von Nick Lüthi

«Mir geht es gegen den Strich, wenn Qualität geopfert wird ohne Not.»

In Bern tut sich was. Seit der Ankündigung von Tamedia, die Redaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» per 1. Oktober zusammenzulegen, grassiert das Gründungsfieber. Der Politikberater Mark Balsiger will mit der Bewegung Courage Civil ein Online-Magazin gründen und damit die Lücke füllen, welche die Fusion hinterlässt. Im Gespräch mit der MEDIENWOCHE erklärt Balsiger seine Motivation und warum er vorerst nicht mit anderen Projekten zusammenspannen will.

Ein zweites Mal konnte der «Bund» nicht mehr gerettet werden. Schon in ein paar Monaten wird die traditionsreiche Tageszeitung nur noch als Hülle, als leere Marke weiterexistieren, abgefüllt von der gleichen Redaktion, die auch die langjährige Konkurrentin «Berner Zeitung» mit Beiträgen bestückt. Dass es irgendeinmal so weit kommen würde, daran zweifelte schon seit zwanzig Jahren niemand mehr. Bereits seit 14 Jahren ist klar, dass der Medienplatz Bern zu klein ist für zwei unabhängige Tageszeitungen. 2007 übernahm der damalige Verlag der «Berner Zeitung» die Geschäfte des Konkurrenzblatts «Der Bund». Die Redaktionen blieben vorerst voneinander unabhängig. Als ein Jahr später Tamedia das Zepter übernahm, plante der Zürcher Verlage den chronisch defizitären «Bund» einzustellen.

Dank dem Protest von 16’500 Personen kam es nicht so weit. Organisiert hatte die Kampagne zur Rettung des «Bund» der Politikberater und Kommunikationsspezialist Mark Balsiger. Er trommelte 2009 alles zusammen, was in Bern Rang und Namen hat, von Kuno Lauener bis Simonetta Sommaruga.

Der öffentliche Druck führte schliesslich dazu, dass Tamedia den «Bund» als eigenständigen Titel weiterführte.

Das Berner Blatt wurde an den «Tages-Anzeiger» angedockt und übernahm fortan einen Grossteil der Zeitung aus Zürich. Dieses kleine Wunder von Bern bleibt aber einmalig.

Im Vorfeld der nun beschlossenen Fusion der Redaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» gab es ausser vereinzelten kritischen Wortmeldungen keinen breiten Protest. Doch Mark Balsiger ist wieder aktiv. Allerdings nicht mehr als Zeitungsretter, sondern als Mediengründer. Anstelle des Komitees «Rettet den Bund» tritt er diesmal mit der Bewegung Courage Civil an. Sie wollen die Lücke füllen, die der Zusammenschluss der Berner Lokalzeitungen hinterlässt. Aber sie sind nicht allein. Zwei weitere Projekte haben das Gleiche vor und wollen ebenfalls für Medienvielfalt auf dem Platz Bern sorgen. Mark Balsiger ist überzeugt, dass es am Ende nur Platz für ein neues Medium gibt, wie er im Gespräch mit der MEDIENWOCHE sagt.

MEDIENWOCHE:

Was Sie vor zwölf Jahren mit Ihrer Kampagne «Rettet den Bund» zu verhindern halfen, wird jetzt umgesetzt: Tamedia legt die Redaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» zusammen. Ist ihr erfolgreiches Engagement von damals im Rückblick ein Pyrrhussieg?

Mark Balsiger:

Unser Protest war mit ein Grund dafür, dass in den letzten zwölf Jahren ein qualitativ ansprechender «Bund» und eine «Berner Zeitung», die sich gemausert hat, herauskommen konnte. Allein deswegen hat sich unser Engagement gelohnt. Ausserdem konnten wir mit dem breit verankerten Protest, und das war «Rettet den Bund», einem machtbewussten Medienkonzern zeigen, dass er nicht einfach jede Stellschraube drehen kann, wie ihm beliebt.

MEDIENWOCHE:

Nun treten Sie wieder auf den Plan. Diesmal mit der von Ihnen initiierten Bewegung Courage Civil. Warum haben Sie nicht das Komitee «Rettet den Bund» reaktiviert?

