UKW-Abschaltung: Alles beim Alten und auf dem richtigen Weg
Der neue Fahrplan für die UKW-Abschaltung ist wieder der alte. Wie bereits 2014 beschlossen, will das Gros der Radiosender per Ende 2024 endgültig auf Digitalradio DAB+ umstellen. Die Politik hält sich aus dem Abschaltprozess raus.
Von einem Tag auf den anderen guckten Ende 2007 mehr als 400’000 Schweizerinnen und Schweizer in die Röhre. Damals schaltete die SRG das analoge Antennenfernsehen ab. Die Abschaltung warf keine Wellen. Niemand rief dazu auf, die todgeweihte TV-Technologie so lange zu erhalten, bis auch die Hinterletzten nicht mehr wollen. Viele hatten sich längst neu orientiert und den Empfang via Kabel, Satellit, oder Telefonleitung organisiert. Dass es am Ende doch noch 170’000 Haushalte waren, die bis im letzten Moment das Fernsehsignal über die Antenne empfangen hatten, überrascht nicht. «Dieses Phänomen konnten wir bisher jedes Mal beobachten, wenn eine Technologie nach einem Parallelbetrieb abgeschaltet wurde», schrieb Manuel Dähler, ehemaliger Mediapulse-Chef, in einem Kommentar zu einem MEDIENWOCHE-Artikel. Das gelte auch für UKW: «Egal wie lange UKW in Betrieb bleibt, es wird bis zum letzten Tag Hörerinnen und Hörer geben, die ausschliesslich über UKW hören – sie werden erst nach der Abschaltung umsteigen.»
Anders als damals beim Fernsehen, sorgt der geplante Technologiewechsel beim Radio für einige Unruhe. Der Radiounternehmer Roger Schawinski stellte den Fahrplan für die UKW-Abschaltung per Anfang 2023 öffentlich in Frage und forderte eine längere Übergangsfrist. Mit einer von 60’000 Personen unterschriebenen Petition rief er die Politik auf den Plan. Mehrere bürgerliche Nationalräte reichten Vorstösse in Schawinskis Sinn ein. Und schliesslich befasste sich auch die für das Radiowesen zuständige Fernmeldekommission des Nationalrats an zwei Sitzungen mit dem Thema.
Es schien Bewegung in die Sache zu kommen. Auf jeden Fall sahen manche Medien nach der Kommissionssitzung vom 10. August 2021 einen «Teilerfolg für Schawinski». Anlass zu dieser, wie sich zeigen sollte, gewagten Einschätzung bot der Auftrag der Kommission ans Bundesamt für Kommunikation, «einen vertiefenden Bericht über die Folgen eines Marschhalts der geplanten Migration von UKW auf DAB+» zu verfassen.
Ganz ohne Wirkung ist Schawinskis Kampagne aber nicht geblieben.
Doch die Erwartungen, dass das Bakom ein Argumentarium für die Verschiebung des umstrittenen Termins nach hinten liefern würde, sollte sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil. Personen, die den Inhalt des nicht öffentlichen Dokuments kennen, sahen darin vielmehr gute Argumente für den früheren Abschalttermin. Die Kommission nahm am letzten Montag den Bericht zur Kenntnis und «sieht keinen weiteren politischen Handlungsbedarf». Damit dürften auch die hängigen Vorstösse zum Thema einen schwereren Stand haben. Eigentlich war schon nach der Sitzung vom 10. August klar, dass sich die Politik raushalten will. Was auch heisst: In der Anhörung vor der Kommission überzeugten die Verbandsvertreter, die für ein schnelles Ende von UKW plädierten, offenbar mehr als die Argumente von Radiopionier Schawinski.
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Ganz ohne Wirkung ist Schawinskis Kampagne aber nicht geblieben. Ende August haben die drei Privatradioverbände und die SRG den Abschaltzeitpunkt auf Ende 2024 verschoben. Das war ursprünglich so vorgesehen, als die Branche vor sieben Jahren den Fahrplan für die Ablösung von UKW durch DAB+ festgelegt hatte. Zwischenzeitlich wollten die Radios den Prozess beschleunigen und legten die UKW-Abschaltung sogar auf 2022/23 fest.
