin den eigentlich treffenden Begriff «Werbung», den alle auf Anhieb verstehen würden, und den auch der Presserat empfiehlt. Aber ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz ist getan.

Gleichzeitig sollte man Native Advertising auch keine Wunderwirkung zuschreiben. Zum einen verfügen viele Leserinnen über einen gut ausgebildeten Bullshit-Detektor und können Journalismus durchaus von Propaganda unterscheiden. Zum anderen findet solch grenzwertige Werbung im Vergleich mit redaktionellen Inhalten weniger Beachtung. Laut einer Ringier-Sprecherin erzielen Native Ads «im Durchschnitt etwas weniger Klicks», jemand der etwas näher dran ist, weiss, dass sie sogar «sehr schlecht» laufen. Genaue Zahlen erfährt man nicht.