Balsiger:

Vom harten Kern des damaligen OK bin nur noch ich übriggeblieben. Simonetta Sommaruga ist Bundesrätin und Christoph Stalder selig schaut uns von oben zu. Natürlich informierte ich die ehemaligen Mitglieder des Komitees «Rettet den Bund» schon vor Monaten. Dies weil ich ihnen 2009 versprochen hatte, mich zu melden, wenn sich wieder etwas Gravierendes tut auf dem Medienplatz Bern. Ein Teil von ihnen hat sich nun Courage Civil angeschlossen. Medienvielfalt ist ein Kernanliegen unserer Bewegung, die es seit 2018 gibt. Ihre DNA liegt im Abstimmungskampf gegen die «No Billag»-Initiative.

MEDIENWOCHE:

Courage Civil ist in der gesamten Deutschschweiz verankert und versteht sich als «Antwort auf Populismus und parteipolitisches Hickhack». Warum nun ein so starker Fokus auf die Mediensituation in Bern? Verstehen das die Zürcherinnen und Basler in Ihrer Organisation?

Balsiger:

Es gab selbstverständlich kritische Rückmeldungen zu diesem Engagement. Uns im Vorstand ist klar, dass wir weiterhin das grosse Ganze im Auge behalten müssen, auch wenn wir nun ein Projekt für ein Online-Magazin im Grossraum Bern entwickeln.

Wir beobachten eine Aufbruchstimmung. In den Ballungsräumen der Deutschschweiz sind in den letzten Jahren neue Online-Medien entstanden.

Da werden weitere dazukommen. Was sie machen, ist frisch. Und sie besetzen eine wichtige Nische. Diese Kleinen müssen sich besser vernetzen. Und in dieser Kette fehlt tatsächlich der Grossraum Bern noch. Was wir tun, hat also auch eine nationale Komponente.

MEDIENWOCHE:

In Bern existiert seit 2012 das «Journal B». Warum zählen Sie das nicht zu diesen Neugründungen?

Balsiger:

«Journal B» war am Anfang ein hoffnungsvolles Projekt, musste aber bereits nach neun Monaten Betrieb die fünfköpfige Belegschaft wieder entlassen, weil das Geld ausgegangen war. Das bleibt haften. Nun einfach dort nochmals Geld und Substanz zu investieren, haben wir verworfen.

MEDIENWOCHE:

Dieses Scheitern liegt acht Jahre zurück. Seither berichtet «Journal B» kontinuierlich und vielfältig. Das allein kann nicht der Grund sein, warum Sie das Projekt in Ihren Überlegungen ignorieren.

Balsiger:

Es gibt tatsächlich einen zweiten Aspekt: «Journal B» war aus der rot-grünen Berner Bubble entstanden, aus einer Unzufriedenheit gegenüber der damaligen Berichterstattung von «Berner Zeitung» und «Bund», und es betrachtet Bern weiterhin aus linker Perspektive. Ein Beispiel: Letztes Jahr fanden in der Stadt Bern Wahlen statt. «Journal B» porträtierte neun Kandidierende, acht davon waren von rot-grünen Parteien.

MEDIENWOCHE:

Das spiegelt doch einfach die Kräfteverhältnisse in Bern als linkste Stadt der Schweiz.

Balsiger:

Okay, aber die Parteipresse ist tot. Aus unserer Umfrage zum Medienplatz Bern geht hervor, dass sich eine Mehrheit von 85 Prozent wünscht, alle Akteure mit derselben kritischen Distanz zu beobachten. Zwölf Prozent möchten das aus rot-grüner Perspektive, zwei Prozent aus bürgerlicher. Die Mehrheit der Teilnehmenden an der Umfrage verortet sich klar links oder links-liberal. Wir entwickeln unser Online-Magazin aus der Perspektive des Publikums.

MEDIENWOCHE:

Ein linkes Medium für die linke Stadt Bern könnte so falsch nicht sein.

Balsiger:

Wenn «Bund» und «Berner Zeitung» wirklich mit einer stramm bürgerlich redigierten und kommentierten Berichterstattung aufgefallen wären, dann hätte «Journal B» auch eher Erfolg gehabt. Aber das ist nicht der Fall. Die Realität ist die, dass die «Berner Zeitung» bis vor wenigen Jahren eine vor allem auf dem Land verankerte, bürgerliche Zeitung war. Aber das hat sich verändert. Auch in der BZ liest man linke Kommentare. Beim «Bund» ist alles möglich, von rechts der Mitte bis links der Mitte.

MEDIENWOCHE:

Woher rührt eigentlich Ihr Engagement für die Medienvielfalt in Bern?

Balsiger:

Mir geht es gegen den Strich, wenn Qualität geopfert wird ohne Not. Das passiert nicht nur im Medienbereich, egal ob es um die Rettung des «Bund», des Polit-Forums Käfigturm in Bern oder um «No Billag» geht.

