von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly XXXIII

Blick Romandie, Tamedia Bern, Schweizer Monat

The Good – Musterredaktion für den Westschweizer Wettbewerb

Ringier lässt den Worten Taten folgen. Im letzten August setzte der Zürcher Medienkonzern ein «Diversity & Inclusion Board» ein und sprach in diesem Zusammenhang von «zentralen Werten» und «Erfolgsfaktoren für ein Unternehmen». Was ein geschärftes Bewusstsein für mehr Vielfalt bewirken kann, zeigt sich in der diese Woche vorgestellten Redaktion von «Blick Romandie»: Von den 20 Personen sind zehn Männer und zehn Frauen. Sie sprechen Französisch, Deutsch, Italienisch, Englisch, Russisch, Spanisch, Arabisch und Serbisch und sie fanden aus allen Ecken der Westschweizer Medien zum «Blick».

Dass alle verhältnismässig jung sind und es – ausser dem graubärtigen Chefredaktor – keine älteren Semester in die Redaktion geschafft haben, kann man Ringier nicht wirklich vorwerfen. Nur wer die Jugend erreicht, hat eine Zukunft. Ein Selbstläufer wird «Blick Romandie» aber nicht, selbst mit einer ideal aufgestellten Equipe, denn die Romandie ist umkämpftes Territorium: Nach «Watson» und einem aufgerüsteten «20 Minutes» betritt die «Blick»-Equipe am 1. Juni 2021 das Feld.

The Bad – Ein nicht so diskretes Tamedia-Fotoshooting

Heikle Unternehmensentscheide werden in der Regel bis im letzten Moment geheim gehalten, um sie am Tag X zum Zeitpunkt Y gezielt dem betroffenen Personal und der Öffentlichkeit mitzuteilen. So plante das auch Tamedia mit ihrer Kommunikation zur Fusion der Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Bund». Damit ja alles Material für die Medienmitteilung vorbereitet ist, musste noch ein Bild her mit der neuen Redaktionsleitung. Als Kulisse für das Foto-Shooting diente eine breite öffentliche Treppe nahe des Berner Tamedia-Sitzes.

Nun will es der Zufall, dass unsere Wohnung direkt an die Treppe angrenzt. Während der Tamedia-Fotosession sassen wir beim Mittagessen. Ich ahnte nicht, was sich direkt hinter meinem Rücken abspielt, bis meine Frau beim Blick nach draussen plötzlich Simon Bärtschi erkannte, den Chefredaktor der «Berner Zeitung» und designierter Leiter der neuen Monopolredaktion.

Ich sprang vom Esstisch auf und ging auf die Terrasse mit Blick auf die Treppe. Schnell war mir klar, wer sich hier aufstellt. Und auch der künftigen Leitung der Berner Tamedia-Redaktion war klar, wer ihnen da gerade bei der Foto-Session zuschaut. Würde nun der Medienjournalist die neuen Personalien vorzeitig ausplaudern?

Ein sichtlich nervöser Simon Bärtschi, der zwar weiss, wo ich wohne, aber gehofft hatte, dass ich an dem Tag nicht zu Hause wäre, bat mich, nicht auszuplaudern, was bald eh publik würde. Doch mich brauchte es gar nicht. Das Unternehmen verplapperte sich schliesslich selbst. Die Hausmitteilung zur Totalfusion der Berner Tamedia-Zeitungen und zum Stellenabbau fand sich fixfertig vorbereitet im Redaktionssystem – und fand von dort aus bereits Stunden vor dem geplanten Kommunikationstermin den Weg an die Öffentlichkeit.

The Ugly – Drauf liberal, drin reaktionär

Auf manchen französischen Bahnhöfen steht ein Warnschild mit der Aufschrift: «Un train peut en cacher un autre», ein Zug kann einen anderen verdecken. Genauso verhält es sich mit allzu grellen Etiketten. «Liberal» ist so eine. Wo das draufsteht, kann auch das Gegenteil drinstecken. Ein Beispiel dafür bot unlängst der Chefredaktor des «Schweizer Monat». Ronnie Grob sagte der NZZ einmal, liberal sei man oder sei man nicht. Für sich nimmt er selbstredend in Anspruch, dass er es ist.

Seine aktuelle Kolumne auf dem News-Portal «Nau.ch» liest sich aber ziemlich anders. Da werden Männer und Frauen auf unverrückbare, quasi gottgegebene, Positionen gestellt, begründet mit unwissenschaftlichen Plattitüden aus dem Tierreich. Daraus abgeleitet folgt der pauschale Schluss, Frauen in Führungspositionen liebten die Sicherheit und stellten sich ergo gegen die Freiheit. Das ist eine reaktionäre Sicht auf die Gesellschaft. Liberal bedeutet in dem Fall lediglich, dass alle alles schreiben dürfen – und sei es noch so dünn.

Leserbeiträge

M. Schmied 10. April 2021, 15:31

Guten Tag Herr Lüthi
Bis ich Ihre Kolumne las, dachte ich immer noch, dass Ronnie Grob bei der Medienwoche arbeitet, also ein Kolleg von Ihnen sei. Na ja, man kann ja nicht immer auf dem laufenden sein. Jedenfalls habe ich nun seine Kolumne gelesen und fand sie äussert amüsant und gut beobachtet. Vielleicht jetzt nicht gerade zu 100% dem Zeitgeist entsprechend, aber smart. Irgendwie war mir der Grob schon immer sympathisch. Ein „geile Siech“ halt. Ihnen möchte ich die Worte eines anderen Nau Kolumnisten, von Sam Urech nahelegen:
„Ich darf niemals meine eigenen Solidaritätsbekundungen als einzig richtig anschauen. Die Toleranz in Solidaritätsfragen ist superwichtig.Nicht jeder ist gleich ein Nazi!“
In diesem Sinne, eine schönes Weekend.