von Nick Lüthi

«Apropos» folgt auf «Akzent»: nach NZZ auch Tamedia mit täglichem News-Podcast

Nach anfänglichem Zögern setzt Tamedia verstärkt auf Podcasts. Mit «Apropos» ging eben das neue Flaggschiff an den Start. Der wochentägliche Podcast fokussiert auf das, «was die Schweiz bewegt». Damit schafft Tamedia eine Ergänzung zum Pendant der NZZ, das den Akzent stärker auf Auslandthemen legt.

Wenn ein Podcast bereits nach wenigen Tagen so klingt, als sei er schon immer da gewesen, dann macht die Redaktion etwas richtig. Bei «Apropos» von Tamedia ist das der Fall. In der dritten Folge geht es um Moutier. Die Bevölkerung des Städtchens im Berner Jura hat am letzten März-Sonntag in einer denkwürdigen Abstimmung die Kantonszugehörigkeit von Bern zu Jura gewechselt.

Im Kanton Bern bewegt das Thema verständlicherweise, aber in Zürich kann man Moutier kaum buchstabieren. Wie also kann man das Interesse an diesem für die gesamte Schweiz historischen Vorgang wecken?

«Apropos» tut, was guter Journalismus tun muss: Der richtigen Person im richtigen Moment die richtigen Fragen stellen.

Mirja Gabathuler, die im Turnus mit Philip Loser den neuen Podcast präsentiert, lädt Stefan von Bergen zum Gespräch. Der langjährige Redaktor der «Berner Zeitung» berichtet seit Jahren kontinuierlich über den Jura-Konflikt und die Moutier-Frage. Gastgeberin Gabathuler und Experte von Bergen schaffen es, die 200-jährige Geschichte der Mesalliance zwischen Bern und «seinem» Jura auf die Viertelstunde einer Podcast-Episode zu verdichten.

Das Fachwissen und die präzisen Beobachtungen des Journalisten, angereichert mit Originaltönen von lokalen Akteuren, sind die Zutaten für eine kurzweilige Lektion in (Zeit-)geschichte. Nimmt die Redaktion diese dritte Episode von «Apropos» zum Massstab, dürfte dem Erfolg nichts im Weg stehen. Das sieht offenbar auch das Publikum so.

Auf der beliebten Podcast-Plattform von Apple rangiert «Apropos» seit dem Start auf Rang 1 – vor dem «Echo der Zeit» von Radio SRF, das bisher den Spitzenplatz abonniert hatte. Auch wenn dieser Wert mit Vorsicht zu geniessen ist, so zeigt er doch, dass die privaten Medienhäuser und ehemaligen Zeitungsverlage in der Audiowelt Fuss gefasst haben. Die Tamedia-Redaktionen produzieren inzwischen sieben mehr oder weniger regelmässig aktualisierte Podcasts aus den Bereichen Sport und Politik.

Noch vor einem Jahr zeigten sich die Verantwortlichen zögerlich und zurückhaltend. Christoph Zimmer, als Produkteverantwortlicher auch für Podcasts zuständig, sagte damals, die Podcast-Nachhaltigkeit sei ihm «noch etwas unklar».

Was das Geschäft mit Podcasts angeht, und bei Tamedia kommt das Geschäft immer zuerst, hat sich an der Skepsis nicht viel geändert.

«Eine direkte Refinanzierung von Podcasts über Werbung halte ich in einem kleinen Markt wie der Schweiz nach wie vor für schwierig», erklärt Christoph Zimmer auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Das spreche aber nicht grundsätzlich gegen Podcasts.

Besonders als Instrument für die Publikumsbindung eigneten sie sich. «Die Hörerinnen und Hörer schenken uns für ein Thema oft mehr Zeit als beim Lesen eines Artikels», weiss Zimmer. Ausserdem seien die Redaktorinnen und Redaktoren «viel direkter erlebbar». Das schaffe eine Bindung zur Medienmarke in einem Bereich, wo ihre Kompetenz liege, nämlich bei Vertiefung und Recherche. Und das wiederum sei für den Erfolg des Abo-Angebots wichtig.

