The Good, The Bad & The Ugly XXXVII
Das Magazin, Sonntagszeitung, SRG
The Good – Lenz zum Tagi-Magi
Man vernimmt auch erfreuliche Meldungen aus dem Hause Tamedia. Aktuell gibt eine interne Transfermeldung Anlass zur Freude: Christoph Lenz wechselt von «Tages-Anzeiger» & Co. zum «Magazin», wie diese Woche bekannt wurde. Was von Lenz zu erwarten ist, zeigte der Reporter im letzten Herbst mit der Recherche «Die Klimaschande von Visp», die er bereits im «Magazin» veröffentlichen durfte. Auf sechs Heftseiten konnte der 37-jährige Journalist nachweisen, dass der Chemiekonzern Lonza in Visp über Jahre unbehelligt tonnenweise klimaschädliches Lachgas entweichen liess, auch wegen einer Gesetzeslücke. Mit der Lonza-Enthüllung ist Lenz nun für den European Press Prize nominiert. Das war vor ihm noch niemand aus der Schweiz. Beim Swiss Press Award belegte er jüngst den zweiten Platz mit der Lonza-Recherche. Wenn das Gesellenstück der Massstab ist für die kommenden Artikel, dann dürfen wir uns auf anregende Lektürestunden freuen.
Nick Lüthi
The Bad – Der Fall Sara Macy
Menschen erzählen sich Geschichten, um zu leben. Und die letzte «Sonntagszeitung» erzählte eine Geschichte, die in Journalist*innenkreisen für Stirnrunzeln sorgte: das Porträt der Flugbegleiterin Sara Macy, die sich aufgrund ihres Jobs angeblich so häufig auf Corona testen lassen musste, dass ihre Nase «dauerhaft geschädigt» ist. Im Porträt darf Macy unwidersprochen Thesen verbreiten, die entweder falsch sind oder im Artikel nicht belegt werden. Ein kurzer Faktencheck:
1. Macy erzählt, sie habe sich die Verletzung am Flughafen Keflavik in Island zugezogen. Zwar bleibt ihr Arbeitgeber im Porträt anonym, eine kurze Recherche später ist aber klar: Die Fluggesellschaft, bei der Macy arbeitet, bietet gar keine Flüge nach Island an. Laut internen Quellen hätte Macy beruflich nur auf einem sogenannten Turnaround-Flug in Island Zwischenstopp machen können – und auf solchen sind keine Coronatests nötig.
2. Viele Fluggesellschaften in Europa befinden sich seit einem Jahr in Kurzarbeit. So viele Coronatests, dass man aufgrund der Häufigkeit Schäden davontragen könnte, finden also kaum statt. Fragt man etwa bei Mitarbeitenden der Swiss nach, heisst es: «Seit Beginn der Pandemie fliegt man nur noch sehr wenig und es wird darauf geachtet, dass man nicht oft Destinationen anfliegt, die PCR-Tests verlangen – wie zum Beispiel China.» Auf praktisch allen anderen Destinationen würden heute gar keine Nasenabstriche mehr durchgeführt, sondern Rachenabstriche.
3. Der Text verpasst leider, Macy entsprechend einzuordnen: Ihr mittlerweile gelöschtes Facebook-Profil machte klar, dass die junge Frau QAnon-Theorien zumindest nicht abgeneigt ist. Offenbar wusste man bei der Sonntagszeitung darüber Bescheid – das habe aber «absolut nichts mit dem Artikel zu tun», schrieb eine Tamedia-Sprecherin.
Miriam Suter
The Ugly – SRG-Propaganda zeigt Wirkung
Ende April erhielten die Journalist*innen Sylvia Revello, Boris Busslinger und Célia Héron von «Le Temps» den Swiss Press Award für ihre Recherche über Belästigung, übergriffiges Verhalten und Machtmissbrauch beim Westschweizer Radio und Fernsehen RTS. Das stiess verschiedentlich auf Unverständnis und Kritik.
«Persönlich»-Verleger Matthias Ackeret schreibt: «Dass nun ausgerechnet diese Story, die sich zumindest im Fall von Rochebin als falsch erwiesen hat, mit dem höchsten Schweizer Journalistenpreis ausgezeichnet wird, mutet eigenwillig an.» Rochebin, der heute beim französischen Sender LCI eine Talksendung führt, habe eine «Rehabilitation ersten Grades» erfahren. Und auch Medienkolumnist Kurt W. Zimmermann schlug in die gleiche Kerbe. In der «Weltwoche» schreibt er zum preisgekrönten Stück: «Nichts davon war wahr. Eine externe Untersuchung, im Auftrag der SRG, wusch Rochebin weiss wie Schnee.»
Die SRG-Propaganda entfaltet also ihre volle Wirkung: Anfang April informierte die Spitze des Unternehmens, Rochebin könne man nichts vorwerfen. Doch die Erkenntnisse der SRG zu den Vorgängen in der Westschweiz sind zumindest unvollständig: Die Quellen der Vorwürfe gegen Rochebin, auf die sich «Le Temps» stützt, hat die SRG in ihrer Untersuchung gar nicht berücksichtigt. Ein Abschlussbericht soll im Juni folgen und der könnte noch ein paar Überraschungen enthalten: Es scheint noch weitere Fälle zu geben, wie Watson Romandie schreibt. Diese Suppe ist noch nicht ausgelöffelt.
Miriam Suter
Frank Brunner 08. Mai 2021, 12:31
Wieso ist es eine goode Nachricht, dass Christoph Lenz vom Tages-Anzeiger zum Magazin abgeschoben wird? Ein gooder Journalist verliert viel Reichweite.
Michele Binswanger, deren Namen sich die Medienwoche nicht nennen zu getraut, kann alles anstellen und erhält immer noch Reichweite. Die Medienwoche liefert nochmals ein Grund, wieso der Beitrag über Sara Macy längst nicht mehr online sein dürfte. Bei Macy geht es nicht nur um QAnon. Sie vergleicht Masken und Impfungen mit dem Dritten Reich und Konzentrationslagern. Sie verbreitet, nicht Corona töte Menschen, Menschen würden ermordert. Sie ruft dazu auf, sich nicht impfen zu lassen, weil damit die DNA manipuliert würde. Und und und.
Vielleicht zu thematisieren wäre Zackbum, wo Binswanger durch alle Böden verteidigt wird. Aber vielleicht ist das nur der Reflex, dass die Truppe um Zeier gegen alles ist, was sich gegen Spiess-Hegglin richtet.
Rolf Trechsel 10. Mai 2021, 16:58
Wenns der Autorin passt, ist es eine Recherche, wenns nicht passt, ist es Propaganda.