Wenn Medienvielfalt oder wichtige Institutionen zusammengeholzt werden sollen, werde ich zum Kämpfer.

Im Grossraum Bern wird am 1. Oktober 2021 ein Medienmonopol installiert, eine Einheitsredaktion, auf der ein paar wenige Figuren entscheiden, was und wer Thema ist – und wer nicht. Ich finde das hochproblematisch, weil es an die Wurzeln der Demokratie geht. Dagegen anzutreten, das ist meine Bürgerpflicht.

MEDIENWOCHE:

Im Februar führte Courage Civil eine Umfrage durch, um herauszufinden, was für ein Angebot sich Mediennutzer:innen auf dem Platz Bern wünschen. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Balsiger:

Die Auswertung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Eine zentrale Erkenntnis: Die Bereitschaft ist gross, für guten Online-Journalismus im Grossraum Bern zu bezahlen. 65 Prozent, die an der Umfrage teilgenommen haben, antworteten so. Die Umfrage geht in die Tiefe. Wer teilnahm, wendete dafür gegen 15 Minuten auf. Deswegen sind 3000 Teilnehmende ein guter Wert. Es gibt ein grosses Bedürfnis nach Einordnung von politischen und gesellschaftlichen Themen, das rangiert zuoberst. Auf Platz zwei folgt die Kulturberichterstattung. Beides können «Bund» und «Berner Zeitung» heute nur noch beschränkt leisten, weil Tamedia ihre Redaktionen zu stark dezimiert hat. Da gibt es also ein Bedürfnis nach einer starken Alternative.

MEDIENWOCHE:

Aus diesen Ergebnissen hat Courage Civil bereits Schlüsse gezogen. «Das Konzept für ein Start-up liegt bereit», heisst es. Wie sieht dieses Konzept aus?

Balsiger:

Das Konzept dient dazu, mögliche Geldgeber zu überzeugen, also Mäzene, Stiftungen, Firmen und Einzelpersonen. Es analysiert die Ist-Situation des Medienplatzes Bern, fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus der Umfrage zusammen und zeigt auf, weshalb es eine komplementäre Stimme, einen Monopolbrecher braucht.

MEDIENWOCHE:

Damit suchen Sie nun 4.5 Millionen Franken für ein Online-Magazin. Wie kommen Sie auf diesen Betrag?

Balsiger:

Wir haben lange abgewogen und gerechnet. Das ist ein sehr bescheidenes Budget. Wir sprechen von eineinhalb Millionen Franken pro Jahr. Das ist das absolute Minimum. Damit bewegen wir uns auf derselben Flughöhe wie «Bajour» in Basel.

Drei Jahre lang hat unser neues Online-Magazin Zeit, sich zu profilieren und beim Publikum zu etablieren.

Ausserdem kann man mit diesem Zeithorizont signalisieren, dass Angestellte eine Perspektive für mindestens drei Jahre hätten. Das ist sehr wichtig. Nur mit Top-Leuten und hungrigen Talenten haben wir eine Chance.

MEDIENWOCHE:

Angesichts der Fusion von «Bund» und «Berner Zeitung» hegen auch Andere Pläne, ein neues Lokalmedium zu gründen. Der Schaffhauser Verleger Norbert Bernhard sucht Geld für eine Gratis- Tageszeitung und der Verein Neuer Berner Journalismus NBJ plant etwas Ähnliches wie Courage Civil. Warum nicht die Kräfte bündeln gegen die grosse Tamedia?

Balsiger:

Es gibt seit Monaten einen regelmässigen Austausch mit dem OK von NBJ. Mit Norbert Bernhard stehen wir per E-Mail in Kontakt. Wir von Courage Civil gehen schrittweise und pragmatisch vor. Zunächst machten wir diese Umfrage. Wir wurden komplett überrascht von der Resonanz, den Erwartungen, den Neueintritten. Darum stehen wir in der Pflicht, weiterhin eine aktive Rolle zu spielen. Was, wenn das Kollektiv Neuer Berner Journalismus auf der Strecke bleibt, weil es zu viel wollte? Was, wenn ein paar Schlüsselfiguren abspringen, weil sie andere Jobs antreten?

MEDIENWOCHE:

Sie sehen das Risiko des Scheiterns nur bei den anderen?