Aber auch auf direktem Weg versucht Tamedia mit Podcasts Geld zu verdienen. Wobei sich das schwieriger gestaltet als erhofft. Nach ersten Gehversuchen mit Werbung sei man heute «aufgrund von Corona weniger weit als geplant», erklärt Christoph Zimmer. So seien im letzten Jahr bereits geplante Werbepartnerschaften nicht zustande gekommen. Einen Schritt weiter als Tamedia in Sachen Podcasts ist die Konkurrentin NZZ:

Die «Neue Zürcher Zeitung» setzt schon seit längerem und offensiver auf Audio-on-Demand.

Bereits im letzten Sommer lancierte die NZZ mit «NZZ Akzent» ein tägliches Audioformat, nachdem man zuvor bereits erfolgreich mehrere zeitlich beschränkte Podcast-Serien produziert hatte.

Lässt Tamedia in «Apropos» seine Inland-Redaktorinnen und -Redaktoren zu Wort kommen, bringt die NZZ die Korrespondentinnen und Korrespondenten aus aller Welt vors Mikrofon. «Täglich ein Stück Welt» verspricht «NZZ Akzent». Innerhalb einer Woche reist man so schon mal rund um den Globus, zumindest akustisch. Im Schnitt widmet sich eine der fünf Folgen pro Woche einem Inland-Thema.

Von der Tonalität her kommt «NZZ Akzent» eine Nuance nüchterner und professioneller daher als das junge Pendant der Konkurrenz.

Das liegt zum einen an der Sprache: Bei der NZZ spricht man Hochdeutsch, bei Tamedia Mundart. Zum anderen bringen die beiden NZZ-Hosts einschlägige Radioerfahrung mit.

Den grössten Unterschied hört man gleich zu Beginn, wenn es bei «NZZ Akzent» heisst: «Dieser Podcast wird ihnen präsentiert von Porsche». Oder von den Vaudoise Versicherungen. Diese zwei Firmen haben im letzten halben Jahr Geld in die Hand genommen, um ihre Botschaften im neuen NZZ-Podcast zu platzieren. Neben dem kurzen Sponsorenhinweis zu Beginn folgt eine ausführlichere Botschaft in der Mitte der Podcast-Episode. Gemäss einer Tarifdokumentation, die der MEDIENWOCHE vorliegt, kostet eine Präsenz als Sponsor während drei Monaten, also in gut 60 Podcast-Folgen, 50’000 Franken bei erwarteten rund 10’000 Downloads pro Ausgabe.

Von der Grundstruktur her gleichen sich die täglichen Podcasts der beiden Zürcher Verlage aber weitgehend. Was auch nicht weiter überrascht. Tamedia dürfte genau hingehört haben, wie es die lokale Konkurrenz macht und auch die NZZ hat das Format nicht erfunden. Vorbild und Vorläufer aller täglichen Redaktionspodcasts ist «The Daily» der «New York Times»: Ein Gastgeber befragt Redaktionsmitglieder zu ihrer aktuellen Arbeit. Mehr braucht es nicht. So einfach das Rezept, so gross der Erfolg.

Zählt «The Daily» in den USA auf allen grossen Podcast-Plattformen zu den meistgehörten Angeboten, so etablierte sich hierzulande «NZZ Akzent» schnell unter den beliebtesten News-Podcasts.

Warum das funktioniert hat? «Der Erfolg kommt in erster Linie von der Machart und den Machern des Podcasts», erklärt Carola Ettenreich, als Leiterin Operations in der NZZ-Chefredaktion für die Podcast-Strategie verantwortlich. Und ebenso gilt: Das richtige Angebot kam im richtigen Moment.

Mit ihrer ähnlichen Aufmachung und der inhaltlich ergänzenden Ausrichtung könnten sich «Apropos» und «NZZ Akzent» als Duopol etablieren – und es gleichzeitig auf dem kleinen schweizerischen Podcast-Markt weiteren kommerziellen Anbietern ähnlicher Formate schwer machen. Umso mehr, weil das Schweizer Radio und Fernsehen SRF mit seiner starken Audiokompetenz hier auch mitmischt. Neben klassischen Radioformaten wie dem «Echo der Zeit» bringt das Radio zunehmend auch neue News-Podcasts. Nach «News Plus» seit ein paar Wochen auch «Mein Tag». Da sich diese beiden Formate stark am Tagesgeschehen orientieren, sind sie keine direkte Konkurrenz zu den hintergründigeren und die News vertiefenden Podcasts von NZZ und Tamedia.