von Nick Lüthi

«Ich like immer noch, was ich will!»

Neue Social-Media-Regeln für das SRF-Personal: Lockerungen auf der einen, Restriktionen auf der anderen Seite – und weiterhin nur bedingt praxistauglich.

Der Ton, den Stefan Büsser anschlägt, ist eine Mischung aus Belustigung und Irritation. Etwas überraschend, aber durchaus passend, zieht der SRF-Moderator und Comedian im Comedy-Talk «Quotenmänner» über die neuen publizistischen Leitlinien seines Arbeitgebers her. Er finde sie «ziemlich bescheuert», urteilt Büsser in der Ausgabe des Talks vom 6. April 2021 (ab Minute 32:58). Das sage er deshalb öffentlich, weil er das auch schon intern so gesagt habe. Seit 1. April gelten die neuen Verhaltensregeln.

Anlass zur Kritik geben Büsser insbesondere die neuen Bestimmungen zum Umgang mit Social Media für SRF-Angestellte. Und dort im Speziellen die Empfehlung, weitgehend auf «Likes» zu verzichten. So sollten es Sportjournalistinnen unterlassen, «Inhalte einzelner Sportlerinnen und Sportler oder Teams zu liken oder teilen, wenn sie über die entsprechenden Sportarten berichten». Das Gleiche gilt für Musikjournalisten im Umgang mit Künstlerinnen und Bands, über die sie berichten.

Für Stefan Büsser ein Unding. Denn: «Ein Like heisst ja noch lange nicht, dass du befangen wärst, oder dass du deshalb mit dieser Person sympathisiert.» Auch darum ist für «Büssi» klar: «Ich like immer noch, was ich will!»

Niemand wird einem Sportredaktor einen Strick daraus drehen, wenn er das Jubel-Posting eines Vereins oder einer Athletin nach dem Gewinn einer Trophäe mit einem Herzchen oder einem «Daumen hoch» versieht.

Heikel wird es hingegen bei politischen Äusserungen. Hier kann ein Like, und sei es nicht einmal als Zustimmung zum Inhalt gemeint, schnell als solche interpretiert und SRF als politische Parteinahme ausgelegt werden. Auch darum, so die Leitlinien, «sollten einseitig dargestellte politische Inhalte grundsätzlich nicht geliked oder geteilt werden».

Wie schwierig es ist, Regeln zu formulieren für Aktivitäten, die sich per definitionem im Grenz- und Graubereich zwischen öffentlicher Figur und Privatperson bewegen, zeigt auch ein anderer Punkt aus den publizistischen Leitlinien.

In der bis Ende März gültigen Version der publizistischen Leitlinien hiess es, dass SRF-Angestellte «im Internet keine Stellungnahmen zu politischen und wirtschaftlichen Themen» abgeben. In der aktualisierten Fassung wurde das Verbot gestrichen. In den neuen publizistischen Leitlinien steht an der betreffenden Stelle nur noch allgemein, für das SRF-Personal gelte «eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei sämtlichen Aktivitäten im Netz».

Was auf den ersten Blick nach einer Lockerung aussieht, steht allerdings unter dem Vorbehalt der weiterhin gültigen und neu sogar noch umfassenderen Bestimmungen zu politischen Interessenkonflikten.

An die SRF-Mitarbeitenden gerichtet steht dort: «Sie vermeiden politische Äusserungen in der Öffentlichkeit ebenso wie die Unterstützung von ideellen Kampagnen in sozialen Netzwerken, Plattformen, Blogs etc.» Das heisst dann zum Beispiel, dass die Dekoration seines Facebook-Profils in den Regenbogenfarben mit dem Slogan «Love is Love» als Zeichen gegen das Referendum «Nein zur Ehe für alle!» für SRF-Mitarbeitende nicht drin liegt.

Weil es einzelne SRF-Mitarbeitende gibt, die ihr Facebook-Profil entsprechend umgestaltet haben, wandte sich die SRF-Chefredaktion per E-Mail an alle Mitarbeitenden der Abteilung Information mit dem Ersuchen, die «Social-Media-Profile leitlinienkonform zu gestalten».

Wer dieser Aufforderung nicht Folge leisten mag, kann sich auf einen anderen Passus in den publizistischen Leitlinien berufen. Da steht nämlich auch, man solle bei privaten Aktivitäten im Internet immer abwägen: «Was ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, und womit mache ich mich abhängig oder angreifbar?» Und ein Regenbogenprofil kann die eigene Persönlichkeit unter Umständen ganz gut charakterisieren.

Die Leitlinien seien «nur so gut, wie sie im Alltag gelebt werden», kommentierte SRF-Radiochefredaktorin Lis Borner Anfang April die runderneuerte Version dieses Grundlagendokuments.

Wenn die Verhaltensregeln im Bereich Social Media auch weiterhin so widersprüchlich sind, dass sie im Alltag gar nicht gelebt werden können, dann sind die Leitlinien in diesem Punkt das Gegenteil von gut.

Hoffnung auf Besserung besteht insofern, als dass die Regeln nicht in Stein gemeisselt sind. Die vorliegende Version soll bis im Herbst «weiter angepasst und ergänzt» und dann als «Schlussfassung» gedruckt werden. Danach will SRF die publizistischen Leitlinien im Jahrestakt aktualisieren.

Leserbeiträge

Aga Bellwald 09. Februar 2022, 19:09

Als Mediennutzerin verstehe ich nicht wirklich, weshalb solche Richtlinien die SRF-Mitarbeiter*innen derart einschränken, wenn sie auf den sozialen Medien aktiv sind.

Auch wenn es schwierig ist, sich zwischen öffentlicher und privater Person zu entscheiden, bin ich der Meinung, dass Journalist*innen sich sehr wohl in diesen Medien äussern dürfen sollen. Solche Aktivitäten muss das SRF aushalten können. Diese Einschränkungen passen nicht in eine Demokratie.

In Deutschland hat der WDR kürzlich auch eine solche Regelung erlassen, die aber bei den dortigen Mitarbeiter*innen gar nicht gut angekommen war und entschärft werden musste. Siehe auch den Tweet von MONITOR-Redaktionsleiter Georg Restle vom 9. Februar 2022.

Ich wünsche mir, dass SRF die die Meinungsäusserungsfreiheit seiner Mitarbeiter*innen höher wertet als das eigene Ansehen in der Öffentlichkeit. Ich denke, dass die Journalist*innen in ihrer Tätigkeit professionell genug sind und keinen solchen Maulkorb verdient haben.