Balsiger:

Das Risiko zu scheitern ist für alle hoch. Und deswegen ist es umso wichtiger, dass in der aktuellen Phase drei Projekte unabhängig voneinander unterwegs sind. Ich kann die Situation mit einem Bild verdeutlichen: Wir befinden uns auf einem langen anstrengenden Weg hinauf auf den Niesen. Ein Team startete in Frutigen, eines in Mülenen. Vielleicht gibt es weitere, die auf Ho-Chi-Minh-Pfaden unterwegs sind. Norbert Bernhard kommt mit dem Helikopter, weiss aber nicht, ob er landen kann. Wenn wir über der Baumgrenze angelangt sind und es erst recht anspruchsvoll wird, kommt vielleicht der Moment, wo wir uns vertieft austauschen müssen: Was sind eure Stärken, was sind unsere, wie verknüpfen wir sie? Spannen wir zusammen?

MEDIENWOCHE:

Was ist, wenn alle auf den Gipfel hochwollen?

Balsiger:

Dann zeigt sich die Weisheit der entscheidenden Köpfe. Denn davon bin ich nun wirklich überzeugt: Es hat nur Platz für ein neues Medium. Auch wenn mehrere Projekte ausfinanziert sein sollten, bringt es nichts, wenn zwei oder drei starten. Dann muss man sich finden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das verfrüht.

MEDIENWOCHE:

Zwischen Courage Civil und dem Projekt NBJ gibt es gewisse Irritationen und Wahrnehmungsunterschiede. Wie nehmen Sie diese Spannungen wahr?

Balsiger:

Lassen Sie mich das mit einem Bild erklären: Während der Pandemie haben sich ein junger Mann und eine junge Frau kennengelernt. Auf ihren Spaziergängen der Aare entlang fanden sie heraus, dass sie beide auf dem Landweg nach Nepal wollen – ein abenteuerlicher Roadtrip. Über die Route und was sie im Himalaya machen wollen, sind sie sich allerdings nicht einig. Er hätte sich eine Beziehung gewünscht, sie hingegen – Courage Civil – will frei bleiben und kann sich die Reise auch mit jemandem sonst vorstellen. Kommunikation ist eine Herausforderung für die beiden jungen Leute – gerade mit der Maske im Gesicht ist es schwierig, alles richtig zu verstehen.

MEDIENWOCHE:

Bleibt es bei der Freundschaft oder wird daraus noch eine Beziehung?

Balsiger:

Es ist alles offen. Viel wichtiger ist, dass ein neues, solid abgesichertes und überzeugendes Medienprojekt an den Start gehen kann.

Wenn ein anderes Projekt besser ist als unseres, unterstützen wir es.

Der Knackpunkt für alle ist die Finanzierung. Noch hat sich die Einsicht nicht durchgesetzt, dass Lokaljournalismus am Abgrund steht. Für die Medienkonzerne ist er zu teuer geworden, weil er sich nicht skalieren lässt. Da sollten Stiftungen einspringen.

MEDIENWOCHE:

Nur Stiftungen oder auch der Staat?

Balsiger:

In meinem letzten Buch vertrat ich noch die Meinung, dass Medienförderung nicht zu den Kernaufgaben des Staats zählt. Wegen der dramatischen Erosion am Werbemarkt sehe ich das inzwischen anders. Das Medienförderungsgesetz, das bald vorliegt, macht einen tauglichen Eindruck. Es hätte allerdings stärker zugunsten der Kleinen ausgestaltet werden sollen, die Neues wagen.

MEDIENWOCHE:

Wenn es nach Ihren Vorstellungen geht, entsteht irgendwann ein neues Online-Magazin. Warum soll man das abonnieren? «Bund» und BZ werden ja nicht automatisch schlechter, nur weil sie fusionieren. Es steht dann einfach das Gleiche in beiden Blättern.

Balsiger:

Es gibt eine Schicht sehr interessierter Menschen im Grossraum Bern, die unzufrieden ist mit dem Angebot von «Bund» und «Berner Zeitung». Unser Potenzial umfasst etwa 35’000 Personen.

MEDIENWOCHE:

Und wofür sollen die genau zahlen?

Balsiger:

Wenn eine hoch motivierte Redaktion kritischen, aber fairen, faktenbasierten und nicht klickgetriebenen Journalismus bietet, findet das ein Publikum. Wenn ein kleines Team seine ganze Energie in gute Geschichten stecken kann, und diese gut erzählt, kann das neue Online-Magazin reüssieren. So wie die kleine Schweizer Redaktion der «Zeit», die seit Jahren Woche für Woche ausgezeichnete Stoffe liefert. Auf der Einheitsredaktion von Tamedia hingegen wird noch mehr koordiniert, noch mehr gesessen und noch mehr geschräubelt an knalligen Storys, damit sie möglichst viele Leute anklicken. Sie sind das Schmiermittel, um das Publikum zu den kommerziellen Angeboten zu lotsen – es geht primär um Klicks und Reichweite, nicht mehr um Information.

