von Nick Lüthi

SP will starke SRG: Ein Sammelsurium-Papier mit wichtigen Anstössen

In letzter Zeit machte sich kaum mehr jemand öffentlich stark für die SRG. Jetzt greift die SP dem öffentlichen Medienanbieter unter die Arme. Die Positionen der Partei wirken aber nicht immer kohärent.

Bevor der Abstimmungskampf zum Medienpaket überhaupt in die Gänge kommt, bereitet sich die Sozialdemokratische Partei SP argumentativ schon auf die zu erwartende Folgedebatte vor. Denn nach dem Streit ums Geld für die privaten Verlage ist vor dem Streit ums Geld für die SRG. Und nach der «No Billag»-Initiative, ist vor der Halbierungsinitiative.

Zwar nimmt das Positionspapier, das die SP-Fraktion der Bundesversammlung am 20. November 2021 verabschiedet hat, keinen direkten Bezug zu dieser schon seit Jahren angedrohten Schwächung der SRG-Finanzierung. Aber implizit wird klar, dass es darum geht. Etwa wenn da steht, es liege «im nationalen Interesse, dass die SRG mit genügend finanziellen Ressourcen ausgestattet ist». Nicht weniger, sondern mehr Geld. Damit markiert die SP eine klare Gegenposition zum medienpolitischen Mainstream, der die Mittel für die SRG plafonieren oder senken und entsprechend Leistungen abbauen möchte. Die SP dagegen plädiert für eine Stärkung und einen Ausbau, damit die SRG «die mediale Souveränität der Schweiz» sichern könne und zu einem «Bollwerk für Qualitätsjournalismus» werde.

Das martialische Vokabular mag irritieren, aber die SP trifft einen wichtigen Punkt, den sie auch nüchterner hätte adressieren können. Im Kern geht es darum, dass es neben den privaten Medien, die aufgrund rückläufiger Erträge aus Werbung und Abonnements ihr publizistisches Angebot entsprechend straffen, eine Alternative existiert, deren Finanzierung langfristig stabil und gesichert ist.

Zielführend wäre wenn schon ein komplettes Werbeverbot, also auch der Verzicht auf TV-Werbung.

Wenn die SRG diese Rolle glaubwürdig spielen soll, dann darf sie sicher nicht stärker als heute über Werbung finanziert werden. In diesem Punkt ist das SP-Papier inkohärent, wenn es eine Zulassung der bisher untersagten Online-Werbung fordert. Zielführend wäre wenn schon ein komplettes Werbeverbot – also auch der Verzicht auf TV-Werbung –, damit sich der Service public komplett ausserhalb der kommerziellen Logik frei bewegen kann.

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Die Forderung nach Online-Werbung ist nicht die einzige Schwäche des SP-Papiers. Einigermassen diffus wirkt auch das Szenario, wonach sich die SRG gleichzeitig zu einer Plattform für andere Medien, zu einer Nachrichtenagentur und zu einem Medienarchiv für alle entwickeln solle. Das ist ein bisschen viel aufs Mal. Aber in jedem Sammelsurium steckt etwas Brauchbares. So schneidet die SP-Fraktion das Konzept der «Digitalen Allmend» an. Hier steckt tatsächlich Potenzial für eine Diskussion zur Weiterentwicklung des Service public, zumal dazu in den letzten Jahren schon viel Denkarbeit geleistet wurde.

Dass sich die SRG stärker nach Europa orientieren solle, davon liest man im SP-Papier nichts.

«Öffentliche Medien im digitalen Zeitalter sollten Räume eröffnen, die von Nicht-Kommerzialität und der Ermöglichung vielfältiger Begegnungen gekennzeichnet sind», schreibt etwa die Kommunikationswissenschaftlerin und ZDF-Verwaltungsrätin Barbara Thomass. Gleichzeitig hält sie fest, dass ein solcher Public Open Space «in angemessenen Dimensionen zu denken» sei, also im europäischen Rahmen.

Dass sich die SRG stärker nach Europa orientieren solle, davon liest man im SP-Papier nichts. Das ist doch erstaunlich für eine Partei, die in anderen Politikfeldern stets die Nähe der Schweiz zu Europa betont. Kooperation und Kollaboration über die Landesgrenzen hinweg böten auch das Potenzial, den Tech-Giganten Google und Facebook wirksam etwas entgegensetzen zu können. Im nationalen Rahmen, zusammen mit den privaten Medienhäusern, wie die SP dies vorschlägt, ist da nicht mehr viel zu holen.

Bei allen Mängeln und Defiziten liefert die SP mit ihrem Papier ein klares Bekenntnis zu einer starken SRG. Damit schafft die Partei eine wichtige Voraussetzung für eine ausgewogene Debatte um die Zukunft des medialen Service public in der Schweiz. Zu stark standen in den letzten Jahren die Zeichen auf Abbau und Schwächung.