Als Grund für die Rückkehr zum Status Quo ante nennen die Radioverbände die Situation in der französischsprachigen Schweiz, wo sich mehrere Unternehmen gegen ein frühzeitiges Ende von UKW ausgesprochen hatten. Da es aber eine gesamtschweizerische Lösung brauche, seien die Radios «auf ihren ursprünglichen Plan zurückgekommen».
Jedes Radio hat ein Interesse, die Dauer der finanziellen Doppelbelastung möglichst kurz zu halten.
Der nun beschlossene neue alte Fahrplan ist richtig und wichtig für die weitere Entwicklung der Radiolandschaft in der Schweiz. Ein Hinauszögern des definitiven Umstiegs von UKW auf DAB+ bis 2028 oder noch später würde entweder viel Geld kosten oder die Vielfalt gefährden. Heute zahlen Sender zweimal für die terrestrische Verbreitung ihres Programms, einmal für UKW und einmal für DAB+. Jedes Unternehmen hat ein Interesse, die Dauer der finanziellen Doppelbelastung möglichst kurz zu halten. Ein Weiterbetrieb von UKW hätte die sowieso schon schmalen Budgets vieler Lokalradios zusätzlich belastet, da sie davon ausgingen, dass 2022 oder spätestens 2024 Schluss ist mit UKW und sie danach nur noch die digitale Verbreitung bezahlen müssen. Subventionen hätten diesen Druck abfedern können. Das war auch der Vorschlag von Roger Schawinski: eine Förderung der Radioverbreitung analog zur indirekten Presseförderung. Wenn es aber eine Lösung gibt, die keine zusätzlichen Bundesmittel erfordert, so ist diese einem Ausbau der Subventionen vorzuziehen.
Die überwiegende Mehrheit der UKW-Radiosender hat sich seit dem Branchenentscheid von 2014 auf den Ausstieg per 2024 vorbereitet. Wenn nun die Politik das Ruder übernommen und einen späteren Abschaltzeitpunkt verordnet hätte, dann wäre das ein Ohrfeige für eine Branche, die sich in dieser Frage selbst organisiert und nach einem optimalen Weg für alle Beteiligten gesucht hat.
Kommt dazu, dass Ende 2024 die geltenden Konzessionen der UKW-Sender auslaufen. Auch darum ist dies ein idealer Zeitpunkt, um dieser Technologie ein Ende zu setzen. Andernfalls müsste das Bakom die Bürokratie für eine UKW-Neukonzessionierung hochfahren.
Aber auch die vielen kleineren und mittelgrossen Radiosender ohne Konzession, die schon heute ihr Programm terrestrisch ausschliesslich via DAB+ verbreiten, haben ein Interesse an einem baldigen Ende von UKW. Sie erhoffen sich davon bessere Bedingungen auf dem Werbemarkt, der sich heute im Radiobereich noch stark an der UKW-Senderlandschaft orientiert.
Dass es in einer Frage von der Dimension einer UKW-Abschaltung auch dissidente Stimmen gibt, liegt in der Natur der Sache. Die Kampagne von Roger Schawinski hat eine kurze und intensive Diskussion in Gang gebracht, die in einem Kompromiss gemündet ist, der nun Bestand haben muss.
Daniel P. Wiedmer 03. September 2021, 09:24
… wenn man UKW auf einen bestimmten Termin hin abschalten will, und parallel bereits DAB läuft, sollte es verboten werden, UKW-Radios noch zu verkaufen.
Mein 2-jähriger Mercedes-Bus wurde mit einem UKW-Radio geliefert, und bis heute bietet Mercedes keinen DAB-Ersatz dafür an.
Der Rest Europas ist ausserdem deutlich langsamer mit dem Umstieg auf DAB – warum muss die Schweiz so vorpreschen?
Aus meiner (Konsumenten-) Sicht spricht nichts dafür, UKW frühzeitig abzuschalten. Ich fühle mich davon eher verarscht.