MEDIENWOCHE:

Sie rechnen auch damit, dass die künftigen Arbeitsbedingungen bei der Berner Tamedia-Redaktion negativ auf die Qualität abfärben?

Balsiger:

Es ist zu befürchten. Die allermeisten Journalistinnen und Journalisten machen ihren Job solide. Aber die Extrameile gehen sie nur noch selten, weil die Stimmung schlecht ist. Viele wollen abspringen. Bei diesem gewaltigen Change-Prozess sollen die Angestellten mitwirken, obwohl viele noch nicht wissen, ob sie überhaupt bleiben können.

Für die Medienmanager der Tamedia sind die Redaktorinnen und Redaktoren Nummern, Kostenfaktoren.

Wir wollen genau das Gegenteil: Perspektiven, ein motiviertes Team, in dem sich die Mitglieder gegenseitig anstacheln und unterstützen. Wenn Routiniers und junge Talente zusammenkommen, die jeden Tag mit dem Anspruch antreten, die beste Geschichte der Woche zu machen, dann wird das etwas.

MEDIENWOCHE:

Das klingt ein bisschen nach «Republik» im Lokalen.

Balsiger:

Die «Republik» hilft als Wegmarke. Der einfachste Lösungsansatz wäre, wenn sie in Bern eine Lokalredaktion aufbauen würde. Die Marke ist schon etabliert und die technologische Infrastruktur wäre auch vorhanden. Einen Standort Bern regte ich schon vor vier Jahren an, beim Start der «Republik», aber die Verantwortlichen wollen das bis heute nicht.

MEDIENWOCHE:

Sie arbeiten als Politik- und Kommunikationsberater. Welche Rolle wollen Sie längerfristig auf dem Medienplatz Bern spielen?

Balsiger:

Ich wäre glücklich, wenn dank Courage Civil etwas Neues entsteht, das kräftig ist und viele Leute im Grossraum Bern überzeugt. Solche Pro-Bono-Engagements brauchen viel Energie, aber es gibt mir eine grosse Genugtuung, wenn sie ins Ziel kommen. Ich würde mir aber nicht in den kühnsten Träumen ausmalen, in einer solchen Redaktion tätig zu sein. Dafür bin ich in allen Disziplinen zu schlecht.

MEDIENWOCHE:

Und als Verleger?

Balsiger:

(lacht) Ich habe schon einmal einen Medien-Start-up mit 30 Personen geführt. Das war die spannendste Aufgabe in meinem Berufsleben, von der ich bis heute zehren kann. Ich kenne den Rausch und Kick des Neuen, aber ich weiss auch, wie erschöpfend ein solcher Job auf die Dauer ist.

Das Gespräch fand am 22. April in Bern statt.

Bild: zvg/Thomas Hodel

Leserbeiträge

Willi Egloff 27. April 2021, 20:15

Mark Balsiger wirft Journal B vor, im Vorfeld der Stadtberner Wahlen 2020 fast nur Kandidierende roter und grüner Parteien porträtiert zu haben. Was er verschweigt: Der „Bund“ führte ein volles Jahr lang lokalen Wahlkampf mit dem erklärten Ziel, die RGM-Mehrheit in der Berner Stadtregierung zu kippen. Zu diesem Zweck publizierte die Zeitung, bei der laut Balsiger „von rechts der Mitte bis links der Mitte“ alles möglich sein soll, seitenlange Porträts der Kandidierenden von Mitte-Rechts-Parteien (SVP, FdP, CVP, GLP, EVP) zum Gemeinderat (Exekutive). Journal B verstand und versteht sich angesichts der Mediensituation auf dem Platz Bern als Komplementärmedium. Dementsprechend konzentrierte es seine Berichterstattung im Vorfeld dieser Kommunalwahlen auf die Wahlen zur Legislative (Stadtrat) und porträtierte 16 Kandidierende aus 12 verschiedenen Parteien. Von diesen 16 kandidierten 10 für die Mehrheitsparteien des RotGrünMitte-Bündnisses, 6 für Parteien, die diesem dominierenden Block nicht angehören. Die unsinnige Polemik von Mark Balsiger gegen Journal B trifft also schon auf der Ebene der Fakten nicht zu.
Willi Egloff