Daniel P. Wiedmer
Jean-Pierre Wüthrich 05. September 2021, 02:43
Es war nicht normal, dass damals Mercedes ihr Bus nur mit einem UKW-Radio ausgerüstet hatte. Die Fahrzeughersteller haben es verschlafen DAB+ serienmässig einzubauen. In der EU muss jedes Fahrzeug, das ab 20.12.2020 zugelassen wird DAB+ enthalten. Einige Autohersteller in der Schweiz habe schon seit längerer Zeit DAB+ serienmässig drin.
UKW-Fan 27. Juni 2022, 09:33
Ein Irrwitz, die gesammte Übung. Millionen von tadellos laufenden Ukw-Radios verschrotten, wirklich sehr nachhaltig… Auch scheint mir, DAB+ verbrauche spürbar mehr Energie, siehe Transistorradios und Batterien. Und ist es nicht einfacher und kostengünstiger, UKW Radio-Sendungen zu produzieren, als DAB+??? Uns all die Leute, die jetzt einen Notfall-Transister-Radio kaufen wollen, DAB+ odeUKW, oder beides? Bitte um Antwort, das Thema liegt mir am Herzen…
Ueli Custer 03. September 2021, 11:10
Sehr guter Beitrag, der deutlich mehr Klarheit in die Angelegenheit bringt als alles andere, was bisher dazu zu lesen war. Kompliment!
Thomas Gerber 03. September 2021, 11:29
Eine Anmerkung eines UKW-Hörers und auch Internet-/DAB-Hörers: SRF sollte sich schon mal damit beschäftigen, wie die Zeitansage wieder genau wird. Via Internet/DAB eine Minute im Verzug! Der ORF (Oe1) schafft das. 11.00 Uhr ist auch im Internetradio 11.00 Uhr. Ich weiss, ein kleinliches Detail. Trotzdem. Life is live 😉
Ueli Custer 05. September 2021, 14:55
Die Zeitverzögerung ist bewusst. Denn nur so kann man messen, wie viele Leute eine Sendung über UKW bzw. DAB+ hören. Nach dem Abschalten von UKW wird die Ausstrahlung über DAB+ die exakte Zeit vermitteln können. Über Internet wird das allerdings nie möglich sein, weil die Zeitverzögerungen im Netz sehr zufällig sind.
Stephan Kamenar 04. September 2021, 09:02
Die Abschaltung der UKW Sender in der Schweiz wird dazu führen, dass die Leute ohne DAB-Empfänger vermehrt ausländische UKW Sender und auch Alternativen aus dem Internet, Musikdienste, Internetradio hören werden. Es gibt keine Notwendigkeit für einen DAB-Empfänger.
Jean-Pierre Wüthrich 05. September 2021, 02:34
Ich finde es traurig, dass due Abschaltung von UKW hinausgezögert wird.
Im August 2008 wurde bekannt, dass die Mittelwelle in der Schweiz (Landessender Beromünster) per 28.12.2008 abgestellt wird. Ab 1.10.1996 wurde über diesen Sender did SRF Musikwelle gesendet, Mittelwelle 531. Auf UKW war keine Frequenz mehr frei. DAB gab es in der Schweiz ab 1999 und dort wurde auch die SRF Musikwelle verbreitet. 160‘000 Radiohöher/innen hörten damals die SRF Musikwelle noch über die Mittelwelle und mussten ein neues DAB-Radio, DAB-Autoradio und später DAB+Radio, DAB+-Autoradio kaufen, damit man diesen Sender weiterhin hören konnte per Luft. Im Kabel, Internet ist er auch zu hören. Übrigens in der EU ist Pflicht, dass alle Neufahrzeuge, welche ab 21.12.2020 zugelassen sind DAB+ drin ist.
Peter Isler 26. September 2021, 12:20
Es ist ja schö und gut das man über die Anschaltung von UKW infomiert wird. Und jetzt die noch serh gut funtionierenden Musikanlagen und UKW Empfänger einfach wegwerfen? Ideen oder Ratschläge dazu liest man nirgens, einfach entsorgen??